Bettina Kristof
Ausgabe 04/2023
Wenn der Hund auf Reisen geht, ist ein vorhergehender Check beim Tierarzt bzw. bei der Tierärztin wichtig. Welche Erkrankungen gibt es im Zielgebiet, welche Vorsorgemaßnahmen müssen getroffen werden? In vielen Reiseländern kommt der Herzwurm vor, der speziell Hunden gefährlich werden kann.
Die richtige Prophylaxe ist zum Schutz vor dem Herzwurm besonders wichtig und sollte bereits einen Monat vor Reiseantritt getroffen werden. Herzwürmer sind Parasiten, die sich bei Hunden im Herz und in Gefäßen, die zur Lunge führen, ansiedeln können. Sie werden von Stechmücken übertragen und können unbehandelt zu lebensgefährlichen Erkrankungen führen.
Wir sprachen mit Dr. med. vet. Pamela Beelitz, Leiterin des Diagnostiklabors für Experimentelle Parasitologie an der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität/LMU München, über Verbreitung, Diagnose und Therapie des Herzwurms.
Der Herzwurm ist eine gefährliche Erkrankung bei Hunden. Wo genau kommt er vor?
Der Herzwurm kommt in unseren Breiten vor allem in Süd- und Osteuropa vor, also in Ländern wie Spanien, Portugal, auf den Balearen, Kanaren, Mittelmeerinseln, in Südfrankreich, Italien, der Türkei, Griechenland, Rumänien und Bulgarien. Er ist aber auch in Asien, Afrika, Australien und den USA beheimatet.
Kommt der Herzwurm auch bei uns vor?
Ja, er hat sich ausgebreitet. Neueste Erhebungen zeigen, dass es den Herzwurm mittlerweile auch in Zentral- und Nordeuropa gibt. Auch in Deutschland und Österreich werden immer mehr Infektionen diagnostiziert.
Wie breitet sich der Herzwurm aus?
Ein Faktor ist die Reisetätigkeit – wenn Tiere ihre Besitzer*innen in ein endemisches Ausland begleiten und infiziert heimkehren, kann der Herzwurm hier weiterverbreitet werden, weil es bei uns mittlerweile kompetente Vektoren gibt. Bereits 2014 konnte man bei uns in Stechmückenarten DNA von Dirofilaria spp. nachweisen. Auch durch den Import von mikrofilarämischen Hunden ist der Herzwurm bei uns auf dem Vormarsch.
Hat die Ausbreitung des Herzwurms mit der Klimaveränderung zu tun?
Ja, denn durch die wärmeren Temperaturen sind jetzt auch bei uns Stechmückenarten heimisch geworden, die kompetente Vektoren sind. Dazu zählen beispielsweise die Tigermücke (Aedes albopictus, Anm.), aber ebenso andere Arten wie Aedes koreicus oder Aedes japonicus.
Wie erfolgt die Übertragung?
Bestimmte Stechmücken saugen Blut beim infizierten Hund und nehmen dabei Mikrofilarien auf. Diese entwickeln sich in der Mücke zum Larvenstadium Nummer drei, die infektiös ist und beim nächsten Stich auf einen anderen Hund übertragen wird.
Welche Tierarten sind besonders gefährdet, am Herzwurm zu erkranken?
Der Hund ist Hauptwirt, aber auch Katzen können sich infizieren. Wildtiere können ebenfalls befallen werden; speziell Füchse, Wölfe, Iltisse, Frettchen, Otter und Schakale sind gefährdet.
Was macht den Herzwurm so gefährlich?
Eine Infektion mit dem Herzwurm kann zu schweren und auch tödlichen Erkrankungen führen. Es kommt zu Entzündungsprozessen in den Pulmonalarterien sowie zu Thromboembolien. Die Gefäße werden verengt, das kann zu einer pulmonären Hypertension bis hin zu einem Rechtsherzversagen führen. Bei starkem Befall kann es zur Einwanderung der Würmer ins rechte Herz bis in die Kaudalvene kommen. Wenn 40 oder mehr Würmer siedeln, kann das im gefürchteten Vena-cava-Syndrom resultieren, bei dem die Herzwürmer den rechten Vorhof und die Hohlvene verengen und die Funktion der Trikuspidalklappe behindern. Das muss schnell erkannt und die Würmer müssen chirurgisch entfernt werden, sonst kann das innerhalb von zwei Tagen tödlich enden.
Es ist wichtig, den Herzwurm so früh wie möglich zu diagnostizieren, denn je länger er im Hund bleibt, desto mehr Schaden kann er anrichten. Die Auswirkungen auf das kardiopulmonale System können erheblich sein, das Risiko von schwerer Krankheit und Tod ist groß.
Wie diagnostiziert man den Herzwurm?
Die Herzwurmgesellschaft in den USA empfiehlt aktuell, das Blut von verdächtigen Hunden, die älter als sieben Monate sind, mit einem Antigen-Test auf lösliches Antigen und auf Mikrofilarien zu untersuchen. Bei symptomatischen Hunden sollten weitere Untersuchungen wie ein Röntgen des Thorax und eine Sonographie des Herzens vorgenommen werden, um den Schweregrad der Herz-Lungen-Erkrankung zu überprüfen.
Welche Symptome hat ein Hund, der am Herzwurm erkrankt ist?
Am Anfang und während der ersten fünf bis sechs Monate hat der Hund bei einer schwachen Infektion zumeist keine Symptome. Später können dann Anzeichen wie Husten, Gewichts- und Konditionsverlust, Anstrengungsdyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie, Anämie, Ödeme an den Hintergliedmaßen, Lebervergrößerung, Nierenfunktionsstörung, Bewusstseinsverlust beim nicht behandelten Tier als Ausdruck einer Rechtsherzinsuffizienz oder das Vena-cava-Syndrom auftreten.
Gibt es neue Diagnoseverfahren?
Neue Diagnoseverfahren in dem Sinn sind mir nicht bekannt, es gibt aber Differenzierungsmöglichkeiten. Mit molekularer Diagnostik kann man Larven des Stadiums eins weiterer Filarienarten differenzieren.
Wie sicher sind die Diagnoseverfahren?
Sie sind relativ sicher. Die derzeit gängigen ELISA-Tests erkennen auch okkulte Infektionen, das heißt, es sind adulte Würmer vorhanden, aber keine zirkulierenden Mikrofilarien. Wenn man ein positives Ergebnis hat, dann sollte man dieses bei asymptomatischen Hunden mittels Knott-Test und Röntgen des Thorax sowie Sonographie des Herzens überprüfen, ehe man mit einer Kausaltherapie beginnt. Es kann unter Umständen eine Kreuzreaktion mit dem Antigen von anderen Erregern vorliegen, etwa mit dem Französischen Herzwurm, das kann man nicht zu 100 Prozent ausschließen.
Auch falsch negative Ergebnisse können vorkommen, wenn Würmer noch nicht reif sind, sich nicht in der Patenz befinden, oder eine Infektion mit nur männlichen Würmern stattgefunden hat. Dann sollte man die Blutprobe wiederholen oder in ein anderes Labor schicken.
Gibt es Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Erkrankungen?
Ja, man muss bei der Differenzialdiagnostik an den Französischen Herzwurm denken. Die Symptome, die dieser Wurm hervorruft, ähneln jenen des Herzwurms und verursachen ein weites Spektrum an Symptomen wie Husten, Depression, Anorexie, Erbrechen, aber auch Blutungsneigung und zentralnervöse Symptome.
Welche Prophylaxemöglichkeiten gibt es, wenn man mit seinem Hund in ein Land fährt, in dem der Herzwurm vorkommt?
Zur Prophylaxe stehen verschiedene Präparate mit makrozyklischen Laktonen zur Verfügung, die entweder oral oder auf die Haut gegeben werden. Wichtig ist, dass das Präparat bereits einen Monat vor Reiseantritt und während des Aufenthalts in einmonatigen Abständen angewendet wird. Nach der Rückkehr sollte es noch zwei bis drei Monate lang weiterhin gegeben werden.
Zusätzlich sollte man Hunde im betroffenen Ausland mit Repellents gegen Vektoren schützen. Wenn Tiere länger als einen Monat im Ausland waren, sollte man sie sechs bis sieben Monate nach ihrer Rückkehr auf den Herzwurm testen.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Da gibt es mehrere Konzepte. Das erste stammt von der Herzwurmgesellschaft in den USA und wurde 2018 überarbeitet; dann gibt es ein Therapieschema der Wiener Kollegen Barbara Hinney und Michael Leschnik, das 2015 publiziert wurde, sowie die Slow-Kill-Methode, die sich auf Arbeiten aus dem Jahr 2017 bezieht. Bei den beiden ersten Methoden wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine Arsenverbindung zum Abtöten der Herzwürmer in den Pulmonalarterien injiziert. Die Herzwurmgesellschaft in den USA empfiehlt drei Injektionen mit dieser Arsenverbindung und spricht von einer fast hundertprozentigen Erfolgsrate. Die Wiener Kolleg*innen empfehlen zweimalige Injektionen zu Therapiebeginn, wenn der Verlauf mild ist, geben eine 87-prozentige Erfolgsrate an und sprechen davon, dass es zu keinen Nebenwirkungen kommt.
Bei beiden Konzepten ist es wichtig, zu wissen, dass sie nicht gegen vorhandene Larven wirken. Daher muss man in den ersten Monaten makrozyklische Laktone in monatlichen Abständen geben, und zusätzlich über vier Wochen ein Antibiotikum. Während der Behandlung ist eine Bewegungseinschränkung der Hunde wichtig, um pulmonale Embolien durch Wurmteile zu verhindern. Beim Vena-cava-Syndrom ist eine sofortige chirurgische Intervention notwendig.
Bei der Slow-Kill-Methode werden makrozyklische Laktone allein oder in Kombination mit Doxycyclin über mehrere Monate verabreicht. Diese Behandlung hat einen adultiziden Effekt auf Würmer, ist kostengünstig, einfach, aber langwierig. Die Nachteile sind, dass es bis zu zwei Jahre dauern kann, bis 95 % der adulten Würmer abgetötet sind. Durch die monatliche Verabreichung können außerdem Resistenzen entstehen. Diese Methode wird oft von Tierschutzorganisationen angewendet, weil sie einfach und kostengünstig ist.
Ist die Zahl der Patienten in Deutschland und Österreich zunehmend?
Ja, eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2022 fasst die Erhebungen der letzten Jahre zusammen und man hat festgestellt, dass zunehmend infizierte Tiere in beiden Ländern zu verzeichnen sind. Man geht davon aus, dass sich der Herzwurm in Deutschland und Österreich weiter ausbreiten und etablieren wird. Eine Arbeit bezeichnet Deutschland bereits als präendemisches Land.
Welche Zukunftsaussichten gibt es in der Behandlung der Herzwurmerkrankung?
Das Adultizid Melarsomin ist weiterhin gegen Herzwürmer wirksam, sogar bei Genotypen, die gegen makrozyklische Laktone resistent sind. In den USA gibt es Berichte zur Resistenz gegen makrozyklische Laktone bei der Herzwurmprophylaxe aus der Region des unteren Mississippi-Deltas. Aktuell liegen noch keine Meldungen zu Resistenzen gegen makrozyklische Laktone aus anderen Teilen der Welt vor.
Haben Sie noch eine Empfehlung für die Tierärzte in der Praxis?
Das Problem ist, dass die Tierhalter*innen oft nicht rechtzeitig kommen, sondern eher kurzfristig vor einem Reiseantritt. Das macht eine sinnvolle Prophylaxe schwierig, denn die erste vorbeugende Behandlung sollte einen Monat vor dem Auslandsaufenthalt stattfinden.
Tierärzt*innen sollten nach der Reiserückkehr mindestens fünf bis sechs Monate warten, bis sie auf Herzwurmbefall testen, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Bei einem unsicheren Resultat empfehle ich, nach vier Wochen nachzutesten und die Blutproben zur Nachuntersuchung eventuell an ein anderes Labor zu schicken.