Aktueller Stand zur praxistauglichen Geschlechtsbestimmung

bei Haushühnern im bebrüteten Hühnerei

Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns
Direktorin der Klinik für Vögel und Reptilien, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig

Legehennenvermehrung: Die routinemäßige Tötung männlicher Eintagsküken ist höchst umstritten. Praxistaugliche Methoden für die Geschlechtsdiagnose werden derzeit erforscht.

Einleitung

Die routinemäßige Tötung männlicher Eintagsküken im Rahmen der Legehennenvermehrung besitzt hohe ethische, tierschutzrechtliche und gesellschaftspolitische Tragweite. Praxistaugliche Alternativen zur gängigen Vorgehensweise können einen wichtigen Beitrag zum Tierwohl in der Legehennenvermehrung leisten. Auf internationaler ­Ebene könnte die Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens künftig zur Vermeidung der Tötung von männlichen Legehybriden beitragen, deren weibliche Geschwister einen Weltbedarf von etwa 760.000.000.000 Eiern pro Jahr produzieren (Stand 2018).

Innerhalb des Wirtschaftsgeflügels nimmt das Haushuhn sowohl als Eierproduzent als auch als Fleischlieferant eine herausragende Position ein. Eine hohe negative Korrelation zwischen Legeleistung und Mastleistung verhindert allerdings die gleichzeitige Optimierung beider Nutzungseigenschaften. So entstanden im Laufe der Zeit durch Züchtung spezialisierte Linien von Wirtschaftshühnern, die entweder eine ökonomische Produktion von qualitativ hochwertigen Eiern ermöglichen oder aber sich für eine effiziente Fleischproduktion eignen. Während die Hennen der Mastlinien ebenfalls gemästet werden, können Hähne aus Legelinien gegenwärtig jedoch nur in sehr geringem Umfang wirtschaftlich aufgezogen und vermarktet werden. Die Aufzucht der männlichen Nachkommen ist unter anderem mit einer längeren Mastdauer, einer he­rab­gesetzten Mastleistung und einem geringeren Anteil an dem bei Verbrauchern besonders beliebten Brustmuskelfleisch verbunden (König et al., 2010, 2012 a/b). Alternativ wird durch Kreuzung von Mast- und Legelinien die Zucht sogenannter „Zweinutzungshühner“ als Kompromisslösung bei zweifachem Fokus auf Fleischansatz und Legeleistung verfolgt. Solche auch bereits kommerziell erhältlichen Zuchtlinien – z. B. „Lohmann Dual“ – weisen allerdings zurzeit noch deutlich geringere wirtschaftliche Leistungen (geringere Legeleistung und Eigröße, höherer Futter­verbrauch bei längerer Mastdauer, wenig Brustmuskulatur) als die spezialisierten Lege- bzw. Mastlinien auf.Trotz Akzeptanz durch den Konsumenten lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur ein sehr spezielles Marktsegment mit Produkten von Zweinutzungshühnern bedienen (­Brümmer et al., 2018; Gangnat et al., 2018; Lambertz et al., 2018). Ähnliches gilt für andere Gebrauchskreuzungen, wie das „Kolbecksmoorhuhn“ oder das „Herrmannsdorfer Landhuhn“. Die Rewe Group hat mit ihren Bruderhahn­initiativen („Spitz & Bube“ bei Rewe sowie „Herzbube“ bei Penny) bereits einen alternativen Weg eingeschlagen und lässt aktuell bereits Bruderhähne mästen. Auch Aldi Nord und Aldi Süd bieten mit „Henne & Hahn!“ Eier aus Bodenhaltung an, deren Brüder mit aufgezogen werden. Vermarktungsmöglichkeiten von Bruder- und Zweinutzungshähnen werden derzeit insbesondere nach längerer Mastdauer in der Produktion von hochwertigen Fleisch- und Wurstwaren im oberen Preissegment gesehen (Schütz et al., 2018; Siekmann et al., 2018).

Allein in Deutschland werden daher die jährlich bei der Legehennenvermehrung anfallenden über 40 Millionen männlichen Nachkommen anhand ihrer Daunenfärbung (Braunleger) bzw. Schwungfederentwicklung (Weißleger) unmittelbar nach dem Schlupf aussortiert und anschließend getötet. Die Problematik des Tötens unerwünschter männlicher Eintagsküken betrifft dabei sämtliche Bereiche der Legehennenhaltung inklusive des Bio-Sektors. Bereits seit Langem wird aber von Kritikern unter Bezugnahme auf das Tierschutzgesetz (Verbot der Tötung von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund) eine Beendigung dieser Praxis gefordert (Ort, 2010; Buhl, 2013). Flächendeckende praxistaugliche Alternativen zur Merzung der männlichen Eintagsküken standen in der Legehennenvermehrung bislang allerdings nicht zur Verfügung.

Um eine tierschutzgerechte Lösung zu finden, ist es ­wichtig, Kenntnisse über das Schmerzempfinden des Embryos zu haben. Bei Vögeln und anderen ­Vertebraten ist zu beachten, dass mangels einer ausgeprägten Hirnrinde möglicherweise ganz andere Hirnareale eine ­entscheidende ­Rolle in der Nozizeption bzw. Schmerzwahrnehmung spielen, die ggf. durch Elektroenzephalogramm-Ableitungen nicht ohne Weiteres erfasst werden. Die Fähigkeit von Vogelembryonen zur In-ovo-Nozizeption wird in der Literatur (z. B. Aleksandrowicz und Herr, 2015; Bjørnstad et al., 2015) nicht infrage gestellt.

Das Einsetzen der Empfindungsfähigkeit beim Hühnerembryo ist allerdings ein Thema, das nach wie vor kontro­vers diskutiert wird. Halbwegs einig ist man sich, dass vor dem siebten Bebrütungstag die notwendigen Reiz­leitungsstrukturen beim Embryo noch nicht ausgebildet sind und von daher eine Empfindungsfähigkeit ausgeschlossen werden kann (Eide et al., 1995, 1997).

Nach Chumak (1961) lassen sich erkennbare Reaktionen auf mechanische und thermische Reize sowie auf Nadel­stiche beim Hühnerembryo erstmals am siebten Bebrütungstag im Bereich des Schnabels provozieren. Im weiteren Verlauf der Bebrütung erfolgt bis zum achten Bebrütungstag eine Ausweitung der sensiblen Körperregionen in kraniokaudaler Ausrichtung. Reaktionen auf mechanische, thermische und analgetische Reize lassen sich im Bereich des Halses sowie des Unterarms und des Carpometacarpus beobachten, wobei sich Reizungen der Vorderextremität in Flügelbewegungen äußern. Die beschriebenen embryonalen Reaktionen auf externe Reize sind nach Chumak (1961) nicht mit spontanen Reaktionen des Embryos zu verwechseln.

Die endgültige Bildung sensorischer Neuronen im Spinal­ganglion beginnt ebenfalls am siebten Bebrütungstag. Um den achten Tag ist der zellulare Aufbau der anatomischen Strukturen des zentralen und des peripheren Nervensystems weitgehend abgeschlossen. Die Komplexität des Nervensystems nimmt vom achten bis zehnten Bebrütungstag deutlich zu. Aufgrund der geschilderten morphologischen und funktionellen Voraussetzungen kann der Hühner­embryo nach Rosenbruch (1997) unter tierexperimentellen Aspekten daher nur vor dem siebten Bebrütungstag als lebendes, jedoch schmerzunempfindliches „Testsystem“ eingestuft werden. Mellor und Diesch vermuteten aber im Jahr 2007 davon abweichend, dass beim Hühnerembryo subjektive Erfahrung (einschließlich Schmerzen und Leiden), wenn überhaupt, nur in den letzten 40 Prozent der Bebrütungsdauer, d. h. nicht vor Tag 13 der Bebrütung, möglich wäre. Die Autoren halten es sogar für wahrscheinlich, dass subjektive Erfahrung sogar für mindestens 90 Prozent der Bebrütungsdauer, d. h. bis einschließlich Tag 18, nicht stattfände.

Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei

Eine praxistaugliche Methode für die Geschlechts­diagnose beim Huhn muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Die Untersuchung muss schnell und möglichst kostengünstig erfolgen und darf bei hoher Präzision keine deutliche Verringerung der Schlupfrate bzw. keine Beeinträchtigung der Tiergesundheit sowie von Leistungsparametern nach sich ziehen.

Es kann somit für eine großtechnische Anwendung nur eine Methode zum Einsatz kommen, welche sehr früh in der Entwicklung und mit quasi 100 Prozent Sicherheit das Geschlecht bestimmen kann. Dazu muss die Geschlechtsinformation sehr klar/frei zur Verfügung stehen. Ob Zellen entnommen und vor Ort optisch untersucht werden oder im Ei verbleiben können, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Ein Öffnen des Eis wird allerdings für eine derartige Untersuchung fast unumgänglich sein, da Eischale und andere Substanzen das Geschlechtssignal sehr schnell unkenntlich machen bzw. eine ggf. notwendige Beprobung des Ei-Inneren nur so erreicht werden könnte. Die zurzeit in vielen Ländern laufenden Forschungsarbeiten haben nun das Ziel, ein marktfähiges Gerät zu kon­struieren. Dieses muss in der Lage sein, eine praxisrelevante Anzahl von Bruteiern pro Zeiteinheit zu erfassen und zu klassifizieren. Die Automatisierung des Prozesses stellt dabei eine große Herausforderung dar, da das Lebewesen „befruchtetes, bebrütetes Hühnerei“ kein genormter Gegenstand ist, sondern eine hohe Variabilität aufweist (Kalkschalendicke, Entwicklungszustand, Verlauf der Gefäße).
Ältere Studien diskutierten zwar diverse Methoden zur ­In-ovo-Geschlechtsdiagnose beim Haushuhn, jedoch gelang es bislang nicht, eine praxistaugliche Geschlechtsfrühbestimmung zu etablieren. Bestrebungen, anhand morphometrischer Daten eine Beziehung zwischen der Form eines Eis und dem Geschlecht des sich darin entwickelnden Kükens darzustellen, lieferten heterogene Ergebnisse und erlangten bisher keine praktische Bedeutung. Hinsichtlich olfaktorisch in ovo erfassbarer Geschlechtsunterschiede, die für die Wachtel diskutiert werden (Webster et al., 2015), liegen für das Haushuhn bislang noch keine Informationen vor.

Deutsche Verfahren:
1. Endokrinologie (Universität Leipzig):

Mittels endokrinologischer Analysen lassen sich die ab dem neunten Inkubationstag signifikant unterschiedlichen Hormonkonzentrationen in der Allantoisflüssigkeit männlicher und weiblicher Embryonen zur Geschlechtsbestimmung nutzen. Mittels Punktion des embryonalen Harnsacks durch die Kalkschale hindurch wird ein geringes Volumen Allantoisflüssigkeit entnommen und auf ihren Hormongehalt analysiert. Bei Probennahmen am ­zehnten Bebrütungstag konnte dabei eine Prognosegenauigkeit von circa 98 Prozent erzielt werden (Weissmann et al., 2013). Auf das Schlupfgewicht der Eintagsküken hatte das Verfahren keinen Einfluss, allerdings war die Schlupfrate bei beprobten Eiern gegenüber jener unbehandelter Eier vermindert (Weissmann et al., 2014). Auch auf die Tiergesundheit sowie ausgewählte Leistungsparameter (Legeleistung, Eimasse, Futterverbrauch) der Legehennen hat das Analyseverfahren keine Auswirkungen (Weissmann et al., 2014). Neben der Dauer und den Kosten des Analyseverfahrens ist aber auch der späte Bebrütungstag nachteilig einzuschätzen. Auch bleibt die Frage nach der Tötung/Vermarktung männlicher Embryonen in ­diesem Stadium offen, da eine CO2-Begasung durch die ­Kalkschale als langwierig und unzuverlässig einzustufen ist. Den Online­angaben der Seleggt GmbH zufolge wird hier zurzeit eine Art „Schockfrostung“ als Tötungsmethode angewandt. Über eine Vermarktung der als männlich eingestuften Hühnerembryonen ist bisher nichts bekannt. Die endokrinologische Methode wird bereits in der Praxis eingesetzt und unter dem Namen Seleggt von der Firma Rewe vertrieben.

2. Nahinfrarot-Raman-Spektroskopie und Fluoreszenzspektroskopie (Technische Universität Dresden und Universität Leipzig):
Die spektroskopische Geschlechtsbestimmung macht sich die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Hühnern zunutze. Auch hier muss zunächst ein optischer Zugang geschaffen werden. Diese Öffnung in der Eischale kann durch den Einsatz geeigneter CO2-Laser geschaffen werden, die im Bruchteil einer Sekunde einen definierten, scharf randbegrenzten Abtrag der Kalkschale ermöglichen. Werden die Bruteier zunächst für circa 80 bis 88 Stunden angebrütet, haben entsprechende Manipulationen nur sehr geringe ­Effekte auf die weitere Entwicklungsfähigkeit des Embryos. Außer­dem können zu diesem Zeitpunkt bereits erkennbar unbefruchtete Eier und solche mit irregulär entwickelten Embryonen aus dem Brutprozess entfernt werden. Da sich nach dreitägiger Bebrütung bereits ein extraembryonales Blutgefäßsystem entwickelt hat, lassen sich nun auch die kernhaltigen Blutzellen als Informationsträger für eine Geschlechtsdiagnose nutzen. Die NIR-Raman-Spektro­skopie wird als kontaktfreie Beprobung eingestuft, da kein Material aus dem Ei entnommen werden muss. Dadurch entfallen auch die Reinigung und Desinfektion bzw. der Ersatz von Geräten oder Geräteteilen nach jeder Messung, sodass nur minimale laufende Verbrauchskosten entstehen. Dies bietet unter realen Bedingungen in einer Brüterei entscheidende Vorteile. Eine Geschlechtsbestimmung dauert gegenwärtig etwa 15 bis 20 Sekunden pro Ei – technische und datenanalytische Verbesserungen lassen aber in Zukunft Analysezeiten von deutlich unter zehn Sekunden realistisch erscheinen (Steiner et al., 2010, 2011; Galli et al., 2018). Ein Abtöten des drei- bis viertägigen als männlich erkannten Embryos wird durch bloße Abkühlung erreicht, eine Weitervermarktung als Tierfutter ist möglich. Diese Methode soll ­gegenwärtig von der Agri Advanced Technologies GmbH (AAT), ­einem Tochterunternehmen der EW Group GmbH, zur Praxisreife entwickelt werden, bisher gibt es aber hierzu keine konkreten Aussagen.

Weitere deutsche Verfahren:
3. Embryonales „Farbsexing“ (Göhler et al., 2017): Identifizierung geschlechtsspezifischer Farbpigmente mittels Hyperspektralanalyse funktioniert gegenwärtig nur bei Braunlegern ab dem 13. Bebrütungstag; großtechnischer Einsatz vorgesehen, Betäubung/Tötung aussortierter Embryonen durch Stromdurchfluss (Zumbrink et al., 2020).

4. DNA-PCR-Analyse der Allantoisflüssigkeit (Plant­egg GmbH, www.plantegg.de, von Aldi propagiert:

https://blog.aldi-sued.de/ohne-kuekentoeten/).

5. Hormonanalyse mittels Fluoreszenzspektroskopie (TH OWL Lemgo, Hochschule Coburg https://www.th-owl.de/news/artikel/detail/professorin-entwickelt-methode-die-das-schreddern-von-kueken-ueberfluessig-mach/).

6. Magnetresonanztomografie, TU München (Orbem genus https://www.tum.de).

Weitere Verfahren (beispielhaft):
Verschiedene Methoden wurden in der Vergangenheit ­publik gemacht, die zwar generell das Geschlecht von Küken im Ei bestimmen können, aber nicht für den großtechnischen industriellen Einsatz in Brütereien geeignet scheinen. Es wurden so zwar für zahlreiche Verfahrenserfindungen zur Geschlechtsfrühbestimmung beim Huhn Patente offengelegt oder erteilt, den vorliegenden Unterlagen ist jedoch nicht zu entnehmen, inwieweit sich die patentrechtlich geschützten Erfindungen auch praktisch umsetzen lassen. In der Regel fehlen auch wissenschaftlich überprüfbare Angaben zur Methodik, zur Diagnosegenauig­keit sowie zu weiteren relevanten Aspekten. Ziel der Untersuchungen soll letztendlich ein praxisreifes Analyseverfahren sein, das eine präzise Geschlechtsbestimmung in einem möglichst frühen Embryonalstadium erlaubt, ohne negative Effekte auf die Schlupfrate sowie auf die Gesundheit der Küken und das Leistungsvermögen der Legehennen auszuüben.

Israel, Patent „Hyperspectral identification of egg fertility and gender“. Patent No. US 2013/0044210 A1. Patent­erteilung am 21. 2. 2013 (Rozenboim et al., 2011).
Genmanipulation der Geschlechtschromosomen ­mittels Fluoreszenzmarkergenen. Gentechnisch veränderte Eltern­tier-Hennen legen Bruteier, bei denen die männlich determinierten Eier unter UV-Bestrahlung fluoreszieren (EggXYt-Verfahren; www.eggxyt.com).
Analyse von flüchtigen Eikomponenten mittels Terahertz-Spektroskopie (TeraEgg, https://nocamels.com/2016/11/novatrans-saves-chicks-deaths-culling/).

Niederlande, Forschungsgruppe Wageningen Institut (­Aslam et al., 2012, 2013; Aslam, 2014).
Niederländisches Verfahren zur Analyse von Biomarkern aus der Allantoisflüssigkeit, https://inovo.nl/.

USA, Patent „Avian egg fertility and gender detection“. ­Patent No. 7,950,349 B1. Patenterteilung am 31. 5. 2011. Patent „Gender determination of avian embryo“. Patent No. US 6,365,339 B1. Patenterteilung am 2. 4. 2002. Patent „Method and apparatus for avian pre-hatch sex determination“. Patent No. 6,029,080. Patenterteilung 22. 2. 2000.

Großbritannien, Patent In-ovo Farbsexen, „Spectrophotometric analysis of embryonic chick feather color“. Patent No. US 2014/0069336 A1. Patenterteilung am 13. 3. 2014.
Roslin Institute, Edinburgh, UK and Mesa+ Institute for Nanotechnology, Twente, NL, Autofluoreszenz, Patent „Spectrophotometric analysis of embryonic chick feather color“. Patent No. US 2014/0069336 A1. Patenterteilung am 13. 3. 2014.

Belgien, Universität Leuven, Pressemitteilung „Mit Hightech das Geschlecht schon im Ei bestimmen“ (Quelle: www.animal-health-online.de/gross/2013/07/12/mit-hightech-geschlecht-schon-im-ei-bestimmen/25898/). Patent „Method for avian sex determination“. Patent No. US 2012/0058052 A1. Patenterteilung am 8. 3. 2012.

Aktuelle Gesetzeslage in Deutschland

Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat nun einen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchGÄndG 6) angenommen. Zuvor hatte das deutsche Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass vor dem Hintergrund des in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz das wirtschaftliche Inte­r­esse an speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchteten Hennen keinen vernünftigen Grund im Sinne von § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz für das Töten männlicher Küken aus diesen Zuchtlinien darstellt. Da die oben genannten Forschungsvorhaben zur Geschlechtsbestimmung im Ei auch mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt worden sind, bestimmte Methoden sich als praxistauglich erwiesen hätten und die politische Forderung zum Verzicht auf das Töten von Küken seit Jahren an die Geflügelwirtschaft gerichtet wird, hätten die Brütereien genügend Grund und Zeit gehabt, ihre Betriebsweise umzustellen. Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtshofs und der Forderung des Koalitionsvertrags, diese Praxis zu beenden, soll das Töten von Hühnerküken nun bis Ende 2021 verboten werden.

Nach der Festlegung des Bundesministeriums entwickelt sich bei Hühnerembryonen ab dem siebten Bebrütungstag das Schmerzempfinden. Daher sind aus Gründen des Tierschutzes nicht nur das Töten des geschlüpften Kükens, sondern nach dem sechsten Bebrütungstag auch ­Eingriffe am Hühnerei, die bei oder nach einem Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei vorgenommen werden und den Tod des Hühnerembryos herbeiführen oder diesen zur Folge haben, abzulehnen. Die Vornahme solcher Eingriffe soll ebenfalls mit einer Übergangsfrist bis Ende 2023 ­verboten werden. Mit dem Gesetzesentwurf wird also das Töten von männlichen Hühnerküken verboten. Weiterhin wird ein Verbot von Eingriffen an Hühnereiern ab dem siebten Bebrütungstag geregelt, die bei oder nach der Anwendung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei durchgeführt werden und den Tod des Hühnerembryos herbeiführen oder diesen zur Folge haben. Für beide Verbote werden Übergangsvorschriften geregelt, damit sich die Branche an die neue Rechtslage anpassen kann.

Aktuell gibt es allerdings kein praxisreifes Verfahren der Geschlechtsbestimmung im Ei, das vor dem siebten Bruttag ansetzt. Fraglich ist, ob hier zunächst unter Nutzung sämtlicher alternativer Lösungen (Zweinutzungshuhn, Bruder­hahnaufzucht) die Deckung des Bedarfs an Eiern aus kükentötungsfreien Lieferketten bis Ende 2021 erreicht werden kann.

Referenzen
www.tieraerzteverlag.at/fileadmin/images/IMAGES_12-2020/Prof-Dr-Maria-Elisabeth-Krautwald-Junghanns_REF.pdf