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Kottransplantation bei Darmerkrankungen

Bettina Kristof

Darmerkrankungen sind ein Übel, an dem viele Hunde und Katzen leiden. Der Einsatz von Kottransplantationen bei schweren Darmerkrankungen hat sich als wichtige Begleit­therapie erwiesen – darüber sprachen wir mit Dr. Kathrin Busch, Oberärztin an der Kleintierklinik an der LMU in München.

Durchfall ist einer der häufigsten Vorstellungsgründe in der Kleintierpraxis. Akuter Durchfall kann viele Ursachen haben – er kann durch krank machende Keime oder ­Toxine aus verdorbenen Lebensmitteln, die beim Spaziergang aufgenommen wurden, durch verschmutztes Wasser oder auch durch den Kontakt mit tierischen oder menschlichen Exkrementen bedingt sein. Bei chronischem Durchfall handelt es sich häufig um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem die Gene, die Umwelt, Futtermittel und das intestinale Mikrobiom eine wichtige Rolle spielen. An der Medizinischen Kleintierklinik der LMU in München wurde eine Spezialsprechstunde zum Thema „Darmgesundheit für Hunde und Katzen“ ins Leben gerufen. Ziel dieser Spezialsprechstunde ist es, auch schwer behandelbaren Tieren durch einen ganzheitlichen und multifaktoriellen Therapieansatz zu helfen. Neben der maßgebenden Ernährungsberatung hat sich der Einsatz von Kottransplantationen bei schweren Darmerkrankungen als wichtige Begleittherapie erwiesen. Über dieses spannende Thema sprachen wir mit Dr. Kathrin Busch, Oberärztin an der Kleintierklinik der LMU in ­München mit Fachrichtung Gastroenterologie.
 
Frau Doktorin Busch, was war der Anlass, die Spezial­sprechstunde zum Thema „Darmgesundheit für Hunde und Katzen“ zu gründen?
Wir hier an der Uniklinik haben uns im Rahmen der Gastro­enterologiesprechstunde auf Darmerkrankungen spezialisiert. Wir verstehen uns als Unterstützung für die Tierärzte in der Praxis. Chronische Darmpatienten sind meist aufwendig und langwierig in der Behandlung, und das ist in der Privatpraxis häufig schwer managebar. Die Tiere benötigen eine lange Nachbetreuung, ­Umstellungen von Therapien, und es kommt auch immer wieder zu Rückfällen. Ebenso gibt es leider auch Patienten, die trotz aller Behandlungsversuche nicht auf die Therapie ansprechen, wodurch ein enormer Zeitaufwand nötig ist. Dann sind wir Anlaufstelle und unterstützen die Tierärzte gerne bei ihrer Arbeit.

Wird die Sprechstunde von den Tierhaltern gut angenommen?
Ja, sehr gut, wir sind sehr glücklich darüber. Wir sind ­häufig für lange Zeit im Voraus ausgebucht und haben ein ­gutes Feedback von den Tierhaltern. Wir planen daher, die Sprechstunde langfristig zu erhalten. Derzeit bieten wir unsere Dienste an zwei Tagen die Woche von 9 bis 17 Uhr an. Eine gründliche Aufarbeitung eines neuen ­Patienten dauert ungefähr zwei Stunden, diese Zeit sollten die Tierhalter einplanen. Wir nehmen uns viel Zeit für die Anamnese und die klinische Untersuchung und ­evaluieren die bereits erhobenen Befunde. Meist folgen daraufhin weiterführende Untersuchungen wie beispielsweise Ultra­schall, Endoskopien oder spezielle Blutuntersuchungen.

Sie sprechen von einem multifaktoriellen Therapie­ansatz bei Tieren, die schwer zu behandeln sind. Wie sieht dieser aus?
Grundsätzlich bieten wir evidenzbasierte Schulmedizin an. Die Anamnese und die klinische Symptomatik sind uns dabei sehr wichtig. Die Therapie des einzelnen Tiers erfolgt dann individuell und hängt auch davon ab, welche Behandlungen davor gemacht wurden. Eine bedeutende Rolle bei Darmproblemen spielt die Ernährung, daher ist unsere erste Therapiemaßnahme meist eine Diätumstellung, gegebenenfalls in Zusammenhang mit der Gabe von Prä- und Probiotika. Häufig stellt sich dabei schon eine ­erste Verbesserung ein. Bei ausbleibender oder unzureichender Verbesserung folgen dann eine immunsuppressive/modulierende Therapie oder in Ausnahmefällen auch mal Antibiotika. Seit zwei Jahren bieten wir Kottransplantationen (FMT, Anm.) an. Wir versuchen, aus den verschiedenen Therapieoptionen für jeden Patienten die individuell beste Kombination zusammenzustellen.

Wie kam es dazu, dass Sie Kottransplantationen durchführen?
Wir haben vor vier Jahren mit einer Pilotstudie ­begonnen und bieten die FMTs seit zwei Jahren in unserer Gastro­sprechstunde an. Es handelt sich hierbei um eine zwar schon sehr lang bekannte, aber noch recht wenig ­erforschte Therapiemaßnahme, weswegen wir durch Studien unser Wissen stetig erweitern und uns auch international mit ­anderen WissenschaftlerInnen austauschen. Aktuell ­arbeiten wir mit mehreren TierärztInnen weltweit an der Erstellung von Guidelines für Kottransplantationen bei Hunden und Katzen.  

Bei welchen Tieren respektive welcher Form der Erkrankung ziehen Sie eine Kottransplantation in Erwägung?
Aktuell führen wir FMTs bei chronischen und akuten Darmerkrankungen durch. In Zukunft werden wir ­diese Therapie hoffentlich auch erfolgreich bei ­extraintestinalen Erkrankungen einsetzen. Die bisherigen Daten zum Einsatz von FMTs bei Hunden und Katzen sind spärlich, jedoch teilweise recht überzeugend. Eine Studie bei Parvo­virose-Welpen hat beispielsweise ergeben, dass diese nach einer Kottransplantation schneller aus der Klinik entlassen werden können. In der Humanmedizin werden Kottransplantationen bei Patienten mit einer Clostridium-difficile-­Infektion empfohlen, was uns auf die Idee gebracht hat, FMT bei Hunden mit akutem hämorrhagischem Diarrhösyndrom einzusetzen. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Überwucherung von Clostridium perfringens, welche hoffentlich durch die FMT verdrängt werden können, wodurch wir somit eine schnellere Normalisierung der Kotkonsistenz erreichen können. Wir schätzen, dass wir die Ergebnisse der Studie noch dieses Jahr präsentieren können. Wir setzen Kottransplantationen auch bei chronischem Durchfall ein. Der Gedanke kommt aus der Human­medizin, wo diese Behandlung auch bei Morbus Crohn angewendet wird. In der Tiermedizin gibt es ebenfalls noch nicht viele Studien, aber erste vielversprechende Daten. Bei einer Studie aus Schweden konnte bei 75 Prozent der Patienten eine klinische Verbesserung festgestellt ­werden. Einschränkend muss man jedoch dazusagen, dass die Krankheit durch eine Kottransplantation meist nicht vollständig geheilt wird, sondern die klinische Symptomatik nach einer gewissen Zeit zurückkommt. Ebenso verhält es sich mit dem intestinalen Mikrobiom, welches dazu tendiert, zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Unser Ziel für die nächsten Jahre ist es, zu ergründen, welche Patienten am ehesten von einer Kottransplantation profitieren – und wie man diese praktikabel als Langzeittherapie einsetzen kann.

Das Thema Darmmikrobiom ist ja derzeit in aller Munde. Forschen Sie auch daran?
Die Forschung hat gezeigt, dass dieses Ökosystem im Darm Auswirkungen auf den ganzen Körper haben kann. Schon Hippokrates hat ja gesagt: „Alle Erkrankungen ­beginnen im Darm“ – in den letzten Jahren haben wir ­immer mehr festgestellt, was für einen fantastischen Riecher dieser kluge Mann vor bereits knapp 2.500 Jahren hatte. Die moderne Forschung stellt verstärkt fest, dass das ­intestinale Mikrobiom mit verschiedenen Organen im Austausch steht. Metaboliten der Darmbakterien und vielleicht sogar die Bakterien selbst können mit anderen Organsystemen kommunizieren und diese beeinflussen. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Gut-Brain-Axis, aber auch andere Verbindungen wie zum Beispiel zum Immunsystem, zur Leber oder zur Lunge sind bereits bekannt. In Kooperation mit anderen Universitäten haben wir auch hier begonnen, ein wenig mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Leider stehen wir bei der Erforschung dieses komplexen Ökosystems immer noch am Anfang.

Welche neuen Erkenntnisse haben Sie durch die Forschung schon gewonnen?
Durch das bessere Verständnis des intestinalen ­Mikrobioms haben wir die Chance, Medikamente und Therapien gezielter einzusetzen. So kommt man etwa immer mehr weg vom Antibiotikaeinsatz bei chronischen Darmerkrankungen und versucht, unsere Bakterienfreunde durch Pro- und Präbiotika oder eben FMTs positiv zu beeinflussen, anstatt sie kleinzuhalten – eine wertvolle Erkenntnis, nicht nur für den Patienten, sondern auch für die allgemeine Medizin, in der Antibiotikaresistenzen immer mehr zu einem Problem werden.

Braucht man für jeden Hund einen bestimmten Kotspender?
Das wissen wir noch nicht. Wir versuchen jedoch, nach jetzigem Wissensstand einen möglichst guten Spender zu finden. Aktuell besteht unsere Spenderkartei aus gesunden Mitarbeiterhunden, da die Auswahlkriterien sehr streng sind und der Kot frisch verarbeitet werden muss. Ein Spender darf beispielsweise keine Medikamente nehmen, keine gastrointestinalen Probleme haben, sollte weder über- noch untergewichtig sein und normales Verhalten zeigen. Der Kot wird ebenso gründlich untersucht wie der ­Spender und darf keine pathogenen Keime und keine Parasiten aufweisen. Zusätzlich bestimmen wir den Dysbiose-Index, die Bakterienvielfalt und die absolute Anzahl der positiven Bakterienstämme

Das Darmmikrobiom ist ja individuell. Nimmt man da eher einen Spender mit einem ähnlichen Mikrobiom oder mit einem anderen, das ergänzend wirkt?
Der erkrankte Hund hat ein verändertes Mikrobiom, dem wollen wir nicht nachstreben. Also suchen wir nach einem Mikrobiom, das wir aktuell als gesund definieren. Wir denken, dass ein gutes intestinales Mikrobiom vielfältig und stabil sein soll und eine hohe Anzahl bestimmter Bakterienstämme aufweisen sollte. Leider gibt es keinen Bauplan für ein gutes Mikrobiom, da es nicht nur äußerst komplex, sondern eben auch sehr individuell ist. Wenn wir im Moment das intestinale Mikrobiom evaluieren, ­beschränken wir uns auf die wichtigsten Stämme. Die Gesamtheit des Mikrobioms bei jedem einzelnen ­Patienten zu erfassen ist leider sehr aufwendig und kostspielig und aktuell nur für die Forschung möglich. Theoretisch ist auch der gesunde Geschwisterhund als Spender ge­eignet, wenn er die Kriterien erfüllt, was jedoch tatsächlich gar nicht so leicht ist. Für unsere Spenderkartei nehmen wir allerdings nur ganz gezielt Hunde auf, die regelmäßig kontrolliert werden.

Wie läuft die Kottransplantation ab?
Wir nehmen frischen oder eingefrorenen Kot, dieser wird mit Kochsalzlösung vermengt und homogenisiert. Zur Verabreichung wird die Suspension körperwarm angewärmt und dann mit einer Spritze über eine Sonde rektal ein­gegeben. Das Tier braucht keine Narkose, da die Behandlung von Hund und Katze meist sehr gut toleriert wird. Alle Patienten bisher waren kooperativ und entspannt.
 
Bekommen Sie viele Überweisungen von praktischen Tierärzten?
Wir bekommen Patienten von Tierärzten überwiesen, auch aus Österreich und anderen Ländern. Wir sehen uns genau an, was bisher gemacht wurde, und führen dann nach Bedarf ergänzend eine Kottransplantation durch.

Machen Sie auch Fortbildungen?
Ja, recht zahlreich in Deutschland, aber auch in Österreich.


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