Klein, lästig und gefährlich

Parasiten bedrohen unsere Haus- und Nutztiere

Bettina Kristof

 

Keiner will sie, doch manche haben sie: Parasiten. Die lästigen Krankheitserreger machen unseren Haus- und Nutztieren oftmals das Leben schwer. Manche von ihnen sind nicht nur unangenehm, sondern äußerst gefährlich.

Durch die Klimaerwärmung und die vermehrte Reise­tätigkeit kommen vermehrt Parasiten zu uns, die bisher nicht in Österreich heimisch waren. Welche das sind, woher sie kommen und was uns und unsere Tiere dadurch erwartet, verriet uns Privatdozent Dr. Georg Duscher von der AGES in einem Interview.

Herr Doktor Duscher, wir kennen uns ja noch aus der Zeit, als Sie an der Vetmeduni am Institut für Parasitologie tätig waren. Seit wann sind Sie bei der AGES und in welcher Funktion genau?
Ich bin seit 2019 bei der AGES als Fachexperte für ­Parasitologie und Zoonosen tätig. In meiner jetzigen Funktion bin ich mit der Einreichung von Projekten, mit der Unterstützung der Forschenden und mit der fachlichen Beratung in meinem Bereich beschäftigt.

Sie sind den Parasiten also treu geblieben. In ­unserem heutigen Interview soll es vor allem um Parasiten ge­hen, die neu nach Österreich eingeschleppt wurden. Um welche handelt es sich dabei und auf welchem Weg kommen sie zu uns?
Die Frage ist einfach, aber das Problem ist vielschichtig. Wir beobachten, dass sich eine Reihe neuer Parasiten zu uns nach Österreich auf den Weg macht. Zecken und Stechmücken haben dabei die Nase vorn und können sich bei uns besonders gut etablieren. In meinen Bereich fällt die tropische Riesenzecke Hyalomma spp., die im Frühjahr mit den Zugvögeln sozusagen einreist. Sie fällt von den Zugvögeln herunter, überlebt aufgrund der Wärme und Trockenheit in unseren Breiten. Die eingeschleppten Hyalomma spp. sind als Nymphen kälteempfindlich – ist der Herbst lange genug warm und trocken, können sich die Zecken zu Adulten weiterentwickeln und sind dann auch unempfindlicher gegenüber Minusgraden. Sie machen sich auf Wirtssuche oder könnten bei uns überwintern.

Welche Wirte wählt Hyalomma aus?
Sie überwintert im Freien und bevorzugt Großtiere wie Pferde und Rinder. Bei diesen, vor allem bei Pferden, kann ein Befall mit Hyalomma spp. problematisch sein, weil ­diese Parasiten bei Pferden Babesiose auslösen können. Die tropische Riesenzecke stellt vor allem im human­medizinischen Bereich eine Bedrohung dar, weil sie Hauptvektor für das Krim-Kongo-Fieber ist. Diese Viruserkrankung hat eine Letalität zwischen fünf und 30 Prozent, die Betroffenen bluten aus allen Körperöffnungen – das ist also eine äußerst unangenehme und gefährliche Erkrankung.

Gibt es noch andere Parasiten, die neu in Österreich auftreten?
Ein weiterer Parasit, den wir jetzt vermehrt beobachten, ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die vermutlich über einen ungewöhnlichen Weg zu uns gekommen ist: Wir nehmen an, dass sich die Larven in den Wasseransammlungen von Autoreifen aufhalten und durch den Reifenhandel in unsere Breiten gekommen ist. Tigermücken sind auch Vektoren von Herzwürmern – Dirofilarien – und verschiedenen anderen Parasiten, Bakterien und Viren, haben also gefährliches Potenzial.

Gibt es neue Erkenntnisse hinsichtlich der Übertragung von Infektionskrankheiten durch Parasiten?
Zurzeit wird gerade erforscht, ob Erreger, die neu zu uns kommen, auf heimische Vektoren treffen können, die dann Infektionserkrankungen übertragen können. Thelazia callipaeda („orientalischer Augenwurm“, Anm.) wird durch gewisse Fruchtfliegen übertragen; Leishmanien etwa brauchen die Sandmücke, Phlebotominae, als Vektor. Bei beiden sind potenzielle Vektorspezies bei uns vorhanden.

Dann haben wir weitere Situationen, bei denen die Forschung noch nicht genau weiß, wer die Vektoren sind.

Es wird angenommen, dass es blutsaugende Insekten sind, also Mücken oder stechende Fliegen respektive Bremsen, wie es etwa bei der Besnoitiose der Fall ist. Das ist ein Erreger, der bei uns noch nicht nachgewiesen worden ist, aber man nimmt an, dass er auch von stechenden Fliegen oder Bremsen auf Rinder übertragen wird. Es ist zwar eine mechanische Übertragung bestätigt worden, aber die genauen Zusammenhänge sind noch sehr vage.

Die Frage ist, ob unsere stechenden Insekten den Erreger auch übertragen würden oder ob sich der Erreger in den Vektoren sogar vermehren könnte. Zu diesem Thema wird jedenfalls noch geforscht.

Die AGES hat diagnostische Labore und ist für einige virale und bakterielle Erkrankungen das Referenzlabor – West-Nil-Virus, Lumpy Skin Disease, Bluetongue et ­cetera. Der Tierarzt oder die Tierärztin kann sich mit einem Verdacht an die AGES wenden; je nach Vermutung sollte man dann gleich klären, welche Proben benötigt werden, ob das eine Blutprobe oder eine Hautstanze oder etwas anderes ist.

Wie gefährlich sind denn die neuen Erreger für unsere Haus- und Nutztiere?
Das ist ganz unterschiedlich. Manche sind dramatisch, die haben auch seitens der EU große Aufmerksamkeit bekommen. Da gibt es eine neue Einstufung im sogenannten AHL, Animal Health Law, darin ist festgelegt, welche Erreger gemeldet und welche radikal bekämpft werden müssen, da sie sehr bedrohlich für die Tiere sind. Es würde den Rahmen sprengen, jetzt alle aufzuzählen; bei manchen wird die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags nach Österreich diskutiert, wie etwa Trypanosoma evansi, Erreger der Surra, aber man kennt nicht immer die Wege, über die die Erreger zu uns kommen. Die Parasiten können durch Importe, Exporte, Tiertransporte, Reisetätigkeit oder den Ankauf von Tieren eingeschleppt werden. Es können unterschiedliche Parasiten zu uns kommen, aber wir wollen auch keine Panikmache verursachen, indem wir über Eventualitäten sprechen, die vielleicht gar nicht eintreffen. Wir bei der AGES halten die Augen offen, wir sind national und international vernetzt und beobachten, welche Krankheitserreger in den Nachbarländern vorkommen, und kommunizieren rechtzeitig.

Das heißt, die Tierärzt*innen werden informiert, wenn Gefahr droht, auf welche Symptome sie dann achten sollen, was sie den Tierhalter*innen empfehlen sollen und an wen sie sich mit Proben wenden können …
Genau. Es ist eine detektivische Kleinarbeit. Wenn bei einem Tier verdächtige Symptome auftauchen, dann sollte der Tierarzt oder die Tierärztin überprüfen, ob es bei dem entsprechenden Tier eine Reiseanamnese gibt oder einen Ankauf aus dem Ausland, insbesondere aus dem medi­terranen Raum. Manchmal ist die Symptomatik charakteristisch, etwa mit einer Hautveränderung; dann kann man das Symptom schon zuordnen, aber das ist leider nicht immer der Fall. Des Öfteren hat man eher mit allgemeinen Erscheinungen zu tun, da ist die Diagnostik schon schwieriger, und es ist angeraten, spezialisierte diagnostische Labore zu kontaktieren, um anhand von Proben den Verdacht auszuschließen oder zu bestätigen.

Woher kommen denn die meisten Parasiten?
Häufig kommen sie aus dem mediterranen Raum. Das Problem der Einreise ist meistens durch Menschen verursacht, denn die Parasiten werden oftmals durch Reisetätigkeit oder Ankäufe eingeschleppt. Wie schon vorher erwähnt können die Parasiten auch durch Zugvögel zu uns kommen und durch das mittlerweile wärmere Klima bei uns überleben. Besonders hartnäckig in der Verbreitung ist die Braune Hundezecke aus dem mediterranen Raum. Sie schafft es, sich nach dem Einschleppen mit Hundeimporten oder durch eine Urlaubsreise mit einem Hund in den menschlichen Wohnräumen niederzulassen, und kann sich dann explosionsartig vermehren. Sie hält sich hinter Sesselleisten, hinter Vorhängen, in Bücherregalen oder auch hinter Bildern auf.

Besonders anfällig für die Ausbreitung sind Räume, in denen sich viele Tiere länger aufhalten, also Tierheime, Hundepensionen, aber auch Tierarztpraxen. Wenn sich die Braune Hundezecke einmal ausgebreitet hat, dann muss man mit dem Schädlingsbekämpfer arbeiten, um sie dauerhaft loszuwerden.

Wie können wir unsere Haus- und Nutztiere vor den neuen Krankheitserregern schützen?
Bei den neu eingewanderten Zecken hilft dieselbe Behandlung wie bei herkömmlichen Zecken, also das Absuchen der Tiere und die Verwendung von Repellents. Schwieriger wird es, stechende Mücken, die Krankheiten übertragen können, von Großtieren wie Rindern oder Pferden abzuhalten. Die Stechmücken sind besonders in der Dämmerung aktiv, in dieser Zeit sollte man Tiere nicht im Freien halten, wenn die Blutsauger gehäuft auftreten. Die Sandmücken, die Leishmaniose übertragen können, fallen ebenfalls darunter. Manche neu ankommenden Stech-mücken sind aber auch tagsüber auf Wirtssuche.

Man sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass auch Tiere vor Stechmücken geschützt werden müssen. Sind sie doch draußen, können Repellents oder Moskitonetze oder Fliegendecken helfen. Es gibt schon Versuche bei Pferde- oder Rinderbetrieben, die imprägnierte Netze auf Weiden aufspannen, um die Tiere vor Insekten zu schützen. Der Schutz der Haus- und Nutztiere vor stechenden Parasiten ist künftig sicher noch eine Herausforderung.

Ein weiterer Aspekt neben den Neuankömmlingen ist, dass sich bisher Bekanntes ändert. Ein Beispiel dafür ist die Tularämie, die auch nachgewiesenermaßen durch Zeckenstiche auf den Menschen übertragen werden kann.

Neben all den bereits beschriebenen Wegen, wie Parasiten zu uns kommen, können sie auch durch Einwanderung von Tieren eingeschleppt werden. Waschbären, die als Neobiota zu uns kommen, können beispielsweise den Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis) in sich tragen, der für den Menschen gefährlich sein kann. In Vorarlberg haben wir diesen Krankheitserreger in einem Waschbären bereits nachgewiesen.

Wie findet die Übertragung des Waschbärspulwurms auf den Menschen statt?
Die Waschbären haben Latrinen, in die sie ihren Kot absetzen; Nager können diese Latrinen aufwühlen, wodurch die infektiösen Erreger an die Oberfläche kommen. Wenn zum Beispiel Kinder dann in diesem Bereich spielen, können sie die Erreger oral aufnehmen. Das ist eine dramatische Erkrankung, die nach den Beschreibungen in der Literatur fast immer tödlich endet, wenn das Nervensystem betroffen ist. Bei Überlebenden sind schwere neurologische Schäden die Folge.

Ist auch der Fuchsbandwurm gefährlich für unsere Tiere?
Den Fuchsbandwurm gibt es bei uns schon länger. Was wir jetzt aber vermehrt beobachten, ist, dass mittlerweile Hunde, die vom Fuchsbandwurm befallen sind, nicht nur Endwirte, sondern auch Zwischenwirte sein können. Das kann bei Hunden, auch schon bei relativ jungen, zu einer Veränderung der Leber führen, was tödlich enden kann.

Haben Sie einen Tipp, worauf Tierärztinnen und Tierärzte in der Praxis besonders achten sollten?
Bei ungewöhnlichen Symptomen, die nicht zuordenbar sind, sollte der Tierarzt beziehungsweise die Tierärztin abklären, ob das Tier im Ausland war. In diesem Fall ist es anzuraten, ein diagnostisches Labor zu kontaktieren und weitere Schritte mit diesem abzuklären.


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