Extrakorporale Therapien

in der Kleintiermedizin

Tierärztin Judith Schidelko-Prandl
Tierklinik Perchtoldsdorf Ost

In den USA bereits als Standardtherapie etabliert sind die extrakorporalen Therapien bei Hund und Katze in Österreich noch ein sehr neues Fachgebiet. Oft stellen sich Fragen: Macht das Sinn? Welche Indikationen gibt es eigentlich? Welche Verfahren stehen zur Verfügung? Und natürlich: Was erwartet meinen Patienten und seine Besitzer*innen?

Extrakorporale Verfahren

Das wohl bekannteste Verfahren aus dieser Gruppe ist die Hämodialyse. Hierbei können niedermolekulare Substanzen durch Diffusion entlang einer semipermeablen Membran in der Dialyseflüssigkeit entfernt werden.

Die Hämofiltration bedient sich der Konvektion: Zunächst wird Dialyseflüssigkeit dem Blut zugegeben und durch einen Ultrafilter wieder entfernt – dabei werden größere Moleküle aus dem Blut „mitgezogen“.

Hämodiafiltration bezeichnet die Kombination der beiden Verfahren und ist die Methode, die bei uns in den meisten Fällen angewandt wird.

Wir haben auch die Möglichkeit zur Hämoperfusion: Hier wird zusätzlich eine adsorptive Substanz genutzt, beispielsweise ein Aktivkohlefilter, um Substanzen aus dem Blut zu binden.

Ein völlig anderes Prinzip ist die Plasmapherese: Das Plasma des Patienten wird entweder zentrifugen- oder membrangestützt entfernt und durch Spenderplasma und Substitutionslösungen ersetzt.

Indikationen für Hämodialyse/Hämofiltration

Die häufigste und bekannteste Indikation für Hämodialyse oder Hämofiltration ist die akute Niereninsuffizienz. Natürlich bedarf nicht jede akute Niereninsuffizienz einer extrakorporalen Therapie, deswegen hier ein kurzer Leitfaden. Prinzipiell gilt allerdings das Prinzip: Lieber etwas früher beginnen als zu spät.

Wichtig ist es, die Phasen einer akuten Niereninsuffizienz im Kopf zu haben, auch wenn diese individuell etwas unterschiedlich verlaufen können. Die Dialyse kann nicht heilen, sondern lediglich überbrücken. Die Initiationsphase ist die Phase nach Schädigung der Niere, bis es zu ersten Symptomen kommt, sie dauert circa zwei Tage, danach kommt es zu einer circa fünf Tage dauernden Extensionsphase, in der sich in aller Regel die Symptome weiter verschlechtern. Irgendwann im Laufe dieser Phase werden die Patienten normalerweise einem Tierarzt bzw. einer Tierärztin vorgestellt. Danach kommt die Erhaltungsphase, die je nach Ursache der Erkrankung meist ein bis zwei Wochen dauert, selten bis zu drei Monate. Dies ist die Phase, die mit einer Dialysetherapie überbrückt werden soll. Danach kommt es entweder zu einer vollständigen oder zumindest partiellen Erholung der Niere oder zu einem endgültigen Absterben.

Was sind nun Indikationen, eine Dialyse für akute Niereninsuffizienz einzuleiten?

Hyperkaliämie ist dann eine Indikation, wenn sie nicht medikamentös kontrolliert werden kann. EKG-Veränderungen normalisieren sich meist sofort nach Dialysebeginn, weil dialysiertes Blut direkt ins Herz zurückgeht und bereits einen niedrigeren Kaliumspiegel aufweist.

Flüssigkeitsüberladung wird meist durch eine vorhergehende Infusionstherapie verursacht und kann durch Ultrafiltration wieder entfernt werden. Vor allem, wenn ein Patient bereits oligurisch oder anurisch ist, ist das eine absolute Indikation. Symptome einer Flüssigkeitsüberladung sind Nasenausfluss, Chemosis, periphere Ödeme, Ascites, Hypertension, Pleuralergüsse, Lungenödeme und Nierenödeme.

Starke Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt sind zwar selten die Hauptindikation für Dialyse, können aber schnell und effektiv korrigiert werden.

Starke oder progressive Azotämie: Die Indikation an genauen Werten festzumachen ist nicht möglich, trotzdem als grobe Richtlinie: Bei einem Creatinin > 5mg/dL sollte man zumindest über Dialyse nachdenken und eventuell schon mal mit den Besitzer*innen kommunizieren, ob das eine Option wäre. Bei einem Creatinin > 10mg/dL wird dazu geraten, definitiv mit der Therapie zu beginnen.

Chronische Niereninsuffizienz ist in der Veterinärmedizin eine sehr seltene und fragliche Indikation. Prinzipiell ist die Behandlung möglich, sie benötigt aber zwei bis drei Sitzungen pro Woche; damit stellt sich natürlich die Frage der Lebensqualität. Wir raten davon derzeit eher ab.

Intoxikationen bieten ein sehr großes Feld an Indikationen. Abhängig von Molekulargewicht, Proteinbindung und Verteilungsvolumen können sie meist effektiv mit einer der extrakorporalen Therapien behandelt werden. Auch hier gilt: Je früher die Therapie gestartet wird, desto besser.

Herzversagen ist in der Veterinärmedizin eine sehr theoretische Indikation – theoretisch können Lungenödeme behandelt werden, die nicht auf Diuretika ansprechen. Auch hiervon raten wir ab.

Ablauf einer Hämodialyse/Hämofiltration

Bei uns werden die Patienten zunächst stationär aufgenommen und, falls noch notwendig, sorgfältig diagnostiziert, um mit dem Besitzer bzw. der Besitzerin eine realistische Prognose besprechen zu können. Dann wird im Rahmen einer Sedierung ein großlumiger Dialysekatheter über die Vena jugularis gesetzt, der mit seiner Spitze im rechten Atrium zu liegen kommt. Nahezu bei allen Patienten wird gleichzeitig eine Ösophagussonde gesetzt, lediglich bei akuten Intoxikationen ist das manchmal nicht notwendig, weil diese Patienten oft noch normal fressen und dank der Dialyse auch wenig klinische Symptome entwickeln. Die Patienten erhalten dann eine Antikoagulation, um die Therapie zu ermöglichen. In aller Regel verwenden wir eine systemische Heparin-Antikoagulation. Bei akuter Blutungsneigung oder bei eventuell notwendigen chirurgischen Eingriffen entscheiden wir uns zu einer lokalen Citratantikoagulation. Wir starten dann die Therapie je nach Indikation als kontinuierliche Therapie oder als intermittierende Therapie (mit Pausen dazwischen). Die Patienten werden kontinuierlich von einer geschulten Person überwacht, eine Sedierung ist in aller Regel nicht notwendig. Auch sehr kleine Tiere können behandelt werden – dann wird das extrakorporale System vorher mit Spenderblut gefüllt, um die Hämodynamik des Patienten nicht zu sehr zu beeinträchtigen.

Indikationen für Plasmapherese

Prinzipiell ist die Plasmapherese eine Indikation für die meisten immunbedingten Erkrankungen, die mit Immunsuppressiva nicht kontrolliert werden können. Die hier genannten Indikationen sind nicht vollständig, weil es für manche seltene Erkrankungen einfach noch nicht genug belastbare Studien gibt.

Neuromuskuläre Erkrankungen: Vor allem für Myasthenia gravis gibt es oft sehr gute Erfolge, auch eine Polyradikuloneuritis oder eine akute Polymyositis können behandelt werden.

Hämatologische Erkrankungen: Für immunmediierte, hämolytische Anämie sind sehr viele erfolgreiche Behandlungen dokumentiert, als Richtlinie gilt: Wenn man sich überlegt, zur dritten Transfusion oder zum dritten immunsuppresiven Medikament zu greifen, ist dies eine Indikation für Plasmapherese. Ebenfalls gut behandelt werden können ein Hyperviskositätssyndrom bei Hyperleukozytose/Leukämie, Polyzythämie, Red-Cell-Aplasie oder neonatale Isoerythrolyse.

Nierenerkrankungen: Sowohl bei Lyme-Nephritis, bei systemischem Lupus und bei Leptospirose wurde eine Beteiligung von Immunkomplexen nachgewiesen, weswegen eine zusätzliche Plasmapherese zu einer Verbesserung der Prognose dieser Patienten führt.

Metabolische Erkrankungen: Auch die Behandlung einer Hyperlipidämie oder eines akuten Leberversagens mit Hyperbilirubinämie und Encephalopathie ist möglich, beispielsweise auch, um den Patienten für einen möglichen operativen Eingriff zu stabilisieren (Shunt).

Wie bereits oben erwähnt können auch viele Intoxikationen, Medikamentenüberdosierung und Schlangengift effektiv entfernt werden. Eine derzeit noch unklare Studienlage gibt es für die Behandlung von Meningitis, IMTP, Evans-Syndrom und Pemphigus.

Ablauf einer Plasmapherese

Der Ablauf der Therapie ist dem der Hämodialyse sehr ähnlich, allerdings werden hier eher seltener Ernährungssonden benötigt. Außerdem dauert die Therapie nur ein paar Stunden – es gibt keine kontinuierlichen Verfahren. Therapiert wird je nach Indikation zwischen ein- und viermal, die Behandlungen finden täglich oder alle zwei Tage statt.


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