Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin
Ausgabe 11/2022
Wenn es um das Thema Euthanasie geht, haben wir den Satz „Das könnte ich nicht!“ wohl alle schon einmal von Tierbesitzer*innen gehört. Wir aber können, und wir müssen – was macht das mit uns? Welche Aspekte dieser Situation sind für uns besonders belastend? Gibt es Unterschiede zwischen der Euthanasie in der Kleintier-, Nutztier- und Pferdepraxis? Das Vetjournal sprach mit Kolleg*innen über diesen schwierigen Aspekt unserer Arbeit.
„Am Beginn meiner tierärztlichen Tätigkeit war es mir vor allem wichtig, dass alles reibungslos klappt; dass ich zum Beispiel die Medikamente in der richtigen Dosierung vorbereitet hatte, vor allem bei Hausbesuchen“, erzählt eine Kollegin. Dass die Euthanasie für das Tier friedlich und entspannt abläuft, dass die Besitzer*innen sich gut verabschieden und ihrer Trauer freien Lauf lassen können – dafür sind wir zuständig und schaffen als „Fels in der Brandung“ den entsprechenden Rahmen.
Schwierig wird es, wenn die Besitzer*innen noch nicht bereit sind, ihr Tier gehen zu lassen. „Oft wollen die Menschen nicht wahrhaben, dass ihr Tier leidet und es keine Hoffnung auf Heilung gibt“, berichtet ein Kollege. Was tun, wenn die Besitzer*innen eines moribunden Tiers sich nach dem Vorgespräch plötzlich einfach nicht mehr melden? Ist das Tier verstorben, wurden andere Tierärzt*innen aufgesucht – oder wird ohne medizinische Versorgung „abgewartet“? „Rechtlich sind wir nicht verpflichtet, hier nachzufragen – moralisch und ethisch aber schon!“, sind sich die Kolleg*innen einig.
Auch der umgekehrte Fall kommt durchaus häufig vor: Eine Euthanasie wird gewünscht, obwohl es eine Behandlung gäbe – die aber für die Tierhalter*innen zum Beispiel mit finanziellen oder organisatorischen Belastungen verbunden ist. Es soll Besitzer*innen geben, die mehrere Tierärzt*innen und Kliniken aufsuchen, wenn ihr Tierarzt die Euthanasie ablehnt – weil der Hund fröhlich in der Ordination herumschnuppert und eben „einfach nur alt ist“.
Für die meisten Kolleg*innen gilt: Mehr als eine Euthanasie pro Tag empfinden sie als sehr bedrückend. Eine Kollegin, die im Rahmen des Klinikbetriebs Hausbesuche machte, musste oft täglich mehrere Euthanasien durchführen, einmal waren es acht an einem Tag. „Mit meinen Kolleginnen habe ich darüber gescherzt, aber eigentlich war es für mich furchtbar“, erzählt sie. Wie so vieles in unserem Beruf ist es leider oft nicht vorhersehbar oder planbar, wie viele solche Termine an einem Tag auf uns zukommen.
Die Euthanasie in der Pferdepraxis gilt im Kollegenkreis generell als besonders schwierig. „Der Ablauf stellt uns hier vor spezielle Herausforderungen, da die Pferde auf die Anästhesie individuell sehr unterschiedlich reagieren“, erklärt eine Kollegin. „Der Ablegeprozess gestaltet sich daher manchmal schwierig – wenn sich zum Beispiel ein Pferd sehr plötzlich hinlegt oder sehr lange braucht, bis es niedergeht. Die Besitzer*innen sind oft sehr verzweifelt und tun sich schwer damit, das miterleben zu müssen. Dann muss das Pferd auch noch weggebracht werden; wenn man es aus dem Stall schwer herausbekommt, ist das logistisch schwierig und für die Besitzer*innen schrecklich.“
„Für mich ist die Euthanasie keine Belastung“, meint eine Kollegin, die in der Rinderpraxis tätig ist. „Wenn ich sage, es wird eingeschläfert, dann passiert das auch. Ich bin also Herrin der Lage und dieser Situation nicht ausgeliefert.“ Dabei macht sie auch durchaus von ihrer Autorität Gebrauch, damit ihre Einschätzung ernst genommen wird. „Für mich entsteht daher ethisch kaum ein Problem – denn wenn eine Euthanasie notwendig ist, gibt es dafür immer einen guten Grund und es besteht keine Aussicht auf Heilung.“
* Name der Redaktion bekannt