Prävention im Stall:

Impfungen gegen enzootische Bronchopneumonie bei Rindern

Bettina Kristof

Die Rindergrippe ist neben Durchfallerkrankungen die häufigste Erkrankung bei Kälbern und Jungrindern. Dies ist vor allem der intensiven Tierhaltung in Mastbetrieben geschuldet – Details lesen Sie im folgenden Interview mit Tierarzt Dr. med. vet. Walter Peinhopf-Petz.

Die enzootische Bronchopneumonie oder Rindergrippe ist neben Durchfallerkrankungen die häufigste Erkrankung bei Kälbern und Jungrindern. Dies ist vor allem der intensiven Tierhaltung in Mastbetrieben geschuldet. Atemwegserkrankungen bei Kälbern können zu Leistungs- und Entwicklungsstörungen und damit zu großen finanziellen Verlusten für den Landwirt führen. Um dem vorzubeugen, gibt es Impfungen gegen enzootische Bronchopneumonie, die prophylaktisch eingesetzt werden können. Näheres zu diesem Thema erfuhren wir von Dr. med. vet. Walter Peinhopf-Petz, der die Leitung der Abteilung Wiederkäuer bei „Dr. Vet – Die Tierärzte“ überhat.

Herr Doktor Peinhopf-Petz, warum ist eine Impfung gegen enzootische Bronchopneumonie so wichtig?
Wir haben es bei den wirklich gefährlichen Rindergrippe­ausbrüchen mit Viruserkrankungen zu tun, die vor allem durch BRSV hervorgerufen werden und tödlich sein können. Bei Viruserkrankungen gibt es keine ursächliche Therapie, wir können nur symptomatisch therapieren oder vorbeugen, deshalb hat die Impfung diesen großen Stellen­wert. Durch die Impfprophylaxe kann ich außerdem bei der Antibiotikagabe sparen, was natürlich auch sehr wichtig ist.

Gibt es verschiedene Impfungen gegen Rindergrippe?
Ja. Rindergrippe ist ein Symptomenkomplex, der von unterschiedlichen Erregern hervorgerufen wird. Enzootische Bronchopneumonie ist aber auch eine Faktorenkrankheit, die durch Stressoren wie Transporte, das Stallklima oder das Außenklima begünstigt werden kann.

In der Prävention haben wir zwei ­große Gruppen von ­Impfstoffen: Zum einen gibt es intranasale Lebend­vakzine, die eine ­kurzfristige Immunität hervorrufen und sehr rasch, aber ­kürzer wirken. Die Immunabwehr bei diesen Impfstoffen tritt schon nach wenigen Tagen ein und hält circa drei Monate an.

Die zweite Variante ist eine intramuskuläre Impfung, bei der man zwei Impfungen zur Grundimmunisierung braucht. Der Immunschutz ist dann für circa sechs Monate gegeben. Für beide Gruppen von Impfstoffen gibt es Produkte von verschiedenen Herstellern. Die Produkte enthalten unterschiedliche Antigene und helfen damit auch gegen unterschiedliche Erreger.

Wie weiß man, welches Produkt man verwenden soll? Werden die Rinder vorher untersucht, um festzustellen, welche Erreger vorhanden sind?
Bei einem Problembestand ist es sinnvoll, zunächst die Tiere, die eine Infektion durchgemacht haben, serologisch zu untersuchen. Durch die Blutuntersuchung kann man erkennen, wogegen die Tiere Antikörper gebildet ­haben. Die häufigsten Erreger sind BRSV, Parainfluenza 3, Mannheimia haemolytica und Mycoplasma bovis. Wenn man die Erreger festgestellt hat, kann man dann den passenden Impfstoff aussuchen. Ein zunehmendes Problem im Bereich der respiratorischen Erkrankungen stellt der Erreger Mycoplasma bovis dar. Gegen diese Bakterien gibt es ­keine Standardimpfung. Wir gehen bei einer Infektion mit diesem Erreger so vor, dass wir ihn über eine Proben­entnahme isolieren lassen. Das machen wir in Kooperation mit Dr. Spergser von der Vetmeduni Vienna. Die Vetmed züchtet die Erreger auf einem Nährboden an, und diese Isolate lassen wir dann von einem Labor in Wien zu einem Impfstoff verarbeiten. Diese stallspezifischen Impfstoffe wirken sehr gut.

Welche Faktoren führen zu einem Problembestand mit Rindergrippe?
Es gibt Betriebe, in denen es immer wieder zu respiratorischen Erkrankungen bei Rindern kommt, unabhängig davon, ob Kälber zugekauft werden oder nicht. Die Pro­bleme können auch beispielsweise in einem geschlossenen Milchviehbetrieb aufkommen. Es gibt erreger- und umweltbedingte Ursachen, die für den Ausbruch einer enzootischen Bronchopneumonie verantwortlich sein können.

Wenn ein Kalb eine schwere respiratorische Erkrankung durchgemacht hat, ist es später nicht so leistungsbereit.
Die Lunge des Rindes ist im Verhältnis zur Größe des Tieres ein kleines Organ, Schäden darin sind leistungsmindernd. Die schweren Infektionen, die wir in den Betrieben sehen, mit heftigen eitrigen Nasenausflüssen, haben oft primäre Ursachen wie eine Virusinfektion. Es kann aber auch eine hohe Ammoniakbelastung im Stall der Auslöser sein.

Grundsätzlich gibt es in jedem Stall pathogene Bakterien, aber aufgrund von Abwehrmechanismen können sich gesunde Tiere selbst schützen. Eine hohe Ammoniak­­belastung kann die Körperabwehr allerdings schädigen, Bakterien können dann zu schweren Lungenentzündungen führen. Oft ist die Hauptursache einer respiratorischen Erkrankung im schlechten Stallmanagement zu finden, die Besiedelung durch Bakterien kommt häufig erst danach.

Sie haben von intranasalen und intramuskulären Impfstoffen gesprochen. Welchen verwendet
man wann?

Die schnell wirkende intranasale Impfung wird am ­ehesten dort angewendet, wo ich einen raschen Schutz brauche, also beispielsweise bei Zukaufsbetrieben. Wenn ein Rinder­mastbetrieb 20 bis 50 Kälber von verschiedenen Züchtern zukauft und dann alle zusammengesperrt werden, bringen diese unterschiedliche Erreger mit. Um diese Tiere vor BRSV zu schützen, ist die intranasale Impfung die beste Lösung, weil sie einen raschen Schutz bietet.

Falls ein Tier den Erreger mitbringt, kann er durch die Impfung nicht zirkulieren. In Mastbetrieben, in denen die Tiere länger bleiben, beginnt man nach der Eingewöhnungs­phase von circa zwei bis drei Wochen mit der aktiven Immunisierung, die in zwei Teilen erfolgt. Bei reinen Kälbermast­betrieben, in denen die Tiere nach drei Monaten geschlachtet werden, kommt man mit der intranasalen Vakzine aus. In Zuchtbetrieben soll oft im Herbst die ganze Herde geschützt werden. Da wendet man die intramuskuläre Impfung an, damit die Tiere auch über den Winter gesund bleiben. Auch bei Kälbern ist je nach Impfstoff bereits ab einem Alter von zehn bis 14 Tagen eine aktive Immunisierung in zwei Teilen möglich.

Verhindert die Impfung eine enzootische Bronchopneumonie bei Rindern komplett?
Nein, weil sie verschiedene Ursachen haben kann. Wenn die Rindergrippe durch Faktoren wie Stress oder mangelhaftes Stallmanagement mitverursacht wird, wird die Impfung nicht helfen. Deshalb muss der Ansatz zur Prävention oder Therapie der Rindergrippe ganzheitlich sein. Man muss die Managementfaktoren in die Behandlung miteinbeziehen, wie etwa die Lüftung oder auch die Belegdichte im Stall. Dabei geht es nicht nur um die Fläche pro Tier, sondern um das Stallvolumen pro Tier. Ein einziges Kalb braucht ein Volumen von rund 20 m³ Luft, das viermal pro Stunde ausgetauscht werden muss. Bei niedrigen Stallungen kann das kaum gewährleistet werden. Manche Landwirte bauen dann ein Gebläse ein; das macht aber Zugluft und tut besonders Kälbern nicht gut. Man muss sich das im Einzelfall genau anschauen und die Umweltbedingungen in die Therapie einbauen.

Kommt es bei Rindergrippe immer zu einer Lungenentzündung?
Nicht unbedingt – das Tier kann zu Beginn auch an  einer Bronchitis oder Rhinitis erkrankt sein, die tieferen Lungenareale sind oft erst durch Sekundärinfektionen betroffen. Bei rechtzeitiger Therapie kann man Pneumonien verhindern.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Impfung?
Wenn Tiere zugekauft werden, sollten sie gleich eine Intra-nasalimpfung bekommen. Ich empfehle, nicht abzuwarten, denn dann besteht die Gefahr, dass eine respiratorische Erkrankung ausbricht. Wenn Tiere aus Zukäufen zusammengesperrt werden, kann man das Immunsystem zusätzlich zur Impfung mit Selen oder Vitamin E unterstützen. Dadurch wirkt die Impfung auch noch besser. Die erste Grippephase ist schon Ende September/Anfang Oktober. Daher ist es sinnvoll, für die Winterperiode ein betriebsindividuelles Impfschema auszuarbeiten, das die Gegebenheiten berücksichtigt. Wenn man die Tiere über die Winterperiode schützen möchte, muss man beispielsweise schon Mitte August mit dem ersten Teil der intramuskulären Impfung beginnen, um einen optimalen Impfschutz aufzubauen.

Wann darf man nicht impfen?
Bei akutem Infektionsgeschehen, also wenn es einen Rindergrippeausbruch im Betrieb gibt. Geschwächte oder erkrankte Tiere darf man natürlich auch nicht impfen.

Warum wirkt die Impfung manchmal nicht?
Das kommt dann vor, wenn die Managementfaktoren nicht passen. Die Impfungen gegen Rindergrippe helfen auch nicht gegen grippale Infekte, das ist so wie in der Humanmedizin. Auch wenn gegen andere Erreger als jene geimpft wurde, die für einen Ausbruch sorgen, ist die Impfung wirkungslos. Mit einer serologischen Untersuchung zur Bestimmung der Erreger ist man da auf der sicheren Seite. Aber auch ein schlechtes Impfstoffmanagement durch den Tierarzt kann dazu führen, dass die Impfung nicht wirkt. Um das zu vermeiden, ist es äußerst wichtig, die Kühlkette stets einzuhalten und sauber zu arbeiten. Angebrochene Impfstoffdosen sollte man nicht lagern und später verwenden. Wenn man nur Einzeltiere impft, sollte man mit kleineren Gebinden arbeiten, dann bleiben keine Restbestände.

Gibt es häufig Nebenwirkungen?
Schwerwiegende Nebenwirkungen hatten wir noch nie. Bei der intranasalen Impfung kann es zu Impfreaktionen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Trink- oder Fressunlust kommen, weil eine Impfung mit Lebendvirus den Körper der Tiere fordert. Bei der intramuskulären Impfung kommt es kaum zu Nebenwirkungen, und wenn, dann sind sie weniger stark. Der Nutzen der Impfung steht jedenfalls weit über den Nebenwirkungen.