Fallbericht Olga –

Ein rätselhafter Fall

Dr. Dagmar Pieler
Tierarztpraxis Wess, Gloggnitz

Dr. Karl Lorber
Tierklinik Würflach

Die Katze Olga wurde aufgrund einer Umfangsvermehrung des Abdomens, die seit circa acht Monaten bestand, vorstellig. Erst nach einer OP zeigte sich ein hepatozelluläres Adenom.

Signalement und Anamnese

Die Katze Olga, weiblich, kastriert, wurde aufgrund einer Umfangsvermehrung des Abdomens vorstellig. Olga, geboren im Jahr 2015, ist seit zwei Jahren bei der Besitzerin und wurde von dieser aus der Ukraine importiert. Zum Zeitpunkt der Adoption war die Katze unauffällig. Sie ist regelmäßig geimpft und entwurmt, FeLV- und FIV-Status sind unbekannt. Die Umfangsvermehrung des Abdomens bestand seit circa acht Monaten, langsam beginnend mit schleichender Zunahme des abdominalen Umfangs. Der Besitzerin sind ansonsten keine Veränderungen oder Krankheitssymptome aufgefallen. Olga wurde von der Besitzerin aufgrund der Annahme, sie sei adipös, auf Diät gesetzt.

Klinische Untersuchung

Ernährungszustand mindergut mit einem Body Condition Score von 3/9, Gewicht 4,9 kg, Fell stumpf, keine Effloreszenzen. Lidbindehaut blassrosa, Maulschleimhaut blassrosa, KFZ bei 1 sec., im Oberkiefer ggr. Zahnstein an den Molaren und Prämolaren. Lnn. mandibulare gleich groß, o. b. B., Ohren sauber, HE ggr. vermindert, Herztöne rein und gut abgesetzt, HF 132 Schläge pro Minute, Lunge beidseits ggr. verschärft vesikulär, Puls mittelkräftig, regelmäßig, Arterie gut gefüllt und gut gespannt, IKT: 39,1 °C, Abdomen aufgetrieben, kugelförmig, undulierend, prall, ggr. schmerzhaft bei der Palpation.

Weitere Untersuchungen: Hämatologie und Blutchemie

Bei der hämatologischen Untersuchung wurden eine leichte basophile Granulozytose und eine schwerwiegende Thrombozytopenie festgestellt. Die Blutchemie zeigte eine moderate Erhöhung der ALT auf 531 U/L (Referenzwerte 12–130 U/L). Die restlichen Parameter inklusive der Elektrolyte waren in der Norm.

Bildgebende Verfahren

Es wurde eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens durchgeführt, bei der keine freie Flüssigkeit festgestellt werden konnte. Eine anechogene, flüssigkeitsgefüllte Struktur konnte diagnostiziert werden, die sich in so großem Ausmaß darstellte, dass nicht sicher eruiert werden konnte, von welchem Organ diese Struktur stammt. Aufgrund der Größe dieser Struktur konnten die abdominalen Organe vs. Strukturen nicht adäquat beurteilt werden, weil diese massiv von der UVM verdrängt wurden. Es konnte kein reaktives Peritoneum nachgewiesen werden. Eine Punktion wurde aufgrund der Fraglichkeit der Struktur und der immensen Flüssigkeitsmenge nicht durchgeführt, da eine darauf folgende Ruptur nicht ausgeschlossen werden konnte.

Röntgen: DV- und LL-Strahlengang

Am DV-Röntgenbild (Abb. 1) stellte sich eine massive rundliche UVM dar. Der Magen-Darm-Trakt war in toto von der UVM nach rechts gedrängt. Die Nieren zeichneten sich in normaler Größe ab. Die Leber konnte nicht in toto abgegrenzt werden. Im LL-Strahlengang ließ sich eine leere Harnblase erkennen. (Abb. 2) Es ließ sich trotz zweier bildgebender Verfahren keine eindeutige Genese der UVM feststellen, daher entschieden wir uns aufgrund der erhobenen Befunde für eine Probelaparotomie.

Probelaparotomie

Die Anästhesie wurde mit Medetomidin 50 mcg/kg, Butorphanol 0,2 mg/kg und Ketamin 5 mg/kg eingeleitet und mit Propofol 2–5 mg/kg vertieft, des Weiteren wurde die Katze intubiert und mit Isofluran die Inhalationsnarkose aufrechterhalten. Prä-OP wurden Amoxicillin/Clavulansäure und Meloxicam s.c. verabreicht, eine DTI wurde während der gesamten OP angepasst. Die Katze wurde in Rückenlage gelagert und das Abdomen eröffnet. Direkt nach der Eröffnung entlang der Linea alba wurde die UVM mit angeschnitten, es trat bernsteinfarbige, klare Flüssigkeit aus (Abb. 3). Es wurde eine Erweiterung der Eröffnung des Abdomens vorgenommen, es konnte aber nach wie vor nicht festgestellt werden, um welche Struktur es sich handelt. 1600 ml der Flüssigkeit wurden abgesaugt (Abb. 4). Erst zu diesem Zeitpunkt war ersichtlich, dass die Struktur von der Leber ausging. Das Gebilde erschien zystisch, mit Gefäßen und Leberparenchym durchsetzt. Die zystische Struktur wurde mit Teilen des angrenzenden Leberparenchyms in kleinen Schritten abpräpariert, die Gefäßstrukturen wurden mit hämostatischen Clips (Peters) abgeklemmt und danach abgesetzt. Es trat zu keinem Zeitpunkt der OP eine starke Blutung auf. Vor dem Verschluss des Abdomens wurde dieses noch mit lauwarmer NaCl-Lösung gespült und anschließend das Omentum majus darübergelegt. Das Abdomen wurde dreischichtig verschlossen, die Bauchwand sowie die Subkutis mit fortlaufender Kürschnernaht mit PDS 3/0, die Hautnaht wurde intrakutan mit einem PDS 3/0 vernäht.

Ergebnis der Pathohistologischen Untersuchung:

(Dr. Klemens Alton)

Das Gebilde besteht aus unregelmäßig geformten bindegewebigen Zysten, die teilweise eine platte endothelartige Auskleidung aufweisen; im dazwischen liegenden Lebergewebe sind kleine gefäßartige Strukturen und dilatierte Sinusoide vorhanden, die mit etwas Blut gefüllt sind (Teleangiektasie); das angrenzende Leberparenchym zeigt ggr. mononukleäre Infiltrate im Bereich der Glisson’schen Dreiecke.

Diagnose: hepatozelluläres Adenom
Dignität: benigne
Prognose: gut

Nachbehandlung

Olga wurde für drei Tage hospitalisiert. Einen Tag post OP wurde sie von der Hand mit Nassfutter gefüttert, ab dem zweiten Tag hat Olga selbstständig gefressen, getrunken sowie Harn und Kot abgesetzt. Am dritten Tag post OP konnte Olga in häusliche Pflege übergeben werden. Sie wurde jeden zweiten Tag nach der OP (insgesamt zweimal) zur Wundkontrolle und zur Amoxicillin/Clavulansäure-Injektion erneut vorgestellt. Die häusliche Pflege gestaltete sich unkompliziert. Bei der Abschlusskontrolle stellte sich die Wundheilung als unproblematisch dar. Der abschließende Ultraschall der Leber und der restlichen Organe war weitgehend unauffällig. Eine Post-OP-Blutuntersuchung war nicht gewünscht.


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