Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 05/2022
Als Reaktion auf das große Risiko durch resistente Keime aufgrund hohen Antibiotikaeinsatzes legte die EU-Kommission kürzlich fest, dass die nationalen Strategiepläne der Gemeinsamen Agrarpolitik Maßnahmen zur Verringerung der Anwendung von Antibiotika beinhalten sollen. Außerdem wurden mit der Tierarzneimittelverordnung, die mit 28. Jänner 2022 in Kraft getreten ist, neue Beschränkungen für den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft und ein Verbot des Antibiotikaeinsatzes als Ausgleich für mangelnde Hygiene, unzulängliche Haltungsbedingungen und Pflege oder unzureichende Betriebsführung eingeführt. Wir sprachen mit Tierarzt Mag. med. vet. Fritz Kemetmüller,* Gemischtpraktiker aus Oberösterreich, über den Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren.
Herr Doktor Kemetmüller, wie steht Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern da, wenn es um den Antibiotikaeinsatz im Stall geht?
Die Gesamtvertriebsmenge an antimikrobiell wirksamen Substanzen für Nutztiere ist in Österreich seit Jahren rückläufig, wobei es da und dort aber auch zu einem kurzfristigen Anstieg kommen kann. Im europaweiten Vergleich befindet sich Österreich auf einem niedrigen Niveau, im Hinblick auf die Antibiotika-Abgabemenge sind wir im hinteren Drittel. Hier schneiden wir gut ab, und dies ist mitunter auch auf ein stringentes AB-Monitoring seitens der Tierärzteschaft zurückzuführen.
Tierärzt*innen arbeiten eng mit der Landwirtschaft zusammen, die unter einem hohen Wettbewerbs- und Kostendruck steht. Ein leichtfertiger Medikamenteneinsatz ist hier für niemanden eine Option, weder für den Tierarzt oder die Tierärztin, das einzelne Tier noch für den Landwirt, für den die Medikamente auch die Produktionskosten erhöhen. So ist es in unser aller Interesse, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren. Unser Ziel ist es, mit Schutzimpfungen im Ferkelalter in Mastbetrieben keine Antibiotika einzusetzen; dennoch sind sie zur Gesunderhaltung schon aus Tierschutzgründen unverzichtbar, denn es existieren im Notfall derzeit keine ausreichenden Alternativen.
Wann ist ein Antibiotikaeinsatz gerechtfertigt?
Der Einsatz von Antibiotika kommt nur zum Tragen, wenn er tatsächlich erforderlich ist. Die Auswahl des Wirkstoffs wird dabei sorgfältig unter Berücksichtigung des Einzelfalls getroffen. Wichtig zu betonen ist, dass Antibiotika sicherlich kein Ersatz für optimale Haltungsbedingungen sind. Die Tiergesundheit steht in direkter Relation zur Tierhygiene und -haltung. Die Besatzdichte und die Stallqualität, etwa eine gute Belüftung, Beleuchtung und entsprechende bauliche Rahmenbedingungen, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere. Ein gutes Management und entsprechende Hygienestandards können viele Krankheiten verhindern.
Machen Biobetriebe alles richtig?
Die besten Bedingungen haben Nutztiere, wenn sie riesige Flächen mit wenig Tierbesatz zur Verfügung haben. Österreichs Biobetriebe sind gut unterwegs, sie zeigen vor, wie man mit optimierten Haltungsbedingungen den Antibiotikaeinsatz reduzieren kann. Wir haben in Österreich ein hohes Bewusstsein. Die größten Umsatzträger im Biomarkt bleiben Milch, Joghurt und Eier. Der höchste wertmäßige Bioanteil im Lebensmitteleinzelhandel entfiel 2020 auf Trinkmilch mit rund 26 Prozent, gefolgt von Naturjoghurt und Eiern mit 25 respektive 22 Prozent. Bei Fleisch und Wurst liegen die Bioanteile hingegen mit 5,5 respektive 3,3 Prozent niedriger. Man sieht also, dass Bio-Fleischprodukte mit hoher Qualität meist aus Kostengründen an ihre Grenzen stoßen. Ich gehe aber dennoch davon aus, dass sich der Trend in Zukunft Richtung „Weniger ist mehr“ bewegen wird und dass Konsument*innen mehr Bioqualität sowie Verantwortung für das Wohl-ergehen der Tiere einfordern und bezahlen werden.
* Das Interview wurde auch in der Fleischerzeitung „Fleisch & Co“, Ausgabe 03/2022, veröffentlicht.