Von vorne anfangen –

ein Gespräch über die atopische Dermatitis des Hundes und andere Herausforderungen in der dermatologischen Praxis

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

Dr. med. vet. Claudia Kreil-Ouschan, Fachtierärztin für Dermatologie, gibt Tipps zu Diagnose und Therapie.

Was, wenn der Allergietest nicht weiterhilft? Ist der Keim, der im bakteriologischen Befund auftaucht, sekundär oder die Wurzel des Übels? Sollte ich den Besitzer*innen zur Desensibilisierung raten? Antworten auf diese ­Fragen nennt Dr. med. vet. Claudia Kreil-Ouschan, Fachtier­ärztin für Dermatologie, im Gespräch mit dem Vetjournal.

Atopische Patienten, die zu Ihnen kommen, haben oft schon einen langen Weg hinter sich, es wurden bereits mehrere Untersuchungen und Therapieversuche durchgeführt. Wie gehen Sie vor, wenn so ein Hund auf Ihrem Behandlungstisch sitzt?
Ich tue so, als wäre er noch nirgends gewesen, und fange mit der Diagnostik ganz von vorne an. Das ist wichtig, denn oft liegen mir nicht alle Befunde der vorangegangenen Untersuchungen vor, oder es gibt keinen schriftlichen Befund – zum Beispiel von einer Untersuchung mit der Wood’schen Lampe. So kann ich den Fall neu aufrollen und von allen Seiten her beleuchten. Dann erstelle ich einen Plan für weitere Diagnostik und Behandlungs­möglichkeiten – individuell für jeden Patienten, denn was bei dem einen Hund gut funktioniert, muss nicht für den nächsten genauso passen.

Manchmal stimmen die Ergebnisse der Diagnostik nicht mit der klinischen Symptomatik überein – wenn zum Beispiel der Allergietest eine Hausstaub- und keine Pollenallergie ergibt, der Juckreiz aber im Sommer stärker wird und Läsionen auftreten …
Dann glaube ich dem Allergietest nicht. Vielleicht ­wurde er in einer symptomfreien Phase durchgeführt, oder in ­einer anderen Jahreszeit. Es gibt viele Faktoren, die den Test beeinflussen können. Das Ergebnis muss unbedingt auch in Bezug auf die klinischen Symptome bewertet ­werden. Im Zweifelsfall wiederhole ich den Test und setze vorher alle Medikamente ab. Auch ein Intrakutantest ist eine gute Möglichkeit, bei fraglichen Ergebnissen mehr Klarheit zu bekommen.

Die Therapiemöglichkeiten für atopische Dermatitis bei Hund und Katze sind inzwischen vielfältig. In welchen Fällen bevorzugen Sie den Einsatz von Ciclosporin oder Cortisonpräparaten, in welchen Fällen raten Sie eher zu einer Desensibilisierung?
Wenn der Juckreiz nur für drei oder vier Wochen im Jahr auftritt, rate ich den Besitzer*innen meist dazu, ihn ­während dieser Phase zu unterdrücken.

Ein Tipp ist, in der fraglichen Zeit regelmäßig den Pollenflugkalender zu lesen und mitzuschreiben, welche ­Pollen gerade aktiv sind – sonst ist es schwer, den Auslöser für die Allergie zu finden, denn die Allergietests suchen vor allem nach Reaktionen auf Pollen, die über einen längeren Zeitraum fliegen, also mindestens zwei bis drei Monate. Dann ist auch eine Desensibilisierung sinnvoll. Die ­Compliance der Tierhalter*innen ist hier besonders wichtig, da die Desensibilisierung im Erfolgsfall ja lebenslang durchgeführt werden muss.

Auch monoklonale Antikörper werden inzwischen von vielen Kolleg*innen gerne verwendet, um den Juckreiz zu lindern. Gibt es Tipps, was man beachten sollte und wann welcher Wirkstoff am besten eingesetzt wird?
Ich verwende Lokivetmab, wenn der Patient nur Juckreiz sine materia zeigt. Liegt schon eine Entzündung vor, empfehle ich zu Beginn Oclacitinib. Man kann dann später auf Lokivetmab wechseln. Bei massiven Hautveränderungen gebe ich zu Beginn gerne Cortison und wechsle dann je nach Bedarf auf Alternativprodukte. Es ist auch sinnvoll, Flare-ups in der Akutphase wirklich mit Cortison zu stoppen.

Die Wirkung von Ciclosporin setzt meist erst nach vier bis sechs Wochen ein. Das bedeutet, es gibt einen längeren Zeitraum zu überbrücken, bis man die Wirkung sieht. Das bespreche ich auch mit den Besitzer*innen. Deshalb kombiniere ich es zu Beginn gerne mit Cortison und schleiche es dann aus. Ciclosporin gebe ich gerne bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen, Perianalfisteln und bei Katzen mit eosinophilem Granulomkomplex.

Was halten Sie von ergänzenden Therapeutika?
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren helfen, die Haut-barriere zu stärken und den Lipidfilm aufzubauen. Unterstützend setze ich sie bei Atopikern und bei Patienten mit Keratinisierungsstörungen, etwa Sebadenitis, ein. Ich verwende gerne Futter mit essenziellen Fettsäuren, Nahrungsergänzungsmittel oder die Öle selbst: Gute Erfahrungen habe ich mit Sonnenblumen- und Leinöl gemacht.

Immer häufiger wird bei der bakteriologischen Untersuchung ein MRSA-Keim gefunden, also ein Bakterium, das schon Resistenzen gegen alle gängigen Antibiotika aufweist. Was können wir aus Ihrer Sicht bei dermatologischen Patienten beachten oder vermeiden, um diese Entwicklung einzudämmen?
Gerade bei Pyodermien ist es wichtig, nicht sofort Antibiotika zu verschreiben. Hier ist in den meisten Fällen eine lokale Behandlung mit desinfizierenden, antibakteriellen Shampoos und juckreizlindernden Lösungen, Schaum oder Sprays völlig ausreichend. Auch die Fluoreszenzlichtenergie-Therapie oder der Einsatz von Kaltplasma können hilfreich sein. Lokale Therapieformen werden unterschätzt – stattdessen wird teils ein Antibiotikum für sieben Tage verschrieben, ohne einen Kontrolltermin zu vereinbaren. Die Besitzer nehmen wahr, dass die betroffenen Stellen dann „ein bisschen besser“ aussehen. Nach einiger Zeit verschlechtern sich die Symptome wieder, und sie kommen zur Kontrolle – dann bekommen sie ein anderes Antibiotikum, weil das erste ja vermeintlich nicht gewirkt hat. Dabei sind die Probleme nicht schon -wieder, sondern noch immer da. Im Idealfall startet man mit einer lokalen Therapie, bis man das Ergebnis der bakterio-logischen Untersuchung in der Hand hat.

Sehen Sie häufig Autoimmunerkrankungen wie Pemphigus foliaceus? Kann das Erscheinungsbild bei diesen Erkrankungen ähnlich sein wie bei atopischer Dermatitis?
Pemphigus ist vom klinischen Bild her recht eindeutig. Die Hunde zeigen Blasen, Pusteln und krustige Ausschläge an den typischen Stellen. Schon in der Zytologie sieht man die verdächtigen Zellen – akantholytische Zellen sowie neutrophile Granulozyten. Ich mache immer eine Biopsie und ein Blutbild, um die Diagnose zu bestätigen. Es wird zwar empfohlen, die ANA-Antikörper zu bestimmen, diese sind jedoch selten positiv und für die Diagnosestellung daher nicht so wichtig wie die Biopsie. Schwieriger ist bei Pemphigus die medikamentöse Einstellung, da nicht alle Hunde gleich gut auf die Therapie ansprechen. Nur selten sehen Läsionen, die aufgrund einer Infektion entstehen, einer Autoimmunkrankheit ähnlich, aber es kommt vor: Ich hatte einmal den spannenden Fall, dass sich ein vermeintlicher Lupus als Dermatophytose entpuppte!


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