vetmental: Den Überblick bewahren

Supervision und Intervision in der tierärztlichen Praxis

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

In vielen medizinischen Berufen ist es selbstverständlich, manchmal sogar verpflichtend, regelmäßige Supervisions- und Intervisionseinheiten in Anspruch zu nehmen.

Dabei geht es sowohl um fachliche als auch um psychische Unterstützung. Für Tierärzt*innen gab es bis vor Kurzem kaum diesbezügliche Angebote, dabei besteht ein enormes Bedürfnis nach Austausch: Wenn zwei oder mehr Tierärzt*innen zusammentreffen, geht es nach spätestens einer halben Stunde um aktuelle Fälle. Spannende, fachlich interessante, schwierige, seltene, rätselhafte, eklige – alles wird besprochen.

Gemeinsam durchatmen

„Oft merke ich erst nach einem solchen Treffen, wie gut es mir getan hat, einmal ausführlich über die Fälle zu reden“, meint eine Kollegin. „Da kann man auch mal Dampf ablassen und seufzen: ‚Ich weiß einfach nicht, was der Patient hat!‘“ Einen regelmäßigen Austausch, etwa in Form eines Stammtischs, würden sich viele wünschen. Das scheitert meist an der Zeit und der Organisation – wir sind alle überarbeitet, und wenn wir einmal frei haben, verbringen wir die Zeit lieber mit unserer Familie und unseren Freunden. Trotzdem sind diese fachlichen Gespräche eine Investition in unser Können und unsere Expertise – eine Art informelle und niederschwellige Intervision.

„Wie machst du das?“

Für unsere Patienten bringt der Erfahrungsaustausch mehr Sicherheit. „Ich kann aus Berichten von Kolleg*innen viel lernen“, ist die Kollegin überzeugt. Auch auf neue Entwicklungen wird man schneller aufmerksam. Sich in allen interessanten Bereichen gleichzeitig fortzubilden und immer auf dem aktuellen Stand zu sein erfordert viel Zeit und Initiative. „So kann ich auch mal nachfragen, welche Erfahrungen meine Kolleg*innen etwa mit neuen Medikamenten haben, und dann meine Kund*innen besser beraten.“ Und dann gibt es auch die Fälle, die nicht so verlaufen wie geplant: Es kostet Überwindung, nicht nur über Therapieerfolge zu reden – „aber ehrlicherweise ist es gut, auch diese Erfahrungen mit anderen zu besprechen, denn den Fehler, der mir passiert ist, muss eine andere Kollegin dann vielleicht nicht mehr machen.“

Hilfe von einer Fachkraft

Andere heikle Themen werden im entspannten Gespräch mit Kolleg*innen nicht zur Sprache kommen. „Dass ich mich mit einem Fall überfordert fühle oder Albträume habe, weil mich ein Erlebnis nicht loslässt, möchte ich eigentlich niemandem erzählen – das wäre mir unangenehm. Es ist aber sehr belastend für mich“, berichtet eine andere Kollegin.

In solchen Fällen hilft es, Supervision in Anspruch zu nehmen. Gemeinsam mit einer Fachkraft, die entsprechend ausgebildet ist, können Stressfaktoren und Überlastung thematisiert und bearbeitet werden. In der Supervision geht es nicht um fachliche Themen, sondern darum, die in der eigenen Tätigkeit aufgetretenen Probleme angstfrei und ohne Bewertung zu besprechen. Die Supervision kann auch gezielt und stundenweise eingesetzt werden.

Die Österreichische Tierärztekammer finanziert im Rahmen der „Vetmental“-Initiative für alle Mitglieder fünf Einheiten Supervision oder Beratung pro Jahr.


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