Hilfe, es juckt!

Ursachen und Therapien von allergischem Juckreiz bei Hunden

Bettina Kristof

Damit es dem Tier dauerhaft gut geht, ist es wichtig, die erarbeiteten Maßnahmen konsequent einzuhalten – einen Einblick gibt Tierärztin Dr. Karin Strasser vom Vet-Team Pottenstein bei Baden.

Viele Tierärzt*innen kennen das: Der Hund kratzt sich, schleckt seine Pfoten und wälzt und reibt sich bei jeder Gelegenheit. Jetzt geht es darum, den Ursachen für den offensichtlichen Juckreiz des Vierbeiners auf die Spur zu kommen. Wenn ein Befall mit Parasiten ausgeschlossen ist, ist der Juckreiz zumeist allergisch bedingt – wir sprachen darüber mit Dr. Karin Strasser vom Vet-Team Pottenstein bei Baden.

Frau Doktorin Strasser, kommt allergischer Juckreiz bei Hunden häufig vor?
Ja, sehr häufig, und es wird mehr. In den letzten 25 Jahren konnten wir feststellen, dass allergischer Juckreiz bei Hunden immer öfter auftritt. Das betrifft nicht nur Rassehunde wie Labradors, Schäfer oder Westies, sondern auch Mischlinge wie unsere Patienten im Neunerhaus.

Welche Formen des allergischen Juckreizes gibt es?
Prinzipiell gibt es drei Allergieformen, die zu starkem Juckreiz führen können: die Atopische Dermatitis, die Futtermittelallergie und die Flohallergie. Die Canine Atopische Dermatitis entspricht in etwa der Neurodermitis beim Menschen. Ich bringe diesen Vergleich gerne, das macht es für Tierhalter*innen besser verständlich, da viele selbst unter allergischen Erkrankungen leiden. Allergien treten leider oft in Kombination auf; so haben etwa 25 % der Atopiker zusätzlich eine Futtermittelallergie. Die Flohallergie ist eine allergische Reaktion auf den Flohspeichel und unterscheidet sich dadurch vom Juckreiz, der durch andere Ektoparasiten – wie zum Beispiel bei Räude – ausgelöst wird.

Was können die Ursachen für die Allergien sein?
Die Ursache für eine Allergie ist, simpel gesagt, eine überschießende Reaktion des Immunsystems. Die häufigsten Auslöser sind, wie teils bereits erwähnt, Umgebungsallergene wie Hausstaub- und Vorratsmilben, Pollen und Schimmelpilze sowie Flöhe und Futtermittelbestandteile. Die Pathologie ist komplex – und glücklicherweise nicht Thema dieses Interviews.

Wie diagnostizieren Sie allergischen Juckreiz?
Prinzipiell ist die Allergiediagnostik eine klinische Diagnostik. Zumeist kommen Tierhalter*innen mit ihrem Tier in die Praxis, weil der Juckreiz Mensch und Tier den Schlaf rauben kann. Juckreiz ist das erste und anfänglich einzige Symptom, allerdings – vor allem bei Futter­mittelallergien – häufig mit einer Ohrenentzündung kombiniert. Klinisch sehen wir weiters Folgeerscheinungen des Juckreizes, etwa Hautschäden durch massives Kratzen und Schlecken. Bakterielle Infektionen und/oder die Vermehrung von Hefepilzen entstehen als Folgeerscheinung der allergisch erkrankten Haut und sollten im Kontext mit der Grunderkrankung behandelt werden.

Futtermittelallergien fallen auch durch massives Pfotenschlecken auf, dazu kommen Symptome vonseiten des Magen-Darm-Trakts wie übermäßige Darmgeräusche, Blähungen, Durchfall. Atemwegssymptome und Bindehautentzündungen kommen vor, stehen aber klinisch nicht im Vordergrund. Allergiediagnostik ist auch Ausschlussdiagnostik; andere Erkrankungen wie etwa Räude verursachen ebenfalls Juckreiz und Hautveränderungen und müssen mit gezielten Untersuchungen ausgeschlossen werden.

Wir sind in unserer Praxis dazu übergegangen, bei Hunden, die mit starkem Juckreiz vorstellig werden, relativ frühzeitig einen Allergievortest durchzuführen, ebenso wie Abklatschpräparate, Ohrtupfer oder gegebenenfalls ein Hautgeschabsel.

Ein klinischer Hinweis ist auch der Zeitpunkt des Auftretens: Die Atopische Dermatitis tritt am häufigsten zwischen sechs Monaten und drei Jahren auf, die Futtermittelallergie vom Welpenalter an oder auch plötzlich bei alten Hunden. Bei Futtermittelallergien gibt es einen Test, wir empfehlen zunächst allerdings eine Eliminationsdiät: Der Hund bekommt acht bis zwölf Wochen lang eine einzige Proteinquelle, mit der er vorher nicht in Berührung gekommen ist, oder Futter, dessen Proteine durch indus­trielle Bearbeitung nicht mehr als Allergene erkennbar sind – und sonst absolut nichts. Auch Futtermittelzusatzstoffe, Vitaminpräparate et cetera fallen in dieser Zeit weg. Das Thema Leckerlis ist ein eigenes, das wissen wir alle; für das Seelenwohl aller ist es wichtig, welche zu finden, die der Hund verträgt. Diese zwölf Wochen sind für Tierhalter*innen eine harte Zeit – der empfohlene Provokationstest am Ende dieser zwölf Wochen wird in aller Regel dankend abgelehnt. Verschwinden die Symptome, war das Futter verantwortlich, und damit ist auch die Therapie klar. Wir geben all unseren Allergikern prinzipiell von Anfang an entweder ein hypoallergenes Futter oder ein Futter mit einer Protein- und einer Kohlehydratquelle.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Behandelt werden Grundkrankheit, Juckreiz, Entzündung, mechanische Hautschäden, bakterielle oder mykologische Überwucherung und gestörte Hautintegrität respektive Hautbarriere. Die einzige Therapie, die das Grundproblem angeht, ist die Gegensensibilisierung. Hat man durch den Allergietest ausdifferenziert, wogegen genau der Hund allergisch ist, kann eine Gegensensibilisierungs­lösung hergestellt werden. Auch das ist aus der Humanmedizin bekannt. Die Gegensensibilisierung wird anfangs von uns, dann im günstigsten Fall von den Tierbesitzer*innen selbst gespritzt – lebenslang.

Die Gegensensibilisierung ist in 75 bis 80 % der Fälle erfolgreich, manchmal allerdings erst nach einem Jahr. Wird diese Therapie nicht gewünscht, gibt es eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten, die alle letzten Endes den Zweck verfolgen, die Hautgesundheit wiederherzustellen und den Hund unter der Juckreizschwelle zu halten. Gelingen diese beiden Maßnahmen, ist für den Patienten eine gute Lebensqualität gesichert.

Welche anderen Behandlungen wenden Sie an?
Das Wichtigste ist zuerst einmal, den Hund vom Juckreiz zu befreien. Kostengünstig und wirksam ist das gute alte Cortison; richtig und kritisch angewandt ein wirksames Medikament. Ebenfalls über das Immunsystem wirkt Oclacitinib, ein Immunmodulator, der die Wirkung von bestimmten Enzymen, den Januskinasen, hemmt. In Tablettenform gegeben verwenden wir es in erster Linie zur primären Juckreizstillung und bei akuten Phasen saisonaler Allergien.

Relativ neu am Markt ist Lokivetmab, ein monoklonaler Antikörper, der Interleukin blockiert und dadurch Juckreiz und die allergisch bedingte Entzündung lindert. Lokivetmab wird monatlich verabreicht und ist eine große Hilfe in der Allergiebehandlung.

Auch der Einsatz von Antihistaminika, meist zusätzlich zu einem der genannten Medikamente, kann unterstützend wirken. Die allergiegeschädigte Haut führt zu massiver Vermehrung an sich harmloser hautbewohnender Keime und Hefen. Bei einer dadurch entstehenden Pyodermie arbeiten wir je nach Schweregrad mit Bädern oder Antibiose, in schweren Fällen auch monatelang, bevorzugt mit Antibiogramm.

Ein weiteres pathologisches Grundprinzip der allergischen Dermatitis ist der Verlust der Hautintegrität respektive Hautbarriere. Hier helfen Fettsäuren äußerlich und innerlich. Bäder lösen bei den Tierhalter*innen, ähnlich wie die Fütterungsvorschriften, meist sehr wenig Freude aus, sind aber äußerst wirksam: Zum einen werden abgestorbene Zellen und Sekret mechanisch entfernt, zudem auch Allergene, die beim Hund durch die Haut aufgenommen werden. Durch desinfizierende Zusätze werden Bakterien und Hefen bekämpft, und die Haut wird gut durchfeuchtet und gepflegt. Nach dem Bad gibt’s dann noch Schaum. Darin enthaltene Sphingolipide – spezielle Fettsäuren – helfen, die Hautbarriere zu erhalten oder wiederherzustellen, Hyaluronsäure sorgt für optimale Feuchtigkeitsversorgung. Das Bad findet dann idealerweise zweimal wöchentlich statt – im Winter, bei langhaarigen, großen oder unwilligen Hunden ist Begeisterung von allen Seiten hier natürlich programmiert.

Ist das nicht möglich, können Sphingolipide und Hyalu­ronsäure auch lokal mittels Spot-on oder als Tabletten eingesetzt werden. Cortisonsprays, Schaum – gegebenenfalls auch ohne Bäder – oder lokale Desinfektion sind mögliche Alternativen. Wichtiger Teil der Therapie bei Hunden mit allergisch bedingten schweren Ohrenentzündungen ist, die Ohren auch in der symptomfreien Zeit einmal wöchentlich mit einem Ohrreiniger und anschließend mit cortisonhaltigen Ohrentropfen zu behandeln. Wiederholte Otitis-Behandlungen vergrämen auch den bravsten Hund – die meisten Allergieschübe beginnen aufgrund der idealen Umgebungsbedingungen der Ohren, warm und feucht, genau dort.

Zu guter Letzt: Essentielle Fettsäuren, als Vet-Präparat oder auch mal als Rapsöl aus der Küche, und monatlich Flohprophylaxe, auch ohne Flohallergie, sowie regelmäßige Entwurmung sind Musts in der Allergiebehandlung. Aus all diesen Möglichkeiten sucht man für jedes Tier die individuelle Therapie; das dauert, ist gegebenenfalls mit Rückschlägen verbunden, aber absolut lohnend für Mensch und Tier. Genauso wichtig wie Therapie und Diagnostik ist bei der Allergie allerdings die Kommunikation mit den Tierbesitzer*innen.

Wie kann man die Umgebung des Hundes beeinflussen?
Bei einer Allergie gegen Hausstaubmilben macht es Sinn, Textilien aus der Umgebung des Hundes zu entfernen, einen Staubsauger mit Allergiefilter zu verwenden und eine Anti-Milben-Matratze für den Hund zu besorgen. Zum Schutz vor Futtermittelmilben sollten kleine Ver­packungseinheiten verwendet werden, das Futter sollte außerdem kühl und trocken in verschlossenen Behältnissen gelagert werden. Man kann das Futter auch portionsweise einfrieren – oder auf Feuchtfutter umsteigen.

Das klingt nach einem Mammutprogramm! Wie nehmen das die Tierhalter auf?
Richtige Kommunikation, von Anfang an, ist entscheidend, sodass die Tierhalter die Notwendigkeit der Maßnahmen erkennen und mit uns an einem Strang ziehen. Allergie ist ein umfassendes Thema, wie man sieht – uns ist zunächst die Information wichtig. Wir handeln unsere Hautpatienten außerhalb der Ordinationszeiten ab, um genügend Zeit zu haben, und dann rede ich erst mal viel. Die Besitzer*innen bekommen Broschüren mit, werden auf unsere Webseite hingewiesen, ausnahmsweise aufgefordert, zu googeln, und bekommen ein paar Tage Zeit, um all die Infos zu verarbeiten. Viele sind gestresst, hören dadurch schlecht zu – ich kenne das von meinen eigenen Arztbesuchen. Nach ein paar Tagen gibt’s ein Update; Fragen sind aufgetaucht, es gibt erste Laborergebnisse und damit Schritte Richtung Therapie.

Wir versuchen, so klar wie möglich zu sein – keine Heilung, lebenslange Therapie, gute Lebensqualität bei gutem Management, finanzielle Aspekte. Ich persönlich bin mittlerweile relativ streng, nach dem Motto: Machen Sie alles so, wie ich es sage, dann wird das gut klappen. Die Verantwortung für das Funktionieren der Therapie liegt, nach entsprechender Abhandlung unsererseits, letztendlich bei Frauchen und Herrchen. Die Besitzer*innen bekommen einen individuellen Therapieplan ausgedruckt und werden am Anfang gebeten, sich regelmäßig und in kurzen Abständen bei uns zu melden.

Sie sind ja auch im Neunerhaus ehrenamtlich als Tierärztin aktiv. Wie funktionieren Diagnostik und Therapie gegen allergischen Juckreiz dort?
Da wir im Neunerhaus keine Allergietests durchführen, kommt hier die anfangs erwähnte klinische Diagnose voll zum Tragen – das geht auch. Prinzipiell werden alle Patienten im Sinne von One Health regelmäßig entfloht und entwurmt. Juckreizpatienten mit schweren Symptomen werden mit Cortison erst mal von ihrer Qual befreit, Antibiotika stehen uns ebenfalls zur Verfügung. Spenden von Allergiefutter machen es möglich, eventuelle Futtermittelallergien abzudecken. Rapsöl ist eine gute Quelle für essentielle Fettsäuren – und kostengünstig. Shampoos sind aufgrund der Wohnverhältnisse schwierig, aber unsere Patientenbesitzer*innen sind für ihre Tiere wirklich zu fast allem bereit. Da viele nicht Deutsch sprechen, ist es häufig schwierig zu vermitteln, dass eine lebenslange Therapie ansteht, aber meistens schaffen wir das schon. Und manchmal geht’s eben nicht, das ist in unserer Praxis auch nicht anders.

Ist allergischer Juckreiz heilbar oder kann man letzten Endes nur versuchen, die Erkrankung in Schach zu halten
Allergischer Juckreiz ist nicht heilbar. Allergien sind eine lebenslange Erkrankung – aber mit dem richtigen Management kann ein Hund gut damit leben.

Worauf sollten Tierhalter besonders achten?
Damit es dem Tier dauerhaft gut geht, ist es wichtig, die erarbeiteten Maßnahmen konsequent einzuhalten. Schwierig ist häufig die Ernährung bei der Futtermittelallergie, weil zum Beispiel die Kinder, die Nachbarn et cetera mitfüttern – und der Juckreiz ist dann natürlich erst wieder da. In diesem Fall bekommen einfach alle Personen rund um den Hund eine Portion Leckerlis, die das Tier verträgt, und können munter weiterfüttern – das erspart viel Stress und viele Streitereien!


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