Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin
Ausgabe 04/2023
„Am wichtigsten für das Gelingen deines Projekts sind“, erklärte mir mein Dissertationsbetreuer im Zoo in Estland, „die Tierpfleger*innen.“ Denn für sie bedeutete mein Projekt nur eines: mehr Arbeit. Und davon, ob sie diese trotzdem genau und gründlich erledigten, hingen die Forschungsergebnisse ab, die ich für die Dissertation verwenden wollte. An den obigen klugen Satz denke ich heute noch oft – wenn etwa der Autoklav kaputt ist, weil jemand das Rädchen in die falsche Richtung gedreht hat, oder das Röntgengerät vermeintlich spinnt („Habt ihr es schon mit Abdrehen und Wiederaufdrehen versucht? Nein?“); wenn der Rasierapparat nach langem Suchen in der Jackentasche und die Nierenschale in der Mikrowelle gefunden wird (warum?), wenn drei Patienten gleichzeitig zum Termin erscheinen, weil besagte Termine zwar vergeben, aber nicht aufgeschrieben wurden – dann atme ich tief durch und denke an den Zoo.
Denn auch an solchen Tagen weiß ich: Ohne das Team, ohne die Geduld, Motivation, Ausdauer und Einsatzbereitschaft meiner Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen, geht gar nichts. Sie springen ein, wenn jemand krank wird oder kurzfristig ausfällt, ermöglichen einen Urlaub oder einen Arzttermin, erfinden Deko-Ideen fürs Wartezimmer; sie sprechen beruhigende Worte, wenn die OP schwierig ist, und behalten dabei das Pulsoxymeter im Auge. Es ist die Stimmung im Team, die aus einem unschaffbaren Tag einen einfach nur anstrengenden Tag macht.
Ein gutes Team puffert vieles ab, was man alleine gar nicht bewältigen würde. Für die Kund*innen ist es wichtig, dass sich jemand zum Beispiel telefonisch Zeit für die lange Suche nach einem Termin nimmt und dann immer noch nett ist. Und gerade, wenn die Tierärzt*innen wechselnde Dienstpläne haben, schätzen die Patientenbesitzer*innen es, das vertraute Gesicht einer Assistentin zu sehen.
Damit das funktioniert, braucht es Rückendeckung und Zusammenhalt. Wenn sich zum Beispiel ein/e Kund*in beschwert oder ein Fehler passiert, muss klar sein, dass Mitarbeiter*innen in dieser Situation und in der Kommunikation mit den Patientenbesitzer*innen unterstützt und aufgefangen werden. Schlechte Onlinebewertungen sind zum Beispiel immer ein Stimmungsbild und sollten keinesfalls auf das Team zurückfallen.
Natürlich kommt es in jedem Team irgendwann einmal zu Intrigen oder Loyalitätskonflikten. Diese sind Chef*innensache, weil sie sich direkt auf die Stimmung im Team und damit auf die Qualität unserer Zusammenarbeit auswirken. Ignorieren hilft dabei nicht – Konflikte müssen auf den Tisch, so unangenehm das auch ist und so viel Energie es uns kostet, uns „damit auch noch“ auseinanderzusetzen. Unser Team sollte uns das wert sein.
Die tägliche Entscheidung unserer Mitarbeiter*innen, diesen Job mitzumachen – trotz aller Anstrengungen und Schwierigkeiten – ist zu würdigen. Denn was täten wir ohne unsere lieben Kolleg*innen?