Auf nach Afrika!

Urlaub ist nicht nur schön, er ist notwendig

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

Ein bisschen Erholung und Entspannung, mal abschalten und nicht an die Arbeit denken? Wenn die Tage länger werden, scheint das Meer nicht mehr gar so weit weg zu sein; da schweifen die Gedanken schon mal in die Ferne. Doch eine Auszeit ist für Tierärzt*innen schwer zu ergattern. „Mehr als eine Woche Urlaub ist einfach nicht drin“, erklärt eine Kollegin gelassen – „das bin ich gewöhnt, seit ich mich selbstständig gemacht habe!“ Auch in größeren Teams wird bei der Dienstplanung oft intensiv diskutiert – vor allem im Sommer, wenn sich Urlaubswünsche überschneiden und es bei vielen um die Kinderbetreuungsmöglichkeiten geht.

Gut organisiert = besser erholt

Vor einem längeren Urlaub muss dann auch noch vieles organisiert werden: Gibt es eine Vertretung? Sind die Dienstpläne festgelegt? Wer kümmert sich um andere Aufgaben wie zum Beispiel die Medikamentenbestellungen oder die zu bezahlenden Abgaben und Rechnungen? Wenn die Ordination für diesen Zeitraum geschlossen wird: Wie werden die Patientenbesitzer*innen darüber informiert? Werden andere Tierärzt*innen bzw. Kliniken im Umkreis empfohlen, an die sie sich wenden können? So fiebern wir dem Urlaub entgegen und zittern gleichzeitig, ob alles klappt.

Zusperren oder Vertretung suchen?

Urlaub, das heißt für selbstständige Tierärzt*innen auch: kein Einkommen. „Es ist schwer, eine Vertretung für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum wie einen mehrwöchigen Urlaub zu finden. Die meisten Kolleg*innen suchen nach einer längerfristigen Beschäftigung“, meint die selbstständige Kollegin. Auch einen ausreichenden Einarbeitungszeitraum gibt es meist nicht: „Für eine so kurze Zeit jemanden in ein bestehendes System einzuarbeiten zahlt sich kaum aus.“ Außerdem wünscht sich die Vertretung natürlich ein faires Honorar.

Konkurrenz oder Chance?

Und die Kolleg*innen im Umkreis? Eine gegenseitige Vertretung wäre eine einfache Lösung, scheitert aber oft an der Kommunikation. Viele machen sich Sorgen, dass sie so ihre Kund*innen verlieren könnten.

„Das sehe ich anders. Die Kund*innen, die sich bei uns wohlfühlen, kommen auch nach dem Urlaub wieder – wenn wir sie auf eine Ansprechperson während unseres Urlaubs aufmerksam machen, ist das ein zusätzliches Service, das die meisten gerne annehmen“, sagt die Kollegin. „Super wäre es, wenn es eine Art Urlaubsplattform geben würde, auf der wir uns vernetzen könnten!“

„In dringenden Fällen …“

Doch selbst wenn ein Urlaub möglich ist und tatsächlich stattfindet, ist die Erholung nicht garantiert – deren größter Feind sind wir selbst und unser Gefühl, stets erreichbar sein zu müssen. „In dringenden Fällen“ heißt leider nur allzu oft: „Wo ist noch mal das Medikament und das Futter für das Tier von Frau XY?“ oder „Das Blutanalysegerät muss gespült werden, wie geht das?“ Oder, noch stressfördernder: „Herr Z hat sich furchtbar beschwert, was sollen wir tun?“

Tun Sie es für Ihre Patienten!

Wer auch im Urlaub die wichtigen Anrufe aus der Ordination unbedingt beantworten muss, täglich die beruflichen Mails checkt und das Bankkonto überprüft, sollte am besten weit weg fahren – an einen Ort, wo es keinen Handyempfang gibt. Almhütten bieten sich hier ebenso an wie die afrikanische Steppe oder die kanadischen Wälder. Denn Auszeiten sind wichtig – für Körper, Geist und Seele. Wer sich besser fühlt und gut erholt aus dem Urlaub zurückkommt, kann sich entsprechend geduldiger, fokussierter und liebevoller um die Patienten kümmern.

Einfach mal weg sein

Und wenn nicht alles so läuft wie geplant und der lange Flug nach Kanada zu teuer, zu anstrengend und ökologisch sowieso nicht vertretbar ist? Machen Sie es wie ein befreundetes Paar: Dieses hatte eine große Afrika-Reise geplant. Familie und Freunde waren informiert, in der Arbeit war alles organisiert – dann ist die Reise ins Wasser gefallen. Das haben sie aber niemandem erzählt. So hatten sie zu Hause die gleiche Ruhe wie im Urlaub – und haben ihre heimliche Auszeit in vollen Zügen genossen.

In diesem Sinne: Auf nach Afrika!


Weitere Artikel zum Thema:

vetmental
Rückendeckung
Die Stärke des Teams
Vetmental
Unverbesserlich?
Umgang mit Fehlern
Vetmental
Den Überblick bewahren
Supervision und Intervision