Die CNE der Katze –

was ist bei der Urinuntersuchung zu beachten?

Dr. med. vet. Elisabeth Wagmeister

Die Prävalenz einer chronischen Nierenerkrankung (CNE) ist vor allem bei älteren Katzen sehr hoch. Zu den wichtigsten diagnostischen Mitteln zählt die Urinuntersuchung. Mit dieser werden Informationen zur Erkennung, Beurteilung und Therapie der Nierenschädigung gewonnen. Dabei gibt es einige wichtige Punkte zu beachten, zu denen uns Dr. Maximiliane Haider im folgenden Interview nähere Informationen liefert.

Frau Doktorin Haider, welche diagnostischen Schritte gehören für Sie zur Abklärung einer chronischen Nierenerkrankung (CNE, Anm.) bei der Katze?
Prinzipiell gehören für mich eine Blutuntersuchung, eine Urinuntersuchung und gegebenenfalls bildgebende Verfahren dazu, je nach klinischer Symptomatik. Eine Urinunter­suchung sollte immer durchgeführt werden – ­optimalerweise in regelmäßigen Abständen auch ohne Anzeichen einer Nierenproblematik, um eine beginnende CNE frühzeitig zu erkennen.

Heißt das, Sie halten die Urinuntersuchung im Zuge von Vorsorgeuntersuchungen bei Katzen für besonders wichtig?
Ja, auf jeden Fall. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen etablieren sich immer mehr in der Kleintiermedizin, eine Urinuntersuchung sollte unbedingt dazugehören. ­Diese wäre speziell bei älteren Katzen ab circa neun Jahren routine­mäßig alle sechs bis neun Monate optimal. Und besonders bei der CNE gilt: Je früher diese erkannt wird, umso besser, damit therapeutisch interveniert und der progressiv fortschreitende Krankheitsprozess verlangsamt werden kann. Unter Umständen ist eine Urinuntersuchung sogar hilfreicher als eine Blutuntersuchung. Dies kann vor allem bei Frühstadien-Patienten, IRIS Stage 1, der Fall sein. Es liegt im Blut noch keine Azotämie vor, aber es kann im Urin bereits eine Minderkonzentration festgestellt werden.

Ist für die Vorsorgeuntersuchung Spontanharn ausreichend und kann dieser auch von zu Hause mitgebracht werden?
Ja und ja. Zur Klärung der Fragestellung, wie gut die Konzentrationsfähigkeit der Nieren ist, wird das urinspezifische Gewicht, USG, bestimmt. Dafür reicht die Untersuchung von Spontanharn aus. Die Besitzer können den Urin von zu Hause mitbringen. Das kann besonders bei sehr ängstlichen Katzen von Vorteil sein. Es gibt spezielle Katzenstreu, die den Harn nicht aufsaugt. Wichtig ist, dass es sich um Morgen­urin handelt. Auch eine Sammelurinprobe über zwei, drei Tage ist möglich und gibt einen aussagekräfti­geren Durchschnittswert als eine Einzelprobe.

Welche Untersuchungsmöglichkeiten bietet der Urin und welche Besonderheiten sind zu beachten?
Grundsätzlich lassen sich mit einer Urinuntersuchung sehr viele Informationen gewinnen. Bei der makroskopischen Begutachtung kann eine Trübung oder Verfärbung auf ­pathologische Befunde hinweisen. Bei einer CNE ist der Urin aufgrund der Minderkonzentration meist heller.

Wichtig ist die Bestimmung des urinspezifischen Gewichts, allerdings muss das Ergebnis immer in der Gesamtheit betrachtet werden. Das USG kann z. B. aufgrund von Dehydratation, einer vorliegenden Proteinurie oder Glukosurie falsch hoch sein. Bei erniedrigten Werten zwischen 1008 und 1012, einer Isosthenurie, wäre die CNE das Erste, woran ich als Ursache denken würde; dagegen spricht die Hyposthenurie mit Werten unter 1008 gegen eine CNE, da eine gewisse Nierenfunktion nötig ist, um diesen Verdünnungseffekt überhaupt erreichen zu können.

Bei der Interpretation eines Harnteststreifens ist die Ablesezeit zu beachten. Dies ist vor allem für den pH-Wert ­wichtig. Harnstoff wird zu Ammoniak umgewandelt, wodurch bei einer zu langen Lagerung ein falsch hoher alkalischer pH-Wert angezeigt werden kann. Auch die Gewinnung des Urins sollte berücksichtigt werden – bei einer Zysto­zentese kann durch die Entnahme Blut in die Probe gelangt sein. Wenn eine Proteinurie auf dem Teststreifen angezeigt wird, darf diese nicht isoliert beurteilt werden. Eine Abklärung ist aber wichtig, vor allem bei Katzen mit Verdacht auf eine CNE.

Worauf muss bei der Interpretation einer Proteinurie geachtet werden? Muss auch immer das Protein-Kreatinin-Verhältnis (UPC, Anm.) bestimmt werden?
Bei der Interpretation einer Proteinurie ist es wichtig, das USG und das Sediment zu berücksichtigen. 1+-Protein muss bei einem stark konzentrierten Harn nicht zwangsläufig pathologisch sein und das UPC nicht unbedingt bestimmt werden. Dagegen kann 1+-Protein bei einer Isosthenurie durch den Verdünnungseffekt sogar falsch niedrig sein. Das UPC wäre in diesem Fall wichtig. Um postrenale Ursachen für eine Proteinurie ausschließen zu können, muss das Sediment unauffällig sein. Prärenale Ursachen können mittels einer Blutuntersuchung ausgeschlossen werden. Zur genauen Quantifizierung der Proteinurie und für das Staging ist die Bestimmung des UPC unbedingt nötig.

Was ist bei der Sedimentuntersuchung zu beachten?
Wichtig ist, dass die Probe schnell verarbeitet wird, idealerweise innerhalb von 15 bis 30 Minuten. Das Volumen sollte mindestens fünf Milliliter betragen. Beim Zentri­fugieren wird eine geringe Drehzahl von 1.000 bis 1.500 rpm eingestellt, damit fragile Zylinder nicht kaputtgehen. Anschließend werden ein natives und ein gefärbtes Präparat angefertigt. Im Nativpräparat geht es primär darum, Kristalle, ­Zylinder und Epithelzellen zu erkennen. Bei zu langer Lagerung können Kristalle als Artefakte entstehen. Im angefärbten Präparat werden primär Zellen und Bakterien beurteilt; diese sind angefärbt deutlich besser zu erkennen. Man kann sich dabei eines leicht merken: Alles über fünf pro High Power Field ist pathologisch. Dies bezieht sich auf eine 400-fache Vergrößerung.

So spricht man bei über fünf Leukozyten pro High Power Field von einer Pyurie. Häufig werde ich von KollegInnen gefragt, was das für Konsequenzen hat – auf jeden Fall ­sollte eine Harnkultur angelegt werden; in Abhängigkeit vom Ergebnis entscheide ich weiter. Bei einer negativen Kultur ist kein Antibiotikum nötig, bei einer positiven ­Kultur und Symptomen sollte antibiotisch behandelt werden. Besonders wichtig finde ich, dass Antibiotika nur bedacht und gezielt eingesetzt werden. Wenn Erythrozyten im Sediment vorhanden sind, könnten diese im Fall einer Zystozentese dadurch in die Probe gelangt sein. Außerdem ist im seltenen Fall von unkastrierten Kätzinnen der Zyklusstand zu beachten.

Noch eines halte ich in diesem Zuge für erwähnenswert: Mittlerweile gibt es automatische Messsysteme zur Analyse von Sediment. Diese liefern in kürzester Zeit mit minimalem Aufwand wichtige Informationen. Speziell bei zeit­lichen Engpässen können diese sehr hilfreich sein, wenn etwa die Untersuchung nicht innerhalb von 30 Minuten durchgeführt werden kann. Die Resultate sind mit der manuellen Messung gut vergleichbar. Die einzige Schwachstelle liegt in der Beurteilung von Epithelzellen und Zylindern; hier ist die manuelle Beurteilung zuverlässiger.

Sie haben die Gabe von Antibiotika erwähnt. Haben Sie dazu abschließend noch Hinweise oder gibt es Neuigkeiten?
Eine CNE prädisponiert für die Entstehung einer Harntraktinfektion. Zur Abklärung gehören ein Harnsediment und eine Kultur. Beim Nachweis von Erregern und bestehender klinischer Symptomatik sollte ein Antibiotikum gegeben werden. Es wird aktuell empfohlen, Antibiotika für drei bis fünf Tage und nicht länger zu geben. Das Spektrum sollte so klein wie möglich gehalten werden und die Antibiotikawahl idealerweise nach Antibiogramm erfolgen. Es ist wichtig, Reserveantibiotika wie Fluorchinolone nicht leichtfertig einzusetzen. Das Risiko von Resistenzbildungen ist zu minimieren. Außerdem sollte auf prophylaktische Antibiotikagaben, etwa im Zuge eines Harnkatheters, unbedingt verzichtet werden. Grundsätzlich gilt für die Gabe von Antibiotika: so wenig wie möglich, so viel wie nötig.


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