Impfen von kleinen Wiederkäuern

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Lisa Reichenauer

Die Impfung von kleinen Wiederkäuern und Kameliden ist ein wichtiger Bestandteil der Tiergesundheit und hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Neue wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Impfung von kleinen Wiederkäuern und Kameliden nicht nur zur Verhinderung von Krankheiten beitragen kann, sondern auch die Ausbreitung von Erkrankungen innerhalb eines Herdenverbands verhindert. Eine 2021 im „Journal of Veterinary Medicine“ veröffentlichte Studie untersuchte etwa den Schutz von Schafen und Ziegen ­gegen Chlamydophila abortus, den Erreger des Schaf- und Ziegenaborts. Die wissenschaftliche Untersuchung zeigte, dass eine Impfung gegen dieses gefährliche intrazelluläre Bakterium bei Schafen und Ziegen die Übertragung des Erregers deutlich reduzierte und damit den Schutz der Tiere erhöhte.

Gesetzliche Verordnungen und ­Impf-Empfehlungen wie die europäische Tierarzneimittelverordnung, kurz EU-TAM, oder die Impf-Leitlinien der Ständigen Impfkommission für Veterinärmedizin („StIKo Vet“) am ­Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, sind deshalb ein notwendiges Mittel und tragen aktiv zur Prävention von Tierkrankheiten bei.

Impf-Leitlinie mit Ampelsystem

Angelehnt an das Konzept der Core- und Non-Core-Im­pfungen, das bei Kleintieren schon lange angewendet wird, enthält die Impf-Leitlinie der StIKo Vet ein Ampelsystem. Drei grüne Punkte entsprechen den Core-Im­pfungen, das heißt, jedes Tier sollte zu jeder Zeit gegen diese Erkrankung geschützt sein – bei kleinen Wieder­käuern gilt dies beispielsweise für Clostridiosen. Zwei grüne Punkte ­stehen für Impfungen, die dann wichtig sind, wenn der Erreger in der Region oder im Bestand ein Problem darstellt;

Beispiele dafür sind die Chlamydiose, die Moder­hinke oder auch Pasteurellosen. Ein Punkt steht für Indikationen, die in speziellen Fällen eine Rolle spielen, hier werden z. B. Euterentzündungen oder auch der ­Salmonellenabort genannt. Gelbe und rote Punkte bezeichnen Impfungen, für die spezielle behördliche Vorgaben beachtet werden ­müssen. Ergänzt werden die allgemeinen ­Impf-Empfehlungen durch Fachinformationen zu den ­jeweiligen Erregern und zugelassenen Impfstoffen.

Zwar gibt es bereits eine Reihe an behördlichen Impf-Empfehlungen, dennoch hinkt die Impfstoffentwicklung bei einigen Krankheiten von Schafen und Ziegen noch hinterher. Ein Beispiel hierfür ist etwa die zoonotische Infektion Coxiellose, verursacht durch Coxiella burnetii. Der Erreger infiziert Wiederkäuer und löst bei Menschen das sogenannte Q-Fieber aus. Obwohl die Krankheit ­bereits vor mehr als 80 Jahren in Australien entdeckt ­wurde, gibt es bis heute keinen eigens zuge­lassenen Impfstoff für Schafe gegen die bakterielle Infektion. Zwar kommt im europäischen Raum zur prophylaktischen Immunisierung ein Impfstoff, der inaktivierte (abgetötete) Coxiella-burnetii-Bakterien enthält, zum Einsatz, gesetzlich ist das Vakzin allerdings nur für Kühe und Ziegen zugelassen und darf nur per Umwidmung tierartüber­greifend angewendet werden. „Die Ständige Impf­kommission Veterinärmedizin in Deutschland vertritt schon sehr lange die Ansicht, dass man den Impfstoff auch bei Schafen einsetzen kann, dies war aber vor der EU-TAM-Verordnung immer ein rechtlicher Drahtseilakt und ist jetzt sehr klar in den Umwidmungsartikeln der EU-TAM geregelt. ­Daher ist es nun auch rechtlich möglich, den Impfstoff auch bei Schafen einzusetzen“, kommentiert Dr. Max Bastian, ­Leiter der Geschäftsstelle der StIKo Vet.

Warum der Impfstoff aber letztlich nach wie vor nicht offi­ziell für Schafe zugelassen wird, ist auch für Dr. Bastian nicht wirklich nachvollziehbar. Die Haltungszahlen und Krankenstatistiken würden laut dem deutschen ­Veterinär eher für eine Zulassung bei Schafen als bei ­Ziegen sprechen. In Österreich wurden laut Statistik Austria etwa im Jahr 2022 insgesamt 400.700 Schafe und 99.000 Ziegen gehalten, Tendenz sinkend. Auch hierzulande wird derzeit der besagte Impfstoff zulassungsübergreifend eingesetzt.

Das Risiko für unerwartete Komplikationen nach Ver­impfen des Impfstoffs an Schafe ist laut Dr. Bastian aber überschaubar, da es mittlerweile viel Erfahrung mit dem Impfstoff bei Schafen gebe. Anders verhält es sich bei anderen Impfstoffen, die erstmalig tierartübergreifend eingesetzt werden, warnt der Fachtierarzt für Mikrobiologie: „Je nach Einzelfall können zum Beispiel Lebendimpfstoffe bei der Nicht-Zieltierart Impfkrankheiten auslösen, und auch bei Inaktivat-Impfstoffen kann es zu Unverträglichkeits­reaktionen kommen, wenn beispielsweise die Nicht-Zieltierart anders auf den Wirkverstärker reagiert. Daher raten wir, sich an Empfehlungen und wissenschaftliche Belege von Fachgremien zu halten, die eine Umwidmung des Impfstoffs erlauben.“ Kommt es trotz zulassungsübergreifender Empfehlung zu Nebenwirkungen, sind laut Dr. Bastian zunächst die Tierärzt*innen in der Verantwortung. Zwar erlaubt die EU-TAM-Verordnung die „selbstständige“ Umwidmung von Tierarzneimitteln, es wird allerdings auch explizit auf Eigenverantwortung der behandelnden ­Tierärzt*innen hingewiesen. Wichtig ist es laut Dr. Bastian daher, die Umwidmung nur in gut begründeten Fällen – zum Beispiel auf Basis von wissenschaftlichen ­Empfehlungen – vorzunehmen sowie die Tierhalter*innen im Vorfeld über den zulassungsübergreifenden Einsatz aufzuklären und dies in der Patientenakte zu vermerken. Aus Sicht der StIKo Vet ist man damit rechtlich schon relativ gut abgesichert.

Zudem will man bis ins Frühjahr 2024 die Impfleit­linie der StIKo Vet, die zuletzt 2022 ­aktualisiert wurde, auf den neuesten Stand bringen. Weitere Erkrankungen, für die es im Moment keine zugelassenen Impfstoffe in Deutschland und Österreich gibt, sind Paratuberkulose, verursacht durch Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis, und Pseudotuberkulose, verursacht durch Corynebacterium pseudotuberculosis. Bei Paratuberkulose ist laut Dr. Bastian aber zumindest ein spanischer Impfstoff für eine Um­widmung gemäß EU-TAM-Verordnung vorstellbar; gegen die Pseudotuberkulose stehe derzeit europaweit jedoch kein Impfstoff zur Verfügung. Zudem müssten künftig auch Endoparasiten aufgrund der sich rapide verschlechternden Resistenzlage sowie Krankheitserreger aus exotischen Ländern verstärkt beobachtet werden – „denn Erreger aus ferneren Ländern könnten schnell bei uns auftauchen, wie es etwa beim BTV-Virus (Blauzungen­krankheit, Anm.) der Fall war“, erklärt Dr. Bastian.

Hierzulande keine Impf-Empfehlung

In Österreich gibt es derzeit keine allgemeinen Impf-­Empfehlungen im Bereich der kleinen Wiederkäuer und Kameliden; Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit und Clostridien-Infektionen sind jedoch ­ratsam. Für Kameliden empfiehlt sich eine Impfung gegen ­Krank­heiten wie Leptospirose, Clostridien-Infektionen und Tollwut.

Zudem dienen die EU-TAM-Verordnung sowie die ­Em­pfehlungen der StIKo Vet in Deutschland, die sich auf wissenschaftliche Publikationen von unterschiedlichen Fachgesellschaften stützen, als wichtige Orientierungs­hilfe. Auch die Online-Datenbank der EU-weiten Tier­arznei­mittelverordnung zur Einmeldung von Impfnebenwirkungen ist laut Dr. Bastian ein guter Anhaltspunkt für Tierärzt*innen.

Neben der Impfung gibt es aber auch weitere Maßnahmen, die zur Vorbeugung von Krankheiten beitragen können. Dazu gehören etwa eine gute Hygiene, eine angemessene Ernährung sowie Haltung und regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen der Tiere. ­Tierärzt*innen und Tier­halter*innen sollten sich über die neuesten Em­pfehlungen und Erkenntnisse zur Impfung von kleinen Wiederkäuern und Kameliden informieren und sicherstellen, dass ihre Tiere regelmäßig geimpft werden, um die Gesundheit und das Wohlbefinden derselben zu gewährleisten.


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