Dr. Maximilian Pagitz
Ausgabe 12/2019 - 01/2020
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen inklusive Harn- und eine Blutprobe sind bei Hund und Katze ein Muss. Vor allem wenn es um chronischen Nierenerkrankungen (CNE) geht, ist mit einer frühzeitigen Diagnose viel gewonnen.
Hat sich punkto Niere eigentlich so viel Neues getan, dass es sich auszahlt, einen Update-Artikel zu schreiben? Was sich vor allem verändert hat, ist das Bewusstsein der TierbesitzerInnen: Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen werden immer mehr als wichtiger Baustein für die Erhaltung der Tiergesundheit erkannt und beim Tierarzt nachgefragt. Zusätzlich zu den regelmäßigen Impfungen soll analog zum Menschen der Gesundheitszustand überprüft werden – ein wichtiger Punkt, den wir unbedingt unterstützen müssen, vor allem in Hinblick auf die Diagnostik und Therapie von chronischen Nierenerkrankungen (CNE) und Glomerulopathien. Diese sollten rechtzeitig erkannt werden, um eine gezielte Therapie, an den Patienten angepasst, durchführen zu können. Und rechtzeitig bedeutet hier frühzeitig, um die Progression zu verlangsamen und die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten, bevor deutliche Störungen in der Regulation und schwere klinische Symptome auftreten. Daher bin ich ein Befürworter der Vorsorgeuntersuchungen bei Hund und Katze. Wenn im Rahmen der Impfvisiten stets eine Harn- und eine Blutprobe untersucht werden würden, wäre schon viel gewonnen.
Die drei Säulen in der Nierendiagnostik sind meiner Meinung die Blut-, die Harn- und die Ultraschalluntersuchung. Zentrales Element für die meisten Patienten ist die indirekte Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) durch Messung von Kreatinin, Harnstoff, Cystatin C oder SDMA in Serum bzw. Plasma. Eigentlich ist das noch immer der Grundpfeiler in der Nierendiagnostik. Alle aufgezählten Parameter messen die gleiche Funktion der Niere – oder besser gesagt: den Rückgang dieser Funktion. Und alle haben sie den gemeinsamen Nachteil, dass es erst zu einem Anstieg kommt, wenn über 66 % der Nephrone keine Funktion zeigen. Die Hauptunterschiede zwischen diesen Parametern liegen in ihrer Produktion im Körper und den Messmethoden. Je konstanter die Produktion im Körper und je stabiler die Messmethode, desto früher wird eine verminderte Nierenfunktion erkannt.
Und da liegt auch ein Hauptproblem von Kreatinin, das aus dem Muskelstoffwechsel stammt: Je weniger Muskulatur, desto niedriger der Kreatininspiegel, und umso mehr Anstieg ist notwendig, um den Referenzbereich zu verlassen. Problematisch ist das bei kleinen Hunderassen und geriatrischen Patienten mit Muskelschwund. Da SDMA unabhängig von der Muskelmasse ist, kann durch die Messung von SDMA zusätzliche Information gewonnen werden. Bei Katzen konnte gezeigt werden, dass bei geriatrischen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz SDMA früher ansteigt als Kreatinin. Patienten mit normalem Kreatininwert, aber dauerhaft erhöhtem SDMA werden daher bereits als IRIS Stage 1 bezeichnet.
Der Zusammenhang zwischen sinkender Nierenfunktion bei chronisch nierenkranken Hunden und Katzen und ansteigendem SDMA oder Kreatinin ist mittlerweile hinlänglich wissenschaftlich bewiesen. Beide Parameter haben Vor- und Nachteile, und ich denke nicht, dass es darum geht, einen durch den anderen zu ersetzen, sondern durch die Kombination von Kreatinin und SDMA die Chancen zu erhöhen, eine Nierenerkrankung zu erkennen. Prärenalen Einflüssen unterliegen alle indirekten Marker der GFR. Dementsprechend steigen sie alle bei Dehydrierung an. Zur Differenzierung zwischen prärenaler und renaler Azotämie bleibt die Bestimmung des harnspezifischen Gewichts daher weiter essenziell. Und bei einer unbehandelten Hyperthyreose kann es zu einer fälschlichen Absenkung von sowohl SDMA als auch Kreatinin und Harnstoff kommen – ein Problem, da in der Altersklasse der Katzen über zehn Jahren beide Erkrankungen häufig und mitunter auch kombiniert auftreten. Mehrere Publikationen haben versucht, herauszufinden, ob die Bestimmung von SDMA oder Kreatinin eine bessere Vorhersage über die Nierenfunktion nach Schilddrüsentherapie erlaubt, und die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich. Zusammengefasst ist keiner der beiden Werte wirklich verlässlich. Sie müssen also weiterhin die Schilddrüse therapieren und abwarten, wie sich die Nierenfunktion entwickelt. Versuchen Sie dabei, eine iatrogene Hypothyreose zu vermeiden, da sich diese als Progressionsfaktor für eine gleichzeitig bestehende CNE herausgestellt hat.
Bei Vorliegen einer renalen Azotämie sollte je nach Höhe der Azotämie für eine gezielte Therapie des Patienten mit der weiteren Diagnostik begonnen werden. Weiters gilt es, mögliche Auslöser oder komplizierende Erkrankungen zu finden – ich denke da vor allem an Krankheiten wie Leishmaniose, chronische Harnwegsinfektion, Harnsteine in den oberen Harnwegen, idiopathische oder paraneoplastische Hypercalcämie und so weiter.
Bei meinen Patienten führe ich bei renaler Azotämie daher generell eine erweiterte Blutuntersuchung durch: Gesamtblutbild (bei Anämie inklusive Retikulozyten), Kreatinin, SDMA, Harnstoff, Phosphor, Totalprotein, Albumin, Kalium, Natrium, Chlorid, Calcium – bei Verdacht einer Hypercalcämie auch ionisiertes Calcium und bei Schwäche auch eine Creatinkinase; zusätzlich eine Harnuntersuchung und ein Abdomen-Ultraschall sowie ein Röntgen des Abdomens bei Verdacht auf Harnsteine. Die erste Harnprobe mit Untersuchung von spezifischem Gewicht, Harnsediment, Harnteststreifen, makroskopischer Beurteilung und Bestimmung des Harn-Protein/Kreatinin-Quotienten (UP/C) kann ruhig aus einem Spontanharn (Mittelstrahl) erfolgen. Sollte es Veränderungen im Sediment oder Hinweise auf eine Proteinurie geben, dann empfiehlt sich die Untersuchung einer Probe, die mittels Zystozentese gewonnen wurde. Ob bei jedem Patienten eine Harnkultur notwendig ist, bleibt dem Tierarzt überlassen; bei einem veränderten Harnsediment sollte sie aber auf jeden Fall durchgeführt werden.
Zusätzlich wird bei jedem Patienten der Blutdruck bestimmt: Ist dieser im normalen Ordinationsumfeld im Normalbereich (Blutdruck < 140 mmHg), dann ist es gut. Bei Werten bis 159 mmHg (prähypertensives Stadium) sollte die Messung innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate wiederholt werden. Bei Werten > 160 mmHg und hohen, akuten Anzeichen von Endorganschäden wie retinalen Blutungen, Retinaablation, Proteinurie usw. wird der Blutdruck in Ruhe, isoliert und weit weg von anderen Tieren, in Anwesenheit des Tierbesitzers und nach einer Eingewöhnungszeit von mindestens 5–10 Minuten innerhalb der nächsten zwei Wochen noch zweimal bestimmt. Sinkt der Wert dabei unter 160 mmHg systolisch, dann wird nur weiter überwacht; bleibt der Wert > 160 mmHg (vor allem > 180mmHg), dann sollte über eine Therapie nachgedacht werden. Wenn akute Endorganschäden vorliegen, dann wird sofort mit der Therapie begonnen (siehe auch ACVIM Consensus Statement: Guidelines for the identification, evaluation, and management of systemic hypertension in dogs and cats 2018). Je nach Höhe des Kreatininwerts werden die Patienten entsprechend dem IRIS-Staging-System in fünf Stufen eingeteilt: Patienten mit einem Risiko für die Entstehung einer CNE (Kreatinin normal [Hund < 1,4mg/dl ; Katze < 1,6 mg/dl] und SDMA dauerhaft erhöht oder ein anderer Hinweis auf CNE) = Stage 1. Dann folgen die „echten“ CNE-Patienten in den Stages 1 bis 4. Um mit diesem System zu arbeiten, sollte man optimalerweise ein Labor verwenden, bei dem die Genauigkeit der Kreatininmessung einen oberen Referenzwert von 1,4 mg/dl beim Hund und 1,6 mg/dl bei der Katze erlaubt. Stage 2 bedeutet einen Kreatininwert zwischen 1,4 und 2,0 mg/dl (Hund) bzw. 1,6 und 2,8 mg/dl (Katze) bei eventuell noch vollständig fehlenden oder nur milden klinischen Zeichen. Bei Stage 3 befindet sich der Kreatininwert beim Hund zwischen 2,1 und 5,0 mg/dl und bei der Katze zwischen 2,9 und 5,0 mg/dl. Es liegt also eine moderate renale Azotämie vor und man findet die typischen klinischen Symptome einer geschädigten Niere und vereinzelt extrarenale Krankheitssymptome. Im Stage 4 – und damit dem höchsten Grad – sind die klinischen Symptome ausgeprägt, systemische Anzeichen nehmen zu, Kreatinin ist hochgradig erhöht (> 5,0 mg/dl bei Hund und Katze), und auch das Risiko einer urämischen Krise und des Todes durch endgültiges Nierenversagen steigt rapide an.
Die IRIS-Stadien werden dann entsprechend dem Auftreten einer Proteinurie oder Hypertension weiter unterteilt. Die Einteilung der Proteinurie basiert auf dem Protein/Kreatinin-Quotienten im Harn (UPC). Ein Quotient < 0,2 schließt eine Proteinurie aus (nicht proteinurisch) und > 0,4 (Katze) bzw. > 0,5 (Hund) bestätigt eine Proteinurie; Werte zwischen 0,2 und 0,4 (Katze) bzw. 0,2 und 0,5 (Hund) liegen im Grenzbereich. Prä- und postrenale Faktoren (v. a. Dysproteinämien, Harnwegsinfektionen und Harnwegsblutungen), die zu falsch positiven Ergebnissen führen können, sind bitte zu berücksichtigen. Positive Ergebnisse müssen binnen zwei Wochen mit einer zweiten Messung bestätigt werden, dann sind sie therapierelevant. Tests mit Ergebnissen im Grenzbereich sollten nach zwei Monaten wiederholt werden. Eine Hypertension liegt ab einem durch mehrmalige Messungen bestätigten persistierenden systolischen Blutdruck ab 160 mmHg vor (siehe oben). Die Messungen sollten in Ruhe und ohne Stress an mehreren Tagen oder zumindest mit zwei Stunden Abstand erfolgen. Zwischen 150 und 159 mmHg liegt der Blutdruck im Grenzbereich, mit einem geringen Risiko für Endorganschäden. Zwischen 160 und 179 mmHg liegt eine Hypertension mit moderatem Risiko und ab 180 mmHg eine schwere Hypertension mit hohem Risiko vor. Bei Rassen mit spezifischen Blutdruckgrenzwerten sind die Risikostufen abhängig von der Größe des Anstiegs definiert mit minimal (< 10 mmHg), gering (10–20 mmHg), moderat (20–40 mmHg) und hoch (> 40 mmHg). Entsprechend der Ausprägung der Nierenerkrankung und der veränderten klinischen und Laborparameter können wir dann die weitere Therapie planen. Eine gezielte Therapie basiert immer auf den pathophysiologischen Entgleisungen und Kompensationsmechanismen der Patienten und soll die Progression der CNE verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten erhalten.
Die „IRIS Society“ hat dafür entsprechende Therapieempfehlungen veröffentlicht (www.iris-kidney.com). Aber Achtung, die Therapieempfehlungen basierend auf dem IRIS-Staging sind keine Kochrezepte, sondern nur Anhaltspunkte. Wir müssen weiterhin jeden Patienten individuell aufarbeiten und einen „personalisierten“ Therapieplan erstellen – wobei von „müssen“ natürlich keine Rede sein kann, denn genau diese Form von Medizin macht ja den Reiz aus. Die Therapie bei Stage 1 richtet sich vor allem gegen eine chronische Dehydrierung, falls vorhanden, und eine eventuell vorliegende Proteinurie oder Hypertension; beide können in jedem Stadium einer CNE auftreten. Hypertension und Proteinurie gehören zu den Progressionsfaktoren der CNE und müssen daher ernst genommen werden.
Die Empfehlungen zur antihypertensiven Therapie beim Hund mit CNE bestehen noch immer aus der initialen Gabe von ACE-Hemmern in der Standarddosis mit dem Ziel, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System zu blocken. Startdosis ist in der Regel 0,5–2,0 mg/kg Enalapril oder Benazepril per os zweimal täglich. Sollte dies keinen entsprechenden Effekt zeigen, wird die doppelte Dosis des ACE-Hemmers verabreicht. Wenn die Wirkung noch immer nicht ausreicht, dann folgt die Kombination von ACE-Hemmer und Amlodipin oder die Kombination ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) – Achtung: Auftreten von Hyperkaliämie möglich! – oder Hydralazin. Anstelle eines ACE-Hemmers könnte initial auch ein ARB mit der Dosis von 1 mg/kg/Tag eingesetzt werden. Bei einem bestätigten Blutdruck > 200 mmHg sollte gleich mit einer Doppeltherapie aus ACE-Hemmer und Amlodipin (0,1–0,5 mg/kg/Tag Amlodipin) begonnen werden. Achtung, Amlodipin wird bei der chronischen Niereninsuffizienz nie als Einzeltherapie gegeben (Risiko der Nierenschädigung durch weitere Erhöhung des intraglomerulären Drucks!).
Bei der Katze haben sich die Therapieoptionen mit der Einführung des ARB Telmisartan geändert. Bei akuten Endorganschäden wird weiter Amlodipin als First-Line-Therapie verabreicht. Liegt der systolische Blutdruck < 200 mmHg, dann in der Dosis von 0,625 mg/Katze/Tag und > 200 mmHg mit 1,25mg/Katze/Tag. Bei Bedarf muss die Dosis auf bis zu 2,5 mg/Katze/Tag erhöht oder die Therapie erweitert werden. Bei Katzen, bei denen eine orale Therapie unmöglich ist, kann Amlodipin in eine transdermal zu verabreichende Salbe eingearbeitet werden (Mixon W, Helms SR in Int J Pharm Compd. 2008;12:392–397). Bei Katzen mit einem systolischen Blutdruck < 200 mmHg hat sich gezeigt, dass Telmisartan in der Dosis von 2 mg/kg/Tag eine effektive blutdrucksenkende Wirkung hat. Die Wirkung setzt allerdings langsamer ein. Deshalb, und da mit einem ARB auch eine RAAS-Blockade erzielt wird, empfehlen viele Nephrologen einen Therapiestart mit Telmisartan bei Katzen mit CNE und einem systolischen Blutdruck < 200 mmHg. Die Kombination von Telmisartan und Amlodipin bzw. Amlodipin und einem ACE-Hemmer bei persistierender Hypertension bei Katzen wurde in Studien als sicher befunden. Von einer initialen Therapie einer Hypertension bei der Katze mit ACE-Hemmern wird abgeraten, da die absenkende Wirkung in der Regel zu gering ist (ca. 10 mmHg). Mit der blutdrucksenkenden Therapie sollte nicht gestartet werden, wenn der Patient instabil und dehydriert ist, da es dadurch zu einer Verschlechterung der GFR kommen kann. Interessanterweise empfiehlt das IRIS-Board den zusätzlichen Einsatz einer natriumreduzierten Diät, obwohl die Evidenz hierfür unklar ist. Die erste Kontrolle der blutdrucksenkenden Therapie erfolgt nach sieben bis zehn Tagen, bei akuten Endorganschäden bereits nach ein bis drei Tagen. Liegt der Blutdruck dabei > 160 mmHg, muss die Dosis entsprechend erhöht oder die Therapie erweitert werden. Liegt der Blutdruck zwischen 120 und 160 mmHg, wird die Dosis beibehalten und die Therapie nach vier bis sechs Monaten erneut überprüft. Bei Werten < 120 mmHg sollte die Dosis entsprechend verringert werden. Bei Nierenpatienten ist im Rahmen der Blutdruckkontrolle immer auch eine Überprüfung der Nierenfunktion notwendig. Wenn es bei CNE zu einer Proteinurie ohne Hypertension kommt, dann wird beiHund und Katze mit RAAS-Inhibitoren (ACE-Hemmer oder ARB) und der Fütterung einer Nierendiät behandelt. Sollte bei Katzen Telmisartan verwendet werden, dann für eine Proteinurie ohne Hypertension nur in der Dosis von 1mg/kg/Tag. Bei hochgradigen Fällen mit Hypalbuminämie ist zusätzlich eine Thromboseprophylaxe zu überlegen.
Therapie Stage 2: Augenmerk sollte auf die Phosphat- und Kaliumkonzentration im Blut und eine eventuelle metabolische Azidose gelegt werden. Aufgrund der Progression der CNE haben viele Patienten trotz normalem P-Spiegel im Blut bereits einen sekundären renalen Hyperparathyreoidismus. Ziel ist es daher, den P-Spiegel unter 1,5 mmol/l (< 4,6mg/dl) zu halten und gleichzeitig eine Hypophosphatämie < 0,9 mmol/l (< 2,7 mg/dl) zu vermeiden. Gestartet wird mit einer P-reduzierten Nierendiät, und wenn diese nicht ausreicht, den P-Spiegel < 1,5 mmol/l zu senken, dann wird zusätzlich ein intestinaler P-Binder eingesetzt (30–60 mg/kg/Tag; Dosis titrieren, bis Effekt oder Nebenwirkungen auftreten; Aluminiumhydroxid, Aluminiumcarbonat, Calciumcarbonat, Calciumacetat oder Lanthanumcarbonat). Hypercalcämien und Hypophosphatämien müssen verhindert werden.
Hypokaliämien können vor allem bei Katzen auftreten, schränken die Lebensqualität ein und sind auch noch progressionsfördernd. Empfohlen wird ein Ausgleich durch orale Supplemente (i. d. R. 1–2 mmol/kg/Tag). Ich weiß, dass Geräte zur Blutgasmessung nicht standardmäßig in Kleintierordinationen stehen, wer aber eines hat, sollte bereits bei Stadium-2-Patienten nach Rehydrierung auf die Suche nach einer metabolischen Azidose gehen und diese bei Bedarf ausgleichen. Im IRIS-Stadium 3 gelten dieselben Therapieempfehlungen wie in den Stadien 1 und 2. Aufgrund des weiteren Verlusts von Nierengewebe und der beginnenden systemischen Zeichen ist aber mit gastrointestinalen Problemen wie milden Blutungen und einer verminderten Erythropoetinproduktion zu rechnen. Dadurch kann es zu einem Absinken der Erythrozytenzahl kommen. Bei Auftreten einer hyporegenerativen Anämie mit einem Hämatokrit < 20% wird eine Erythropoetinsubstitution mit Darbepoetin oder Erythropoetin alpha empfohlen. Übelkeit, verminderter Appetit und Erbrechen werden mit Protonenpumpenblockern und Antiemetika behandelt. Achtung bei der Verabreichung von Medikamenten, die primär renal eliminiert werden, dass es nicht zu Akkumulationen kommt! Dosisreduktionen oder Intervallverlängerungen sind eventuell notwendig. Häufigere parenterale Flüssigkeitsgaben zur Aufrechterhaltung des Flüssigkeitshaushalts sind meist notwendig. Die Therapie im IRIS-Stadium sollte in Hinblick auf die Fütterung und eine Protein- und Kalorien-Mangelernährung genau überwacht werden. Die Flüssigkeitsaufnahme muss meistens weiter gesteigert werden.
So, und nun bin ich von meiner Aufgabe, ein Update über die Nierendiagnostik zu schreiben, völlig abgeglitten. Was gibt es noch zu berichten? Die Forschung richtet sich momentan sehr stark auf FGF-23 (fibroblast growth factor 23) aus. FGF-23 ist ein Phosphotonin, das bei verminderter Nierenfunktion langsam ansteigt. FGF-23 hat zwar eine Korrelation zu Kreatinin und SDMA, der treibende Faktor ist aber im Phosphat- oder Aldosteronhaushalt zu suchen. Möglicherweise bekommen wir hier in Zukunft einen neuen Marker, mit dem wir auch unseren Therapieerfolg besser überwachen können. Genetische Tests zum Nachweis unterschiedlicher angeborener Erkrankungen wie z. B. der familiären Nephropathie beim englischen Springer-Spaniel werden uns nicht nur in der Frühdiagnostik, sondern vor allem auch in der Zucht helfen.
Untersuchungen zur Bestimmung von Enzymen im Harn, um tubuläre Nierenschäden nachzuweisen, wie z. B. die γ-Glutamyl-Transferase (GGT), werden ebenfalls immer wieder publiziert, und vielleicht bekommen wir in näherer Zukunft die Möglichkeit, unser diagnostisches Repertoire auszuweiten. Wobei: Es wäre schon viel geholfen, wenn bei jeder Impfung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung eine Harnprobe untersucht werden würde. Dann würden wir viele Patienten mit Proteinurie aufgrund einer Glomerulopathie detektieren, bevor es zur Azotämie, oder noch schlimmer, einem nephrotischen Syndrom kommt. Und wie immer bei der Niere gilt: Je früher diagnostiziert, desto früher therapiert – und desto besser der Therapieerfolg.