Schutz vor Infektionskrankheiten

Impfprophylaxe bei Kleintieren

Bettina Kristof

Impfungen stellen eine wesentliche Maßnahme zur Prophylaxe und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Kleintieren dar. Da einige Infektionskrankheiten bekanntermaßen auch auf den Menschen übertragen werden können, schützt eine entsprechende Impfung nicht nur das Haustier, sondern auch den Menschen.

In einem Beratungsgespräch mit Tierhalter*innen sollte beim jährlichen Check sowie vor Beginn ­einer Auslandsreise die jeweilige Situation des Tiers besprochen werden, um notwendige Impfungen durchzuführen. Wir sprachen darüber mit Priv.-Doz. Dr. med. vet. Michael Leschnik von der Klinischen Abteilung für Interne Medizin Klein­tiere an der Universitäts­klinik für Kleintiere in Wien.

Herr Doktor Leschnik, gibt es neue Empfehlungen, welche Impfungen in Österreich zum Schutz vor Krankheitserregern bei Hunden und Katzen durchzuführen sind?
Neue Empfehlungen gibt es nicht, wir halten uns an die Empfehlungen, die vor mehr als 15 Jahren von der Ständigen Impfkommission Veterinär­medizin in Deutschland ausgearbeitet wurden. Hier wird unterschieden zwischen den Core-Vakzinen, also jenen Impfungen, die grundsätzlich immer em­pfohlen werden, und jenen, die nach einer Risiko­analyse für den jeweiligen Patienten zusätzlich angeraten werden. Zu den Core-Vakzinen gehören beim Hund jene gegen Leptospirose, Parvovirose, Staupe und Hepatitis, bei der Katze Panleukopenie- und Katzenschnupfen-Impfung sowie bei Hund und Katze mit möglicher Auslandsreise die Tollwut-Impfung.

Das sind die Core-Vakzine; man empfiehlt, dass jedes Tier unabhängig von den Haltungsbedingungen geimpft wird und daraus einen Impfschutz kreiert. Aufgrund der Tatsache, dass Impfstoffe immer wieder neu evalu­iert und verbessert und somit effektiver werden, ist es bei vielen Impfungen bei Kleintieren so, dass wir von den jährlichen Impfintervallen weggekommen sind. Wenn die Grundimmunisierung abgeschlossen ist, gehen wir zu längeren Impfintervallen über. Bei Tollwut reicht es dann beispielsweise, alle zwei bis drei Jahre nachzuimpfen, bei Parvo und Staupe erfolgt dies nach der Grundimmuni­sierung in dreijährigen Abständen.

Die neuen Empfehlungen beziehen sich also nicht auf den Impfstoff, sondern auf die Impfintervalle?
Ja, denn früher hat man einmal im Jahr gegen sämtliche Infektionskrankheiten, für die es einen Impfstoff gab, geimpft; jetzt geht man dazu über, jeden Patienten indi­viduell zu sehen. Streng genommen erstellen wir für jedes einzelne Tier und seine Umgebung eine Risiko­analyse, die sämtliche Prophylaxemaßnahmen beinhaltet – das be­deutet, wir überlegen uns, ob eine Katze, die kein Freigänger ist, ihr Leben lang gegen Tollwut geimpft werden muss, oder ob ein zehnjähriger Hund, der jedes Jahr eine Parvo-Impfung erhalten hat, weiterhin jährlich dagegen geimpft werden muss. Da gehen wir dazu über, dass wir uns für jedes Tier individuell überlegen, was Sinn ergibt und was nicht notwendig ist.

Darüber hinaus gibt es die Nicht-Core-Vakzine – dazu gehören etwa die FeLV-Impfung bei der Katze und die Leishmaniose-Impfung beim Hund. Das sind Impfungen, die anlassbezogen sinnvoll sind: Wenn etwa ein Hund in Österreich lebt und niemals ins Ausland kommt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er an Leishmaniose erkranken wird, denkbar gering; wenn er allerdings zum Beispiel regelmäßig nach Spanien mitreist, ist es sinnvoll, ihn dagegen impfen zu lassen. Die Zukunft der Impfung ist es, für jedes einzelne Tier ein Prophylaxekonzept zu entwickeln.

Treten neue Krankheitserreger auf?
Aufgrund unterschiedlicher Faktoren wie Klimawandel und erhöhter Mobilität werden vermehrt Krankheiten in Österreich diagnostiziert, die wir heute noch als Reisekrankheiten bezeichnen, die aber aufgrund des Imports von Überträgern wie Hunden und Katzen, aber auch durch Vektoren wie Mücken, Zecken et cetera in Österreich wahrscheinlich heimisch werden. Ein Beispiel dafür ist die Leishmaniose, die in Österreich noch nicht endemisch ist, aber wenn die derzeitige Entwicklung so weitergeht, dann wird diese Krankheit in den nächsten Jahren auch bei uns ein Thema sein.

Dann kann es sein, dass sich die Impfempfehlungen auch in Österreich ändern werden. Sowohl die Impfstoffhersteller als auch die Universität versuchen, auf dem neuesten Stand zu bleiben und die Tierärztinnen und Tierärzte zeitgerecht zu informieren. Dazu gibt es seit einigen Jahren zahlreiche Fortbildungen, in denen wir die Tierärzt*innen darauf hinweisen, wo derzeit mit einer Infektion zu rechnen ist und wo nicht.

Durch den Krieg in der Ukraine kommen viele Flüchtlinge zu uns, manche bringen auch ihre Haustiere mit. Droht die Gefahr von Erregern, die bei uns bisher nicht vorkommen?
Nicht unbedingt neue, aber altbekannte Erreger könnten zu uns kommen. Aufgrund der Umstände ist es ja so, dass es sich bei der Flucht aus der Ukraine nicht um eine klas­sische Einreise handelt. Auch der Import der mit­gebrachten Haustiere ist nicht entsprechend geregelt. Ich nehme auch an, dass die Haustiere, die so über die Grenze zu uns kommen, nicht zwingend kontrolliert werden. Es stellt sich die Frage, ob alle Tierhalter*innen gül­tige Reisedokumente für ihre Tiere dabeihaben. Ich kann mir vorstellen, dass man auf der Flucht nicht unbedingt als Erstes daran denkt, den Impfpass des Tiers mitzunehmen. Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass dabei Infektionskrank­heiten importiert werden, die bei uns nicht mehr oder nur sehr selten vorkommen, etwa Hepatitis oder Staupe beim Hund. Ein Thema könnte die Tollwut sein, denn die gibt es in der Ukraine schon noch. Ich erwarte mir aber dadurch keine großen Probleme. Ich gehe davon aus, dass die Haustiere, die mitgenommen werden, im Familien­verband gelebt haben und entsprechend gehalten wurden. Es werden eher keine Streunerhunde importiert.

Gibt es in Österreich eine Anlaufstelle für ukrainische Familien mit Tieren?
Eine zentrale Anlaufstelle gibt es nicht, aber man bemüht sich, Tierhalter*innen mit kranken Tieren aus der Ukraine zu unterstützen. Spender*innen und Institutionen versuchen, sich hier einzubringen, aber die mitgebrachten Tiere werden nicht zentral registriert. Ich kann dazu nur sagen, dass wir an der Vetmeduni nicht mit Tieren aus der Ukraine überschwemmt werden, die an Infektionskrankheiten leiden. Es besteht also kein Grund zur Panik.

Gibt es neue Studien zu Infektionskrankheiten, gegen die es noch keine Impfstoffe gibt?
Ja, vor allem im Bereich der Reiseinfektionsmedizin wird viel geforscht. Da geht es darum, in welchen Ländern es welche Infektionen gibt und wie diese verbreitet werden. Viele Infektionen kommen durch die Migration der Kleintiere zu uns. Es sind fast mehr Tiere durch den Tierhandel unterwegs als reisebegleitend, vor allem Hunde. Es gibt den illegalen Tierhandel, der für diejenigen, welche die oftmals erkrankten Tiere verkaufen, ein sehr gutes Geschäftsmodell ist. Es gibt aber auch seriöse Tierschutzorganisationen, welche die Tiere vor dem Export untersuchen und behandeln. Da hat sich viel Positives getan.

Gibt es neue Behandlungsmethoden gegen Infektionskrankheiten?
Es erscheinen immer wieder Studien, welche die be-stehenden Behandlungsprotokolle modifizieren, teilweise werden neue Präparate oder Präparatmischungen zugelassen, aber es gibt derzeit keine komplett neuen Erfindungen. Bei den Infektionskrankheiten der Katze gibt es für die FIP ein neues Behandlungsmodell, das allerdings nicht in der EU zugelassen ist, daher darf es von den Tierärzt*innen noch nicht eingesetzt werden. Es gibt aber Tierhalter*innen, die sich dieses Präparat um viel Geld aus China besorgen und ihre Tiere damit selbst behandeln. Das Medikament unterliegt keiner Qualitätskontrolle, deshalb ist diese Vorgangsweise aus tierärztlicher Sicht abzulehnen. Der emotionale Druck auf die Tierhalter*innen ist groß, weil FIP unbehandelt tödlich verläuft, deshalb verstehe ich schon, dass manche Katzenbesitzer*innen zur Eigeninitiative greifen; aber wir Tierärzt*innen können diese Grauimporte nicht unterstützen und müssen warten, bis ein wirksames Medikament in der EU zugelassen ist.

Woran forschen Sie aktuell?
Wir forschen derzeit vor allem an Infektionskrankheiten sowie Reise- und Importkrankheiten beim Kleintier, wo wir durch Kooperationen mit anderen EU-Staaten versuchen, uns ein besseres Bild zu machen.

Wie sieht die Situation international aus? Gibt es Studien, die für uns in Österreich relevant sind?
Ja, aber nicht nur impfstoffrelevante Studien. Was sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat, ist, dass es immer mehr Studien gibt, die länderübergreifend Informationen anbieten. Es kocht nicht mehr jeder sein eigenes Süppchen, sondern man schaut über die Grenzen. Das ist sehr relevant, weil wir einerseits unseren Beitrag leisten können und andererseits ein wesentlich besseres Bild bekommen, weil sich Infektionskrankheiten nun mal nicht an Staatsgrenzen halten.

Hat Covid-19 das Impfverhalten verändert? Wurde den Tierhalter*innen dadurch bewusster, wie wichtig es ist, ihre Tiere vor Infektionen zu schützen?
Das kann ich so nicht beantworten. Subjektiv hat sich nicht viel geändert. Die Tierhalter*innen, die ihre Tiere vor der Pandemie nicht haben impfen lassen, kommen jetzt auch nicht, die anderen gehen weiterhin regelmäßig zum Tierarzt oder zur Tierärztin. Ich kann da keinen Zusammenhang erkennen. Wir versuchen jedenfalls immer, die Tierhalter*innen davon zu überzeugen, dass Prophylaxe wichtig ist.

Haben Sie eine Empfehlung für die Tierärztinnen und Tierärzte in der Praxis?
Meine Empfehlung ist ein Ansporn, so weiterzumachen wie bisher, weil sich ganz viele Kolleg*innen mit aller Kraft bemühen, sich auf dem Laufenden zu halten und das auch in der Praxis anzuwenden. Als die neuen Impfrichtlinien vor 15 Jahren herausgekommen sind, gab es großen Zweifel, wie diese angenommen und umgesetzt werden würden. Ich kann nur sagen, es wird gut umgesetzt, da sind wir, was das betrifft, im europäischen Spitzenfeld.

Gibt es noch etwas, das Ihnen persönlich zu diesem Thema wichtig ist?
Das Wichtigste wurde angesprochen. Eines vielleicht noch zu den Tierhalter*innen: Diese sollten sich bewusst sein, dass Auslandsreisen mit einem Tier oder Tierimporte aus dem Ausland mit Infektionskrankheiten zusammenhängen können. Deshalb sollten Tierhalter*innen vor einer Auslandsreise mit ihrem Tier beim Tierarzt oder bei der Tierärztin vorstellig werden und sich beraten lassen, ob der derzeitige Impfschutz ausreichend ist oder welche Impfempfehlung es für das jeweilige Reiseland gibt. Auch jeder, der ein Tier aus dem Ausland importieren möchte, sollte vorher mit dem Tierarzt oder der Tierärztin sprechen: Man sollte sich Informationen holen, welche Organisationen seriös und empfehlenswert sind und was es alles beim Import eines Tiers zu beachten gibt, denn sonst sind Enttäuschungen programmiert. Es gibt leider Organisationen, die kranke Tiere vermitteln, das kann für Tierhalter*innen unbefriedigend und teuer werden. Das möchte ich den Tierhalter*innen ans Herz legen.


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