Mag. Silvia Stefan-Gromen
Ausgabe 05/2022
Wenn Milchkühe primär aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden, dann ist die Problematik meist vielschichtig. Man sollte sich mit dem Thema daher nicht nur unter ökonomischen Aspekten, sondern auch aus Gründen des Tierschutzes, des Tierwohls und des verantwortlichen Umgangs mit unseren Nutztieren auseinandersetzen.
Die deutsche Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA) beschäftigt sich seit Jahren u. a. mit der Gesundheitssituation hochleistender Milchkühe und weist darauf hin, dass es falsch sei, zu behaupten, dass hochleistende Milchviehherden grundsätzlich mehr gesundheitliche Probleme haben – denn es gebe genügend Beispiele gesunder hochleistender Herden.
Dennoch seien aber genetisch hochleistende Kühe bedeutend schwerer zu betreuen und bedürfen eines ausgefeilten Managements. Ein Herdenmanager müsse im Stall arbeiten und seine Kühe entsprechend beobachten.
Tierärztinnen und Tierärzte kämen oft in die Lage, „reparieren“ zu müssen, wenn Kühe klinisch erkranken, bzw. müssen sie prophylaktische Tiergesundheitsmaßnahmen ergreifen, um dem Tierschutz und dem Tierwohl (und natürlich letztendlich auch der Ökonomie des Landwirts) zu „dienen“.
Die AVA hat Anfang 2022 das Handbuch „Das Dilemma der Milchkuh – wenn die Leistung zur Last wird!“ von Prof. Dr. Holger Martens herausgebracht, der auf gesundheitliche Störungen verweist, die doch leider vermehrt auf Milchviehbetrieben zu finden seien.
Anlässlich der Veröffentlichung hat nun im März 2022 eine verbändeübergreifende Ad-hoc-Arbeitsgruppe namens „Tierschutz in der Nutztierzucht“ der Bundestierärztekammer in Berlin das Positionspapier „Leistungen der Milchkuh und deren Gesundheitsrisiken“ veröffentlicht. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe setzt sich aus Mitgliedern von DVG, TVD, bpt und der BTK zusammen und führt unter anderem aus, dass die hohe Inzidenz von Erkrankungen ein viel zu frühes Ausscheiden aus der Produktion und damit eine viel zu kurze Nutzungsdauer mit erhöhter Todesfallrate verursache. Natürlich spiele dabei das Farmmanagement eine große Rolle, was zweifelsohne zu einer breiten Streuung gesunder und kranker Tiere führe. Dabei sind in erster Linie nicht nur die ökonomischen Verluste ausschlaggebend, sondern es liege ein grundsätzliches Tierschutzproblem vor. Sehr deutlich verweist die BTK-Arbeitsgruppe auch auf das deutsche Tierschutzgesetz (§ 3, Nr. 1), laut dem es „verboten ist, einem Tier Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustands nicht gewachsen ist bzw. die seine Kräfte übersteigen“. Gerade aufgrund der immens gestiegenen Milchleistungen der letzten 30 Jahre (s. Abb. 1) wird die Problematik immer deutlicher (besonders ausgeprägt bei HF-Kühen). Die hohe Inzidenz der sogenannten Produktionskrankheiten – postpartal mit Anstieg der Milchleistung und der immensen Steigerung des Stoffwechsels – führt in der Regel unweigerlich aufgrund der Priorität der Milchleistung zu Tiergesundheitsstörungen.
Quelle: Sonderausgabe, Nutztierpraxis Aktuell, „Gesundheitsrisiken hochleistender Milchkühe – ein Problem?“
Link: https://bit.ly/3v2gops