Handbuch

für eine tierfreundliche und umweltschonende Schweinehaltung

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Die biologische Landwirtschaft hat den Anspruch, dass Ferkel nicht nur gesund und robust, sondern auch umweltfreundlich aufgezogen werden, und auch Mastschweine sollen ihr natürliches Verhalten ausleben können.

Welche bezahlbaren Strategien hier möglich sind, haben das ­Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz und zahlreiche Partner in einem internationalen Forschungsprojekt in enger Zusammenarbeit mit der Praxis erprobt. Das gesammelte Wissen – inklusive inspirierender Praxisbeispiele – kann man nun als Handbuch gratis downloaden: 
www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1460-hb-power-de.pdf

Neugeborene Ferkel sind sehr empfindlich gegenüber niedrigen Temperaturen, doch für die ausgewachsene Sau darf der Stall nicht zu warm sein. Eine Lösung für diese unter­schiedlichen Bedürfnisse an die Umgebungs­temperatur sind Ferkelnester. Was die Ferkel anregt, das Ferkelnest zu nutzen, hat sich im EU-Forschungsprojekt POWER (Tierwohl und Resilienz in der Bioschweinehaltung) vor allem das Projektteam aus Deutschland ­angeschaut. Dieses bewertete zudem, wie die Gestaltung von Abferkelbuchten den Bedürfnissen von Sau und ­Ferkel gerecht werden kann und gleichzeitig für Landwirt*innen möglichst praktisch ist. Das französische Projektteam untersuchte, worauf bei der Auswahl der Zuchttiere zu achten ist – denn ein ausge­glichenes Verhältnis zwischen Wurfgröße und Mutter­eigenschaften der Sau fördert die überlebenswichtige Kolostrumaufnahme der neugeborenen Ferkel.

Das italienische Team lieferte ein innovatives Rezept für fermentierte Waldstreu zum Selbstherstellen, das die Darmflora der Aufzuchtferkel unterstützt, denn eine stabile und gesunde Darmflora ist vor allem beim Absetzen wichtig. Sie soll dazu beitragen, Absetzferkeldurchfall und damit Antibiotikaeinsatz zu redu­zieren. Die praxiserprobten Resultate zur Verbesserung des Wohlergehens und der Gesundheit von Ferkeln sind im ersten Teil des neuen Handbuchs zusammengefasst.

Der Zugang ins Freie ist in Europa ein wichtiger ­Bestandteil der Bioschweinehaltung. Er soll den ­Tieren er­möglichen, ihre Umgebung zu erkunden, und das Immun­system ­stärken. Viele Betriebe nutzen dafür ­be­festigte Aus­läufe. Sind diese aber reizarm gestaltet, nutzen die ­Tiere sie ­häufig nur zum Koten und Urinieren. Doch große, mit Kot und Urin verschmutzte Flächen können zu hohen Ammoniakemissionen führen; dies belastet die Umwelt. Welche Maßnahmen der Auslaufgestaltung und des Managements helfen, die Umweltbelastungen zu ­reduzieren, stellt der zweite Teil des Handbuchs vor.

Gemeinsam haben Projektpartner aus Dänemark, ­Österreich, Schweden und das FiBL Schweiz Maß­nahmen untersucht, die einen befestigten Auslauf für Schweine attraktiver machen und strukturieren – dazu zählen ein Wühlbereich mit Kompost sowie ein Raufutterangebot im Auslauf, das die Tiere ins Freie locken soll. Zusätzlich strukturieren diese Elemente den Auslauf, wodurch die Tiere nur einen kleineren Bereich zum Koten und Urinieren verwenden. Der verschmutzte Bereich im Auslauf lässt sich mit wenig Arbeitsaufwand mit automatischen Mistschiebernentmisten, doch mit einem Zugang ins Freie ist die ­Umgebungstemperatur der Tiere schwieriger zu kon­trollieren. Vor allem im Sommer wird Hitzestress in Europa zu einer immer größeren Herausforderung. Eine praktische Lösung dafür sind Duschen – sie schaffen kosten­günstige Abkühlungsmöglichkeiten im Auslauf.

Innovative Praxisbeispiele als Inspiration

Das Projekt bewertete auch besonders innovative und vorbildliche Schweinehaltungen mit kombinierten Stall- und Weidesystemen. In diesen Systemen erfolgt die Haltung der Tiere sowohl im Stall als auch auf der Weide oder im Wald. Das Projektteam untersuchte neben der Gesundheit und dem Wohlergehen der Tiere auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden, das Gülle- und Weide­management, die Resilienz sowie die Produktivität der Betriebe. Mit den ­gesammelten Daten er­stellten die Forschenden 15 untereinander ­vergleichbare Betriebs­porträts aus sechs europäischen Ländern.

Das Handbuch ist derzeit auf Deutsch und Englisch verfügbar: 
Handbuch „Tierwohl und Umweltwirkungen der biologischen Schweinehaltung“, Handbuch „Welfare and environmental impact of organic pig production“.

Infos zum Projekt:
Ziel des POWER-Projekts war es, das Tierwohl in der Bioschweine­haltung zu verbessern und gleichzeitig die Umweltbelastung zu redu­zieren. Dafür vereinte sich von 2018 bis 2021 in sieben ­europäischen Ländern die Forschung mit der Praxis und der Beratung. Das Akronym POWER steht für „Proven welfare and resilience in organic pig production“.

Bibliografie:
• Früh B. et al. (2022): Tierwohl und Umweltwirkungen der bio­logischen Schweinehaltung – eine Sammlung von Faktenblättern, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Frick. Unter: shop.fibl.org, Artikelnummer 1460. DOI: 10.5281/zenodo.6988334
• Früh B. et al. (2022): Welfare and environmental impact of organic pig production – a collection of factsheets, Research Institute of Organic Agriculture FiBL, Frick. Available at: shop.fibl.org, Publi­cation No. 1300. DOI: 10.5281/zenodo.7022889


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