Farm 2 Fork –

Podiumsdiskussion „Our Health“: Nachhaltige Lebensmittel erfordern klare Umformung auf allen Ebenen

Suzana Nikolic
Bakk. Komm., Himmelhoch Text, PR & Event

Wie wird sichergestellt, dass die „Farm2Fork“-Strategie der EU für landwirtschaftliche Betriebe nicht zum Zwang wird?

Welche Werkzeuge benötigen Landwirt*innen, um die Strate­gie umsetzen zu können? Wie gelingt eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, die auch den Anforderungen an Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit entspricht? Dies waren die Themen der zweiten Podiumsdiskussion der Initiative „Our Health“ am 21. September 2022 in Pichl bei Wels. Die Teilnehmer (da­runter der oö. Landtagsabgeordnete Georg Ecker, ­Michael Sulzner vom Sozialministerium/Verbraucher­gesundheit und ­Veterinärwesen, Manfred Kröswang, Geschäftsführer von Kröswang, Franz Grötschl, Vorstandsmitglied ­Verein „Boden.Leben“ und Biolandwirt Günter Achleitner) waren sich dabei in einem einig: Eine ökologische Landwirtschaft und damit nachhaltige Lebensmittel brauchen eindeutige systemweite Änderungen auf allen Ebenen.

Im Mai 2020 hat die EU-Kommission die Strategie „Farm2Fork“ veröffentlicht, wonach die europäischen Landwirt*innen bis 2030 die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln sowie Antibiotika in der Tierhaltung um die Hälfte reduzieren sollen. Chemische Düngemittel sollen ebenso um 20 Prozent weniger eingesetzt werden. Gerade die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion nehmen in dieser Strategie einen breiten Raum ein – allerdings mit einigen Konflikten. Diese Themen debattierten am 21. September 2022 in Pichl bei Wels auf Aufruf der Initiative „Our Health“ Vertreter*innen aus der Politik ­sowie der Landwirtschaft.

Plattform für Bewusstseinsbildung und Diskurs

Die Initiative „Our Health“ wurde 2021 ins Leben gerufen und verfolgt das Ziel, eine Plattform für den kon­struktiven, faktenbasierten Diskurs zwischen den unterschiedlichen Stakeholder*innen in diesem Themenfeld zu schaffen, um in weiterer Folge gemeinsam Lösungsansätze zu er­arbeiten. „Die Probleme müssen von mehreren Seiten ­betrachtet ­werden, um deren Kern und in Folge Resultate zu erarbeiten. Uns ist es deshalb ein großes Anliegen, alle an einen Tisch zu holen. Wir werden nur dann gesünder leben können, wenn wir auf Boden und Tiere schauen“, erklärt Bernhard Zauner, Arzt für Allgemeinmedizin und Homöopathie, der neben Lukas Hader, Geschäftsführer von Multikraft, Gründer von „Our Health“ ist.

Ganzheitliche Inklusion aller Sektoren für Klima- und Umweltschutz erforderlich

Nach Eröffnungsvorträgen von Georg Ecker und Michael Sulzner über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU und Farm2Fork folgte unter der Gesprächsleitung von Lukas Hader die Diskussionsrunde mit den zuvor genannten Rednern sowie Manfred Kröswang, Franz Grötschl und Günter Achleitner zu Heraus­forderungen und Lösungsansätzen beider Strategien. Sulzner ­forderte in diesem Zusammenhang, dass die Debatte über nachhaltige Lebensmittel nicht nur auf die bio­logische Dimension der Produkte abzielt, sondern das gesamte System dahinter ökologischer betrachtet werden sollte. Produzent*innen sollen die Möglichkeit haben, die gesündesten, nachhaltigsten Lebensmittel zu einem fairen Preis produzieren zu können. Die Lösung dafür sieht er in klaren Kriterien und einer eindeutigen Methodik, vor allem in Hinblick auf die Definition von Nachhaltigkeit. Laut Sulzners Aussagen wird dieser all­gemeine Rahmen in den nächsten Jahren von der EU spezifiziert. Bio­landwirt Günter Achleitner sieht die Ernährungssicherheit durch die Biolandwirtschaft am besten abgesichert; ihm zufolge kann eine hundert­prozentige Biolandwirtschaft in Zukunft einen großen positiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. In diesem Kontext müsste laut Achleitner vor allem die Lebensmittelverschwendung ins Visier genommen werden. Dazu pocht er auf eine vorausschauende Planung und den Einbezug des Lebensmitteleinzelhandels.

Nachhaltige Lebensmittel bei Konsument*innen immer wichtiger

Dass ein Umdenken von Politik, Landwirt*innen und Handel notwendig ist, zeigt auch das gesteigerte Bewusstsein der Konsument*innen für nachhaltige Lebensmittel. „Mit der Coronakrise stieg die Wertigkeit von nachhaltigen respektive regionalen Lebensmitteln aus Österreich in den letzten beiden Jahren spürbar an. Durch die massiv steigenden Preise wurde dieser Trend gestoppt“, erklärt Kröswang. „Mittelfristig gehe ich davon aus, dass sich der Markt wieder beruhigen wird. Spätestens dann ist damit zu rechnen, dass hochwertige regionale Lebensmittel unter Berücksichtigung des Tierwohls stark nachgefragt werden“, so der Geschäftsführer von Kröswang. Achleitner verwies dabei auf eine derzeitige Studie, laut der gerade in der Gemeinschaftsverpflegung das Bedürfnis nach Biolebensmitteln von der Mehrheit gefordert wird.

Bewusstsein der Landwirt*innen für regenerative Landwirtschaft sensibilisieren

Neben klaren Vorgaben bei der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln sieht Grötschl für eine erfolgreiche Farm2Fork-Stratgie einen enormen Aufholbedarf im Bildungssystem der Landwirt*innen. Seiner Meinung nach wird die regenerative Landwirtschaft derzeit zu wenig bis gar nicht in den Lehrplan der Landwirtschaftsschulen integriert. „Prinzipiell macht der Landwirt nämlich das, was er in der Schule gelernt hat. Solange sich also in der Ausbildungsstrategie nichts ändert, ist es schwierig, hier etwas zu verbessern. Dabei geht es nicht darum, zu sagen, das eine sei besser als das andere; es ist nur wichtig, zu wissen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt“, so Grötschl. Abschließend hält Ecker fest: „Ich glaube, wir müssen den Ansatz haben, dass wir nicht ‚entweder – oder‘ sagen, sondern ‚gemeinsam‘. Wir lernen miteinander. Wir sollten in Zukunft auch bei der konventionellen Landwirtschaft den Status quo aus dem Biobereich integrieren.“


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