Mag. Reinhard Fuchs, Univ.-Doz. DI Dr. Klemens Fuchs
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH
Ausgabe 05/2023
Im vorliegenden Bericht werden die Vertriebsmengen von Antibiotika, die in den Jahren 2017 bis 2021 in der Veterinärmedizin für Nutztiere zugelassen waren, und die Abgabemengen der Jahre 2016 bis 2021 dargestellt.
Im vorliegenden Bericht werden die Vertriebs- und die Abgabemengen von Antibiotika des Jahres 2021, die in der Veterinärmedizin für Nutztiere zugelassen sind, dargestellt und mit den Vorjahren verglichen. Die Gesamtvertriebsmenge an antimikrobiell wirksamen Substanzen für Nutztiere hat im Vergleich zum Jahr davor um 10,5 % abgenommen und lag im Jahr 2021 bei 39,07 Tonnen. Die Vertriebsmenge der Antibiotika, die von der WHO als Antibiotika von allerhöchster Bedeutung für die Humanmedizin eingestuft sind, hat seit dem Vorjahr um 19 %, von 5,72 auf 4,64 Tonnen, abgenommen. Diese Wirkstoffgruppen haben über die Jahre einen relativ konstanten Anteil von rund 12 % an der Gesamtmenge. Generell zeigen die Vertriebsmengen der letzten Jahre Schwankungen, welche zum Teil auf höhere Lagerbestände zurückführbar sind. Die zugrunde liegende Tierpopulation weist über die letzten Jahre nur geringfügige Schwankungen auf, daher sind Änderungen in der Vertriebsmenge nicht auf geringere bzw. höhere Tierzahlen zurückzuführen. Hausapothekenführende Tierärzt*innen geben im Rahmen ihrer Abgabemeldung die Tierart an, für welche das Antibiotikum abgegeben wurde. Dadurch lassen sich die Abgabemengen antimikrobiell wirksamer Substanzen den Tierarten zuordnen. Um die Abgabemengen der unterschiedlichen Tierarten miteinander vergleichen zu können, müssen diese auf Basis der jeweiligen Tierpopulation normiert werden. Dazu hat die EMA einen Normierungsfaktor (die PCU) eingeführt. Die PCU ist ein technisches Maß und bezieht sich auf ein Kilogramm Körpergewicht. Daraus resultieren normierte Werte beim Schwein von 61 mg/PCU (-7,8 mg/PCU im Vergleich zum Vorjahr), beim Rind von 16,7 mg/PCU (+1,1 mg/PCU) und beim Geflügel von 22 mg/PCU (-3,1 mg/PCU). Da im Rahmen der Abgabemengenerhebung keine direkt angewandten Antibiotika erfasst werden, sind diese Zahlen mit einer größeren Unsicherheit behaftet.
Im Vergleich zum Jahr 2020 kam es 2021 zu einer Abnahme der verkauften Gesamtmenge um 4,58 Tonnen. Das entspricht einer relativen Abnahme von 10,5 % (siehe Tab. 1). Nach wie vor werden mit über 90 % mengenmäßig am meisten Antibiotika für die systemische Anwendung (QJ01) verkauft. In der folgenden Abbildung ist die verkaufte Menge auf der Basis des in der Fachinformation angegebenen ATCvet-Codes dargestellt.
Betrachtet man die Art der Anwendung (siehe Abb. 2), so liegen die oral anzuwendenden Präparate zur Behandlung von Einzeltieren oder Gruppen von Tieren – diese umfassen Pulver, Tabletten und Pasten – mit 31,7 Tonnen (81,1 %) auch im Jahr 2021 weit vor den anderen Anwendungsformen. Die parenteral anzuwendenden Präparate liegen mit 5,4 Tonnen (13,8 %) an zweiter Stelle, gefolgt von der Gruppe der intramammären Anwendungen, denen auch die Trockensteller zugeordnet wurden, mit 1,02 Tonnen (2,6 %). Die oral zur Bestandsbehandlung eingesetzten Fütterungsarzneimittel-Vormischungen (Prämix) machen mengenmäßig 0,87 Tonnen (2,2 %) aus.
Bei den Vertriebsmengen getrennt nach Wirkstoffgruppen (siehe Tab. 2 und Abb. 3) ist nach wie vor Tetrazyklin mit 19,3 Tonnen (49,4 %) an erster Stelle, gefolgt von den Penicillinen mit erweitertem Spektrum mit 6,3 Tonnen (16,1 %), den Sulfonamiden mit 3,7 Tonnen (9,5 %) und den Makroliden mit 2,5 Tonnen (6,4 %). Die Einteilung der Wirkstoffe zu Wirkstoffgruppen erfolgte analog zu den Vorgaben der EMA (European Medicines Agency, European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption 2021). Zur Gruppe „Andere Antibiotika“ zählen dabei u. a. Rifaximin und Spectinomycin.
Für die Erfassung der Vertriebsmengen ab 2014 wurde ein neues elektronisches Datenerfassungssystem entwickelt. Unter anderem müssen die pharmazeutischen Firmen und Großhändler melden, an welche Hausapotheke (HAPO) wie viele Packungen welchen Produkts verkauft wurden. In Österreich waren im Jahr 2021 1752 HAPO gemeldet, davon haben 1613 im Jahr 2021 auch Antibiotika bezogen.
Um zu untersuchen, wie sich die verkauften Antibiotikamengen auf die einzelnen HAPO verteilen, ist in Abb. 4 die kumulative Verteilung der Mengenanteile je HAPO an der Gesamtmenge dargestellt. Der sehr steile Anstieg der Kurve lässt darauf schließen, dass sehr wenige HAPO sehr große Mengen an Antibiotika beziehen. An der strichlierten roten Linie ist zu erkennen, dass 95 % der Antibiotika an 351 HAPO (rund 20 %) verkauft wurden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 80 % der HAPO nur 5 % der Gesamtmenge beziehen.
In der Abgabemeldung müssen hausapothekenführende Tierärzt*innen angeben, welche Antibiotika in welcher Menge an welche landwirtschaftlichen Betriebe abgegeben wurden. Dieser Meldeverpflichtung sind für das Melde-jahr 2021 insgesamt 571 von 1752 HAPO nachgekommen. Um die Vollständigkeit der Abgabedaten überprüfen zu können, müssen seit der am 28. Jänner 2022 in Kraft getretenen EU-Tierarzneimittel-Verordnung 2019/6 hausapotheken-führende Tierärzt*innen, die zu keiner Abgabemeldung nach Veterinär-Antibiotika-MengenströmeVO § 7(2) verpflichtet sind, eine Abgabe-Leermeldung tätigen; siehe Veterinär-Antibiotika-MengenströmeVO § 7(3). Eine solche haben heuer 898 HAPO durchgeführt.
Von den oben erwähnten 351 HAPO (top 95 %) haben 315 eine Abgabemeldung bzw. Abgabe-Leermeldung gemacht. Insgesamt wurden rund 31 Tonnen an landwirtschaftliche Betriebe abgegebene Antibiotika gemeldet. Die Differenz von circa 8,1 Tonnen (21 %) zur Meldung der Hersteller, Depositeure und Arzneimittelgroßhändler kann unterschiedliche Ursachen haben (z. B. Anwendung durch Tierarzt bzw. Tierärztin, Abgabe an nicht meldepflichtige Tierarten, Lageraufbau, Nichtmeldung). In Tab. 3 sind die Abgabe- und Vertriebsmengen sowie die jeweiligen Differenzen und Anteile gezeigt.
Neben der Angabe, an welche landwirtschaftlichen Betriebe Antibiotika abgegeben wurden, müssen die hausapothekenführenden Tierärztinnen und Tierärzte auch melden, für welche Tierart und Nutzungsart die Antibiotika abgegeben wurden. In Abb. 5 ist zu sehen, dass im Jahr 2021 für die Tierart Schwein 71 % der Menge abgegeben wurden, gefolgt von Rind mit 23 % und Geflügel mit 6 %.
Da sich die Tierbestände und Schlachtzahlen unterschiedlicher Tierarten voneinander unterscheiden, werden die Abgabemengen wie auch im ESVAC-Bericht in Abb. 6 (European Medicines Agency, European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption 2021) normiert dargestellt.
In Abb. 6 sind die Abgabemengen für Schwein, Rind und Geflügel in mg/PCU dargestellt. Die jeweils linke Klammer gibt die normierte gemeldete Abgabemenge wieder. Die Summe der gemeldeten Abgabemenge ist, wie in Tab. 3 ersichtlich, um 21 % geringer als die gesamte Vertriebsmenge. Diese Differenz wurde für die jeweilige Tierart berücksichtigt und hochgerechnet in den rechten Klammern in der Abbildung dargestellt. Die in der Grafik dargestellten Werte sind in Tab. 3 zu sehen. Diese Kennzahlen sind derzeit mit einer größeren Unsicherheit behaftet, da hier der Antibiotikaeinsatz beim Pferd und bei Heimtieren nicht berücksichtigt wird und der Anteil der Abgabe zur Anwendung für Rinder, Schweine und Geflügel nicht ident ist.
Abgabemengen für Schweine
In Tab. 4 sind die gemeldeten Abgabemengen für Schweine je Wirkstoffgruppe in Tonnen dargestellt. Eine Aufteilung der Abgabemengen für Schweine nach Nutzungsarten ist in Tab. 5 dargestellt. Dies bedeutet zum Beispiel, dass 2021 ein Anteil von 29,8 % aller abgegebenen Antibiotika in der Schweinemast verwendet wurde.
Abgabemengen für Rinder
In Tab. 6 sind die gemeldeten Abgabemengen für Rinder je Wirkstoffgruppe in Tonnen und in Tab. 7 anteilsmäßig in Prozent nach Nutzungsart dargestellt.
Abgabemengen für Geflügel
In Tab. 8 sind die gemeldeten Abgabemengen für Geflügel je Wirkstoffgruppe in Tonnen dargestellt. Analog zu den vorherigen Darstellungen (Tab. 5 und 7) sind in Tab. 9 die Abgabemengen prozentuell nach Nutzungsart für das Geflügel dargestellt.
Die Vertriebsmenge des Jahres 2021 weist mit 39,07 Tonnen den niedrigsten Wert seit Beginn der Datenerhebung (erstmals für das Jahr 2010) auf. Die letzten Jahre waren von stärkeren Schwankungen in den Vertriebsmengen geprägt, die zum Teil durch verstärkte Käufe auf Lager – aufgrund von Ungewissheit über die Marktsituation und die Verfügbarkeit von Arzneimitteln – erklärbar sind. Die nächste Datenerhebung wird zeigen, ob die Reduktion nachhaltig war.
Die Verkaufsmenge der als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials (HPCIA)“ eingestuften Wirkstoffe (WHO Advisory Group on Integrated Surveillance of Antimicrobial Resistance and World Health Organization, 2017) schwankte über die letzten fünf Jahre zwischen 4,64 und 5,78 Tonnen und lag im Jahr 2021 bei 4,64. Über die Jahre haben die HPCIA einen relativ konstanten Anteil von 12 % bis 13 % an der Gesamtmenge.
Der Indikator mg/PCU, der eine grobe Abschätzung darstellt, wie viel Milligramm Antibiotika pro Kilo produzierter Lebendtiermasse verkauft wurden, ist 2021 auf 41,3 mg/PCU gesunken und somit um 8,9 % niedriger als 2020. In absoluten Zahlen bedeutet das eine Abnahme um 5 mg/PCU. Das Verhältnis der durch die HAPO in Summe eingekauften Antibiotika zu den in Summe abgegebenen Antibiotika lag 2020 bei 76,8 % und 2021 bei 78,9 %.
Auf Basis des österreichischen Erfassungssystems, bei dem HAPO ihre Abgabemengen je Betrieb, Tierart und Nutzungsart melden müssen, ist es möglich, speziesbezogene Auswertungen zu erstellen. Die Abgabemengen des Jahres 2021 zeigen bei der Tierart Rind (+1,1 mg/PCU) eine Zunahme und bei den Tierarten Schwein (-7,8 mg/PCU) und Geflügel (-3,1 mg/PCU) eine Abnahme. Diese Werte geben wie gesagt nur einen Trend wieder und sind mit gewissen Unsicherheiten behaftet.
Zur Sensibilisierung und Verminderung des Antibiotikaeinsatzes wurde im Jahr 2019 das Projekt „Benchmarking-Bericht für hausapothekenführende Tierärzte/-ärztinnen“ und im darauffolgenden Jahr der „Benchmarking-Bericht für schweinehaltende Betriebe“ umgesetzt. Dabei können hausapothekenführende Tierärzte/-ärztinnen ihren individuellen Bericht über das Portal eservices.basg.gv.at herunterladen und bekommen so einen Hinweis, wie sie punkto Antibiotikaabgabe im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen stehen. Schweinehaltende Landwirte/-innen erhalten ihre Berichte über die österreichischen Tiergesundheitsdienste, sofern sie dazu ihre Zustimmung geben. Derzeit wird auch an einem Benchmarking-System für rinderhaltende Landwirte/-innen gearbeitet.