Persistierender rechter Aortenbogen

bei einem Labrador-Retriever-Rüden

Dr. med. vet. Melanie Hutter

Der persistierende rechtsseitige Aortenbogen (PRAA) stellt die häufigste vaskuläre Ringanomalie bei Hunden dar. Hauptsymptome sind Würgen, Regurgitieren und retardiertes Wachstum. Bei jungen Tieren mit chronischem Regurgitieren sollte deshalb immer – neben möglichen ösophagealen Fremdkörpern, Strikturen oder einem angeborenen Megaösophagus – an diesen Erkrankungskomplex gedacht werden.

Nationale

Chaplin, Labrador-Retriever-Rüde, schwarz, männlich intakt, knapp 17 Wochen bei der Erstvorstellung, 13,7 Kilo.

Anamnese

Der Patient wurde mit folgendem Vorbericht zur weiteren Abklärung überwiesen: Husten und Würgen seit der Übernahme vom Züchter. Ein Röntgenbild des Thorax wurde mitgeschickt (Abb. 1). Die Blutchemie war unauffällig, die Hämatologie zeigte eine altersgemäße milde Anämie mit einem HKT von 35,6 Prozent (37,3 bis 61,7 Prozent). Die Wurfgeschwister zeigten ähnliche Symptome, besserten sich jedoch unter Therapie. Chaplin erbrach und regurgitierte täglich sein Futter und zeigte rezidivierenden Husten mit mukösem Auswurf. Bei rationierter Fütterung von kommerziellem Puppy-Futter (Feuchtfutter und gewässertes Trockenfutter) regurgitierte er weniger; der Appetit war sehr gut und normal.

Der Kot war geformt und der Harnabsatz altersgemäß normal. Chaplins Wurfgeschwister waren in der Entwicklung weiter und wogen drei bis vier Kilo mehr. Der Junghund stammte aus Österreich von einem Züchter, wurde bereits dreimal im Abstand von vier Wochen gegen SHPPL und einmalig gegen Tollwut geimpft. Chaplin bekam mehrfach nichtsteroidale Entzündungshemmer und Antibiose (Amoxillin-Clavulansäure), wodurch jedoch keine Besserung der Symptome eintrat. Zum Vorstellungszeitpunkt wurde keine Medikation verabreicht.

Klinische Untersuchung

Bei der Erstvorstellung war Chaplins Ernährungszustand ggr. mindergut, das Allgemeinverhalten munter und aufmerksam. Altersgemäß befand sich Chaplin im beginnenden Zahnwechsel. Die Auskultation war unauffällig, das Abdomen war weich und durchtastbar, die innere Körpertemperatur betrug 38,7 °C. Der Nabel war physiologisch, beide Hoden waren abgestiegen.

Problemliste

Aufgrund des Vorberichts und der klinischen Untersuchung ergab sich folgende Problemliste: Regurgitieren, Erbrechen, minderguter Ernährungszustand und Husten.

Weiterführende Untersuchungen

Zur Aufarbeitung der Problemliste und aufgrund der Thoraxröntgen der Haustierärztin wurden nach Absprache mit den Besitzern folgende weiterführende Untersuchungen durchgeführt: Herzultraschall, Endoskopie der oberen Halsgegend (OHG) und des Ösophagus, Kontrastmittelpassageröntgen (Bariumsulfat) des Thorax.

Der Herzultraschall zeigte keine Auffälligkeiten. Das Myokard war normokontraktil, es wurde keine links- oder rechtsseitige Volumenüberladung festgestellt. Das Verhältnis linkes Atrium zu Aorta = LaAo betrug 1,2. Ebenso konnten keine pathologischen Strömungen an den Semilunar- oder Atrioventrikularklappen bzw. ein PDA dargestellt werden. Die Endoskopie der OHG zeigte keine Auffälligkeiten, der Larynx sowie die Bewegungen beider Aryknorpel waren physiologisch. Etwa fünf Zentimeter vor der Herzbasis wurde eine Dilatation des Ösophagus festgestellt. Auf Höhe der Herzbasis zeigte sich eine extraluminale ringförmige Kompression des Ösophagus mit deutlicher extraluminaler rechtsseitiger Pulsation. Das Durchdringen mit dem Endoskop war durch die lokale Kompression bis zur Cardia sowie in den Magen möglich.

Nach Gabe von Bariumsulfat (im wachen Zustand) war im lateralen Thoraxröntgen (Abb. 2) eine überwiegend nach ventral gerichtete Ösophagusdilatation vor dem Herzen zu sehen. Es zeigte sich ein abrupter Kontrastmittelstopp auf Höhe der Herzbasis. Der weitere Verlauf des Ösophagus bis in den Magen war unauffällig. Der Herzschatten sowie das Lungenfeld stellten sich morphologisch altersgemäß und unauffällig dar.

Arbeitshypothese

Persistierender rechter Aortenbogen (PRAA)

Diagnostischer Plan

Um den Verdacht des PRAA zu bestätigen bzw. um andere vaskuläre Ringanomalien zu detektieren, wurde weiterführend eine computertomografische Untersuchung des Thorax durchgeführt. Es wurden eine frühe arterielle (nach zehn bis 20 Sekunden) und jeweils zwei venöse Kontrastmittelserien (nach 60 und 120 Sekunden) angefertigt. Das CT des Thorax zeigte (Abb. 3) einen persistierenden rechten Aortenbogen mit aberranter A. subclavia sinistra (vaskuläre Ringanomalie Typ 2) sowie eine sekundäre fokale Ösophagusdilatation cranial der Kompressionsstelle. Weitere – klinisch wahrscheinlich nicht relevante – Gefäßanomalien waren ein fehlender Truncus brachiocephalicus, ein existierender Truncus bicaroticus sowie eine A. carotis communis sinistra et dextra direkt aus dem Aortenbogen und eine aberrante rechte A. subclavia dextra. Ein persistierendes Lig. arteriosum konnte nicht eindeutig dargestellt werden, aufgrund der Studienlage wurde trotzdem eine vaskuläre Ringanomalie Typ 3 nicht ausgeschlossen.

Die Besitzer stimmten weiterführend einer Therapie im Sinne einer Thorakotomie und Durchtrennung der einschnürenden Gefäße zu.

Operation

Über eine linksseitige Thorakotomie im 4. Interkostalraum unter Schonung des N. phrenicus wurden die Gefäßanomalien (endoskopisch über den Ösophagus unterstützt) dargestellt, die aberrante A. subclavia sin. cranial und medial mittels Seide der Stärke 0 doppelligiert und mittels Ligasure durchtrennt. Weiters wurden die steno-sierenden fibrinösen Stränge gelöst und das doch vorhandene persistierende Lig. arteriosum ebenfalls mit dem Ligasure durchtrennt. Durch das Einführen einer weitlumigen Plastikmagensonde wurde der Ösophagus vorsichtig passiv gedehnt. Bei der endoskopischen Evaluierung war im Ösophagus keine Stenosestelle mehr ersichtlich. Nach der Kontrolle auf intrathorakale Blutungen und Thoraxlavage mittels körperwarmer Ringerlösung wurde die Thorakotomiewunde mittels Einzelknopfnähten mit einem monofilamenten resorbierbaren Nahtmaterial der Stärke 0 und anschließender fortlaufender Naht verschlossen. Nach Lokalanästhesie mittels Bupivacain wurden die einzelnen Muskelschichten adaptiert und die Haut mittels Klammern verschlossen. Im Anschluss wurde durch eine Thorakozentese der Thorax vollständig entleert.

Therapie und weiterer Verlauf

Chaplin wurde 48 Stunden nach erfolgter Operation in häusliche Pflege entlassen. Für vier Tage wurden Maropitant 2 mg/kg SID bzw. für sieben Tage Carprofen 4 mg/kg SID peroral verabreicht. Die Wundkontrolle sowie Nahtentfernung wurden bei der Haustierärztin durchgeführt. Das Füttern kleiner Feuchtfutterbällchen aus erhöhter Position wurde für mindestens vier Wochen bzw. bei entsprechender Klinik lebenslang verordnet. Auf die Gefahr einer Aspirationspneumonie wurde mehrfach verwiesen. Nach telefonischer Rücksprache nach zwei und zwölf Wochen hat sich Chaplin postoperativ sehr gut erholt, zeigte selten Regurgitieren und nahm gut an Gewicht zu. Eine erneute Kontrastmittelpassage und Thoraxröntgen bzw. eine endoskopische Kontrolle wurden nicht durchgeführt.

Diskussion

Vaskuläre Ringanomalien sind kongenitale Missbildungen der Hauptarterien des Herzens und führen zu einer Einschnürung des Ösophagus und seltener auch der Trachea. Der persistierende rechte Aortenbogen ist die häufigste angeborene vaskuläre Ringanomalie. Bei betroffenen Tieren entwickelt sich die endgültige Aorta aus der rechten anstatt der vierten linken Kiemenbogenarterie (Ettinger et al., 2017). Laut einer aktuellen Studie von Schorn et al. ist ein persistierender rechter Aortenbogen mit einem persistierenden Lig. arteriosum und aberranter A. subclavia sin. (Typ 3) die häufigste Ringanomalie. In derselben -Studie wurde bei allen Hunden (n = 21) mit einer vaskulären Ringanomalie ein persistierendes Lig. arteriosum festgestellt. Dies hat zur Folge, dass der Ösophagus durch das von der rechtsliegenden Aorta ziehende Lig. arteriosum zur linken Pulmonalarterie eingeengt bzw. abgeschnürt wird. Weitere Anomalien sind z. B. die persistierende linke oder rechte A. subclavia, der doppelte Aortenbogen, ein normaler linker Aortenbogen mit rechtem Lig. arteriosum oder viele Mischformen (siehe Abb. 4; Johnsten et Tobias, 2017; Schorn et al).

Die Einschnürung des Ösophagus hat keine hämodynamische Relevanz. Wenn gleichzeitig ein persistierender Ductus arteriosus (PDA) vorliegt, ist auskultatorisch ein konstantes Maschinengeräusch hörbar. Katzen sind selten betroffen, bei Hunden besteht eine Rassedisposition für Deutsche Schäferhunde und Irische Setter (Ettinger et al., 2017). In der Studie von Schorn et al. waren zudem Labrador Retriever überrepräsentiert. Es scheinen beide Geschlechter gleichermaßen betroffen zu sein. Die ersten Symptome treten im Alter zwischen vier und sechs Wochen auf, wenn die Welpen ihre erste feste Nahrung aufnehmen. Betroffene Tiere zeigen ein retardiertes Wachstum, Husten, Regurgitieren und zum Teil Erbrechen. Die häufigste Komplikation ist die Aspirationspneumonie.

Bei jungen Tieren mit Regurgitieren müssen neben vaskulären Ringanomalien auch weitere Differenzialdiagnosen wie ein ösophagealer Fremdkörper, eine ösophageale Striktur und ein kongenitaler Megaösophagus ausgeschlossen werden. In der diagnostischen Aufarbeitung sollten deshalb immer Röntgenbilder des Thorax angefertigt werden. Bereits in den lateralen Nativröntgenaufnahmen ist eine ventrale Verlagerung und Dilatation des Ösophagus cranial des Herzens ersichtlich.

In dorsoventralen oder ventrodorsalen Röntgenaufnahmen kann eine Linksabweichung der Trachea auf der Höhe des cranialen Herzschattens feststellbar sein.

Mittels einer Kontrastmitteluntersuchung des Ösophagus (jodhaltige Kontrastflüssigkeiten oder Bariumsulfat) wird pathognomonisch für den PRAA und vaskuläre Ringanomalien mit dem plötzlichen Stopp des Kontrastmittels die präkardiale Aussackung des Ösophagus dargestellt. Die Endoskopie kann als Hilfestellung zur Unterscheidung von extra- oder intraluminalen Einschnürungen des Ösophagus dienen. Mithilfe von Angiografien oder Angio-CTs können weitere kongenitale Gefäßmissbildungen dargestellt werden, was die Operationsplanung erleichtert.

Ziel der Chirurgie ist es, die vaskuläre(n) Ringanomalie(n) sowie die fibrinösen Stränge zu lösen und somit die Obstruktion des Ösophagus zu beheben.

Die meisten Ringanomalien können durch eine linkslaterale Thorakotomie behoben werden (Johnsten et Tobias, 2017). Thorakoskopien stellen eine minimalinvasive Alternative dar, wobei das Risiko peri- bzw. postoperativer Komplikationen im Vergleich zu Thorakotomien gleich ist. Die technische Ausstattung sowie Erfahrung des Chirurgen stellen jedoch einen limitierenden Faktor dar (Nucci et al., 2018). Das Alter des Tieres zum Zeitpunkt der Operation scheint keinen Einfluss auf die langfristige (gute bis sehr gute) Prognose zu haben. Dauerhaftes Regurgitieren durch persistierenden Megaösophagus stellt postoperativ die häufigste Komplikation dar (Johnston et Tobias, 2017).

Literaturliste
Schorn C., Hildebrandt N., Schneider M., Schaub S. (2021): Anomalies of the aortic arch in dogs: evaluation with the use of multidetector computed tomography angiography and proposal of an extended classification scheme. BMC Veterinary Research, 17 (1): 387.
Ettinger S. J., Feldman E. C. (2017): Textbook Of Veterinary Internal Medicine, 8. Auflage, Saunders Elsevier. 1486–1487.
Nucci D. J., Hurst K. C., Monnet E. (2018): Retrospective comparison of short-term outcomes following thoracoscopy versus thoracotomy for surgical correction of persistent right aortic arch in dogs. Journal of the American Veterinary Medical Association, 253 (4): 444–451.
Johnston S. A., Tobias K. M. (2017): Veterinary Surgery: Small Animal Expert Consult, 2. Auflage. Saunders. 1469–1473.