Mehr

als nur Miauen

Tierärztin Tanja Warter

Katzenkommunikation ist komplex und setzt sich aus visuellen, taktilen, olfaktorischen und vokalen Anteilen zusammen. Eine schwedische Phonetikerin untersucht die Lautgebung im Detail – und leistet damit Übersetzungs- und Verständigungshilfe für Menschen.

Wer sein Heim mit einer Katze teilt, weiß aus dem gemeinsamen Alltag, dass Miaus sehr unterschiedlich klingen können. Und wer zusätzlich versucht, die Bedeutung verschiedener Miaus genauer zu erkunden, wird bald ziemlich sicher wissen, wann eine Katze Futter will, wann sie ins Freie möchte oder wann sie sich nach Streicheleinheiten sehnt. Diese Fähigkeit haben Katzen uns Menschen gegenüber ausgebaut, weil sie auch untereinander in der Lage sind, mittels Lauten zu kommunizieren. „Vokalisation kommt in der Mutter-Kind-Beziehung vor, im sexuellen Kontext, bei der Klärung von Revierfragen oder auch als Spielaufforderung an eine andere Katze“, erklärt die schwedische Phonetikerin Prof. Dr. Susanne Schötz, die seit 2010 die Lautgebung von Katzen erforscht.

Viele Katzenbesitzer berichten, dass ihre Vierbeiner teils recht gesprächig sind, und manchmal machen Katzen ihren Menschen das Leben durch Dauermaunzen sogar schwer, vor allem, wenn es nachts ertönt. „Im Lauf unseres Zusammenlebens haben Katzen gelernt, dass wir Menschen auf Vokalisation einfach am besten reagieren. Es bringt nichts, stumm vor dem leeren Futternapf zu sitzen, wenn man etwas zum Fressen möchte“, erklärt Schötz. „Auf olfaktorische Reize reagieren Menschen ja vergleichsweise so gut wie gar nicht, weil wir die allermeisten überhaupt nicht wahrnehmen können. Wenn eine Katze den Duft einer anderen Katze schnuppert, dann erfährt sie deren Geschlecht, das Alter, den Gesundheitszustand und vieles mehr – diese Welt ist uns verschlossen.“

Also muss geredet werden. Doch wenn man menschliche Sprache mit Tierlauten vergleiche, gebe es zunächst eine Reihe von Unterschieden: „Menschliche Sprachen haben oft Tausende von Wörtern, die wir Morpheme nennen. Je nach Zählweise gibt es im Deutschen 75.000 bis 500.000 Wörter. Zusätzlich gibt es im Deutschen etwa 40 Sprachlaute, die wir Phoneme nennen. Das sind Einheiten, die eine bedeutungsunterscheidende Funktion haben.“ Ein Beispiel dazu: Wenn man im Wort „Haus“ aus dem H ein M macht, bekommt es eine neue Bedeutung; ebenso, wenn man am Wortende aus dem S ein T macht. Schötz: „Dadurch haben wir Menschen unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Tiere haben im Mittelwert nur sechs bis zehn Laute, die ungefähr wie unsere Wörter funktionieren. Will eine Katze eine andere Katze warnen, dann kann sie zum Beispiel fauchen. Das versteht jede andere Katze. Aber Sprachlaute gibt es nicht: Ob eine Katze eher ‚Meuu‘ oder mehr ‚Weuu‘ sagt, ist für die zuhörende Katze ohne Bedeutung.“

Doch übergeordnet gelte auch manches in der Vokalisation universell unter Säugetieren – und damit auch für den Menschen. Das seien die biologischen Codes. Schötz: „Wenn ich hell und leise spreche, dann erwecke ich den Eindruck, klein und harmlos zu sein, vielleicht auch schutzbedürftig. Spreche ich aber dunkel und laut, bin ich groß und stark, wichtig und beschützend, unter Umständen auch bedrohlich. Wer monoton und mit wenig Melodie spricht, wirkt langweilig, man schenkt ihm wenig Aufmerksamkeit. Wer aber melodienreich und mit vielen Variationen redet, bei dem wird man genauer hinhören, denn er hat vermutlich etwas Wichtiges mitzuteilen.“ Diese universellen biologischen Codes sind laut Schötz besonders nützlich für die Katze-Mensch-Kommunikation. Überhaupt funktioniere die vokale Kommunikation zwischen Mensch und Katze oft sehr gut. Ein Grund dafür seien die Variationen in der Stimme, mit der Katzen ihre Gefühle und Absichten mitteilen könnten. Teilweise würden Mensch und Katze sogar zu eingespielten Teams, die ihre ganz eigene Sprache miteinander entwickeln würden und die aus Katzensicht längst nicht mit jedem anderen Menschen und aus Menschenperspektive längst nicht mit jeder anderen Katze funktionieren müsse.

Nach fast zehn Jahren, in denen Schötz unzählige Video- und Tonaufnahmen von Katzen angefertigt und ausgewertet hatte, gelang ihr 2019 eine systematische Erfassung. Herauskristallisiert haben sich zehn Lauttypen mit 20 Unterkategorien. Das reicht vom Miauen über das Gurr-Miauen und Gurren bis hin zum Knurren, Fauchen, Kreischen oder Schnattern. Beispiel Miauen: Diesen Laut verwenden Katzen vor allem dann, wenn sie die Aufmerksamkeit oder die Hilfe des Menschen wollen. Häufig geht es um Ressourcen wie Futter, Ein- und Ausgänge oder Gesellschaft. „Wenn man das Miauen in menschliche Sprache übersetzt, heißt es sehr oft ‚Ich will‘ oder ‚Ich brauche‘“, erklärt die Expertin. Körpersprachlich sind dazu meist die Ohren nach vorn gerichtet, der Blick wendet sich zunächst dem Menschen und dann der gewünschten Ressource zu, beispielsweise zum Kühlschrank oder zur Terrassentür.

Das Miauen unterteilt Schötz zusätzlich in das eigentliche Miauen sowie in Fiepen, Quieken und Jammern. Jede Variante hat in ihrer phonetischen Ausprägung und im Kontext eine sehr spezielle Bedeutung, die ergründet sein will. Irgendwann möchte die Phonetikerin eine vollständige Übersetzungshilfe Kätzisch/Deutsch erarbeitet haben und damit zu einem besseren Verständnis der Katzen beitragen. Erste Vokabeln gibt es bereits in einem Video-Vokabelheft auf Englisch (gratis zu finden auf Youtube unter „Cat Lady Sweden“).

Mehr Infos:
www.catladysweden.com
www.meowsic.se

Buch:
Schötz, S. (2020): Phonetic Variation in Cat–Human Communication. In: A. Sousa & M. Pastorinho (Eds.): Pets as Sentinels, Forecasters and Promoters of Human Health (pp. 319–347). Springer International Publishing AG, Switzerland.


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