Pilotprojekt

zur Einrichtung einer lokalen Antibiotika-Arbeitsgruppe (LAAG)

Dr. Karl Bauer, TGD Steiermark,
DI Hermann Katz, Joanneum Research
und Dr. Josef Elmer †, Tierarztpraxis Almenland

In der steirischen Region Almenland konnten mittels Pilotprojekt interdisziplinäre Zusammenhänge und Risiken sichtbar gemacht werden.

Der Einsatz von Antibiotika (AB) wird mengenmäßig, qualitativ und fachlich immer mehr hinterfragt, da die Gefahr von Rückständen und Resistenzen (ABR) bei Mensch, Tier und Umwelt besteht. Deshalb gibt es auf allen Ebenen (WHO – FAO – EU – Bund – Land) Bestrebungen, diese Risiken zu minimieren. Derzeit gibt es zu den jährlichen AURES-Berichten, veterinärmedizinischen Mengenstrommeldungen und „Soft Law“-Ansätzen auf lokaler Ebene noch keine fachlich greifbaren Umsetzungen eines ganzheitlichen „One-Health“-Ansatzes unter Einbindung aller Stakeholder. Dahin gehende Risiken sind nur durch interdisziplinäre Kooperationen zwischen Tierärzt*innen, Humanmediziner*innen, Pharmazeut*innen, Landwirt*innen und der Verwaltung lösbar.

Unser Ausgangspunkt war der Bauernhof, wo bei Erkrankungen der Tiere entsprechend Tierärzt*innen beigezogen werden; wenn die dort ansässigen Menschen erkranken, wird der Hausarzt oder die Hausärztin konsultiert und unter Einbeziehung der örtlichen Apotheke wird dann die Therapie durchgeführt. Die Hausärzt*innen und Tierärzt*innen stehen aber derzeit in keiner systemischen Verbindung und kommunizieren nicht die erhobenen Befunde bei Mensch und Tier, wenn es um das eventuelle Auftreten von Infektionen oder resistenten Keimen am Bauernhof bzw. den Einsatz von AB geht.

Dies gilt auch für Kleintierbesitzer*innen (Kinder!), die in engem Kontakt mit Haustieren den Risiken von Keim- oder Resistenzübertragungen genauso ausgesetzt sind. Der volksgesundheitliche Nutzen und Wissenstransfer wäre erheblich und die wissenschaftliche Expertise ist via Joanneum Research respektive die inhaltlichen Ziel­setzungen gegeben.

Die steirische Region Almenland bot sich als Modellregion für dieses LEADER-Projekt an, da sich die Gesundheitsstruktur (Ärzt*innen, Tierärzt*innen und Apotheker*innen) in Verbindung mit den Leitbildern der Gemeinden und der Struktur der Tierhaltungen (Rinder- und Schafbäuer*innen, Kleintierbesitzer*innen) überschaubar darstellt und sowohl die handelnden Personen als auch die Bewohner*innen davon direkt betroffen sind.

Ziel war es, eine Bottom-up-Verknüpfung von veterinärmedizinischen und humanmedizinischen  Daten bzw. den Datenfluss lt. Fallbeschreibungen über eine externe Schnittstelle herzustellen zur

• Sichtbarmachung von interdisziplinären Zusammenhängen und Risiken

• Erkennung von Infektionen mit Verdacht auf ABR

• Unterstützung antimikrobieller Diagnostik

• Empfehlung von Präventivmaßnahmen

• Etablierung einer interdisziplinären Kommunikationsstruktur durch

– Bewusstseinsbildung für Gesundheit, Hygiene und Biosicherheit,

– Sensibilisierung für Tiere, tierische Lebensmittel und Zoonosen

– sorgfältigen Umgang mit Antibiotika,

– Erarbeitung von Kennzahlen und Benchmarks

– Erfahrungsaustausch bzw. Roll-out in anderen Regionen.

Unser Ansatz war dabei, eine praktikable Falldefinition für Tier und Mensch zu erarbeiten durch die Suche nach

• vermehrtem/spezifischem Auftreten von bakteriellen Infektionen

• häufigen Behandlungen mit Antibiotika

• Wechsel des Antibiotikums

• Verdacht auf eine Antibiotikaresistenz

• Krankhaften Auswirkungen auf den Menschen (Zoonose)

Die Verknüpfung der Datenbestände erfolgte über die Adressen, zur anonymisierten Verarbeitung und Auswertung gemäß DSchGVO wurde Joanneum Research als Dienstleister beauftragt. Die Ärzt*innen, Tierärzt*innen, Apotheker*innen und Tierbesitzer*innen wurden im Verdachtsfall über Datenschutzerklärungen und Fragebögen eingebunden.

Die Fallanalyse erfolgte nach der Identifikation von veterinär-/humanmed. Verdachtsfällen nach der Falldefinition durch

• Einholung einer Einverständniserklärung für den Datenzugriff

• Erhebung und Verknüpfung von vetmed.- und humanmed. Daten (Befunde, Diagnosen, Labor-, AB-Daten)

• Befragung der zugehörigen Personen/Familien

• Ausarbeitung von Handlungsoptionen mit Prüfung der Relevanz für die Betroffenen

Aufgrund der dynamischen Entwicklung und des Umfangs des Projekts wurde vereinbart, sich im Pilotprojekt vorerst auf Staph. aureus im Euter zu konzentrieren, da diese in der Rinderpraxis zu einem signifikant erhöhten AB-Einsatz führen. Folgende Ergebniszahlen konnten erreicht werden, in die auch retrospektive Daten aus den 49 eingebundenen Betrieben einflossen:

Veterinärmedizinische Datenbasis:

• Daten von 2015–2019:   379 Datensätze

• Daten von 2019–2020:   85 Datensätze

• Daten von 2020–2021:   59 Datensätze

insgesamt 521 Datensätze

Humanmedizinische Datenbasis:

verifizierte Infektionen mit Staph. aureus

• Daten im ZR Feb. 2016–Feb. 2021:   25 Datensätze

Sämtliche Fälle wurden im Cross-Check-Verfahren mit den eingesetzten Antibiotika, deren Resistenzstatus und eventuellen klinischen Befunden abgeglichen.

 

Interpretation der Ergebnisse:

• Bei den Betrieben 1, 24, 27, 33 ist durch die zeitliche Nähe von veterinär- und humanmed. Befunden ein kausaler Zusammenhang möglich.

• Bei den restlichen Betrieben scheinen die veterinärmed. Auffälligkeiten keinen direkten Zusammenhang zu den hier vorliegenden humanmed. Fällen zu haben.

• Die humanmed. Fallzahlen sind zu gering, um gesicherte Aussagen treffen zu können; zwei Bestände konnten dazu identifiziert werden.

• Eine Weitertypisierung der Staph. aureus-Keime ist nicht erfolgt (z. B. MRSA …)

Zusammenfassung:

Von den festgelegten Zielen konnte in diesem Pilotprojekt die Sichtbarmachung von interdisziplinären Zusammenhängen und Risiken sowie die Erkennung von Infektionen mit Verdacht auf ABR anhand von definierten Fällen praktisch umgesetzt werden. Dabei war es wichtig, unter Einhaltung des Datenschutzes einen gangbaren Weg zur Darstellung und praktischen Verlaufsbearbeitung unter Einbeziehung retrospektiver und aktueller Daten zu finden. Die lokale Zusammenführung von vetmed. und humanmed. Gesundheitsdaten eröffnet neue Chancen, den AB-Verbrauch im Sinne einer One-Health-Strategie auf beiden Seiten zu senken und bei der betroffenen Bevölkerung eine Sensibilität für den sorgsamen Umgang mit AB sowie eine Verbesserung der Hygienemaßnahmen zu erreichen.

Mit Unterstützung von Bund, Ländern und der Europäischen Union

 


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