Huhn

mit Hirn

Tierärztin Tanja Warter

Wir wissen, dass Hühner durchaus schlau sind – aber neue Forschungsergebnisse zeigen nun: Der Spruch vom „dummen Huhn“ ist absolut ungerechtfertigt.

Als Haustiere für den Garten werden Hühner immer beliebter – ein nachvollziehbarer Trend, denn Hühner vereinen viele interessante Eigenschaften: Sie legen Eier, sind unterhaltsam und interessant zu beobachten. Es gibt schüchterne und wagemutige Hühner, ruhige und solche, die permanent den Schnabel offen haben, neugierige und anhängliche Hühner und manche, die dem Menschen sogar auf den Schoß flattern und gestreichelt werden wollen. Der Trend zum Schmusehuhn ist auch in der tierärztlichen Praxis zu spüren – aber Hühner haben auch Köpfchen, weiß die österreichische Verhaltens­biologin Claudia Wascher, Associate Professor an der Anglia Ruskin University in Cambridge, Großbritannien.

Bislang war Ihr Name in der Forschung mit Krähen und Gänsen verknüpft. Wie sind Sie denn nun aufs Huhn gekommen?
Mir geht es in meiner Arbeit immer um Sozialverhalten und Kognition oder um Sozialverhalten und Physiologie. Um ehrlich zu sein, bin ich grundsätzlich an spannenden Fragestellungen interessiert und nicht an speziellen Tierarten – aber während meiner Zeit in Grünau im Almtal hatten wir auch ein handaufgezogenes Huhn; ich dachte schon damals, dass Untersuchungen mit diesen Tieren hochinteressant wären. Und nun kam hier in England eine meiner Studentinnen mit der Idee, über Kognition bei Hühnern arbeiten zu wollen. Sie hatte Kontakt zu einer Farm mit perfekten Voraussetzungen. Da haben wir nicht lang gefackelt.

Wollten Sie womöglich auch eine Lanze für die Hühner brechen?
(lacht) Na ja, wenn man von der Arbeit mit Krähen ­erzählt, dann werden die Leute immer gleich aufmerksam, weil viele wissen, dass diese Tiere sehr clever sind, das macht einfach Eindruck. Hingegen hört man den Spruch von den „dummen Hühnern“ auch heutzutage noch regelmäßig. Aber ich bin überzeugt, dass Hühner unterschätzt werden. Darum war es mir wirklich ein Anliegen, die ­Forschung in diesem Bereich voranzubringen.

Ganz konkret: Wie lief die Arbeit mit den Hühnern ab?
Wir haben uns für ein Lernexperiment entschieden, bei dem Hühner einen Umkehrschluss ziehen müssen. Die Tiere bekamen zwei Futterbecher vorgesetzt – einer mit orangem, einer mit blauem Papier abgedeckt. Die ­Hälfte der Hühner fand im blauen Becher eine Belohnung, die andere Hälfte im orangen Becher. Sobald den Tieren das klar war, tauschten wir die Farben um. Plötzlich kam die Belohnung mit der anderen Farbe daher. Das Tempo, mit dem die Hühner umlernen, gibt einen Hinweis auf ihre Flexibilität beim Lernen. Da dieses Experiment sehr ­etabliert ist und schon mit vielen Tierarten gemacht ­wurde, eignet es sich gut für anschließende Vergleiche.    

Und, haben die Hühner das kapiert?
Absolut. Wir haben genau dasselbe Experiment auch mit Rabenkrähen gemacht. Fazit: In diesem Lernexperiment gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Hühnern und den Krähen. Auf Gruppenniveau lernen beide Tierarten gleich schnell. Dabei ist übrigens ­auf­gefallen, dass es sowohl bei den Krähen als auch bei den Hühnern starke individuelle Unterschiede gibt: Wir haben Indi­viduen entdeckt, die den Versuch in nur drei Sitzungen mit je zehn Durchgängen geschnallt haben, andere Tiere schafften es auch nach 150 Anläufen nicht.

Was könnten die Gründe dafür sein?
Da kommt viel in Betracht. Diese Tiere könnten frus­triert sein, sehr nervös und aufgeregt, oder sie könnten generell weniger ­experimentierfreudige Individuen sein. Man kann jedenfalls nicht pauschal daraus schlussfolgern, dass sie weniger intelligent sind. Das bezieht sich übrigens auch auf die Arten: Wir haben in unserem Feld immer Modelltiere, an denen wir ganz viel forschen. Hunde zum Beispiel oder Rabenvögel – es ist leicht, zu sagen, dass Krähen intelligent sind, weil sie etwas Bestimmtes können, aber wir haben nicht gezeigt, dass andere Tierarten das nicht können. Ich glaube, wir brauchen einfach viel mehr Forschung. Darum war ich bei unserem Lernexperiment ­optimistisch, dass die Hühner auch gut abschneiden würden.

Wie bringt man Tieren bei, bei den Experimenten mitzumachen?
Ob man das mag oder nicht, man braucht im Vorfeld viele kleine Trainingsschritte, damit man den Versuch überhaupt durchführen kann. Manchmal kommt man erst in diesem Zusammenhang drauf, dass der Versuch nichts wird. Einmal haben wir Pferden die Wahl gelassen, sich für ein einzelnes Leckerli oder einen ganzen Berg zu entscheiden. Damit sind wir komplett gescheitert. Die Pferde haben nie gezielt die große Portion gewählt. So etwas kann passieren, aber mit den Hühnern hatten wir Glück. Die wussten schnell, worum es ging, und hatten wirklich Bock darauf, Farben und Futter zuzuordnen.

Können auch Hühnerbesitzer selbst Tricks mit den Tieren einüben?
Zuerst ist die Vertrauensbasis ganz wichtig, denn auch zutrauliche Tiere werden skeptisch, wenn Menschen etwas von ihnen wollen und sich anders verhalten. Aber wenn diese Grundlage passt, ist meine Erfahrung, dass sich ein Huhn sogar viel leichter trainieren lässt als beispielsweise eine Katze. Klar, das Huhn braucht auch gute Voraussetzungen; wenn es in seinem Leben schon schlechte Erfahrungen gemacht hat, wird es Menschen gegenüber weniger offen sein. Das ist ja im Grunde bei allen Tieren so.

Wäre es Ihr Ziel, in Zukunft nicht nur zwischen den Arten, sondern innerhalb einer Art die „Einsteins“ zu identifizieren?
Auf jeden Fall! Aber es ist schwierig, denn man muss ja etwas Greifbares zum Vergleichen haben, da eben Faktoren wie Nervosität oder Persönlichkeit eine Rolle spielen, oder auch die Motivation. Manche haben einfach keine Lust, aber es ist bei den Experimenten absolut essenziell, dass die Tiere motiviert sind. Das alles möchten wir uns in Zukunft noch näher anschauen.

 


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