Monoklonale Antikörper

Therapie der Zukunft?

Tierärztin Tanja Warter

Vom Juckreiz bis zur Tumorzelle gibt es viele Indikationen für den Einsatz monoklonaler Antikörper. Der Haken war bisher der hohe Preis – das ändert sich nun.

Im medizinischen Fachjargon zählen sie zu den Biologika, was wegen der Silbe „bio“ gelegentlich für Verwirrung unter Laien sorgt: Bei monoklonalen Antikörpern handelt sich um gentechnisch modifizierte Präparate, die in der Humanmedizin seit gut 20 Jahren einerseits in der Diagnostik, andererseits in der Therapie eingesetzt werden. Im Vordergrund stehen Immunsuppression und Krebs­behandlungen, aber auch in der Dermatologie, Rheumatologie und bis hin zur Therapie bei Infektionserkrankungen gibt es in der Humanmedizin beachtliche Erfolge.

Die grundlegende Idee hinter der Entwicklung von monoklonalen Antikörpern in den 1970er-Jahren ist bestechend. Die Forscher dachten sich damals: Wenn B-Zellen bei Kontakt mit einem Antigen in der Lage sind, Plasma­zellen zu produzieren, die passende Antikörper ausschütten, wäre es doch optimal, wenn man gleich gezielt Antikörper gegen bestimmte Antigene züchten und im Krankheitsfall verabreichen könnte. Die Realisierung dieser Idee war die Geburtsstunde der Hybridomtechnik.

Das Prinzip: Zuerst wird eine Maus mit einem Antigen infiziert. Die B-Lymphozyten der Maus ­setzen die Produktion von Antikörpern in Gang. ­Diese passend für das spezielle Antigen arbeitenden B-Zellen werden aus der Milz der Maus, wo sie sich ­anreichern, entnommen und isoliert. Da sich B-Zellen in Kultur aber nicht vermehren lassen, müssen sie mit ­Plasmazellen fusioniert werden – es entstehen Hybridomzellen. Sie ­vereinen beide erwünschte Eigenschaften: Sie können durch die B-Zellen den gewünschten Antikörper produzieren und sich durch die Plasmazellen in vitro unbegrenzt vermehren. So entspringen erwünschte Anti­körper in großen Mengen einem einzigen geklonten Lymphozyten. Für die Entwicklung der ersten monoklonalen Antikörper bekamen César Milstein und Georges Köhler 1984 den Nobelpreis.

Therapeutisch waren monoklonale Antikörper anfangs noch kein großer Wurf, doch mit neuen Technologien, u. a. dem sogenannten Phagendisplay für die Klonierung humaner Antikörper, haben sie innerhalb der vergangenen 20 Jahre enorm an Bedeutung gewonnen. Das Paul-Ehrlich-Institut listet inzwischen 118 unterschiedliche monoklonale Antikörper auf, aus vielen Bereichen der Humanmedizin sind sie nicht mehr wegzudenken. Auch in der Behandlung von Covid-19 spielen sie eine Rolle.

Bei diesen Erfolgen war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Veterinärmedizin eigene biotechnisch vergleichbare Medikamente bekommen sollte. Anfangs zögerten Arzneimittelhersteller, wahrscheinlich wegen der zu hohen Kosten; doch seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass Tierhalter zunehmend tiefer in die Tasche greifen, um ihren Lieblingen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen. Ein maßgeblicher Vorteil der monoklonalen Antikörper: Ihr Wirkprinzip sorgt dafür, dass sich Nebenwirkungen in Grenzen halten und dass sie außerdem gut mit anderen Medikamenten kombiniert werden können. Zugleich sanken die Entwicklungskosten, was den Weg für den Einsatz in der Veterinärmedizin ebnete.  
Vor vier Jahren bekam der erste monoklonale Anti­körper für die Tiermedizin (für die Behandlung atopischer ­Dermatitis beim Hund) seine Zulassung in der EU: Lokivetmab wird aus gentechnisch veränderten Hamsterzellen erzeugt und bindet gezielt an Interleukin 31 – so wird die Entstehung von Juckreiz blockiert. Mittlerweile engagieren sich große Konzerne ebenso bei der Entwicklung wie aufstrebende Start-ups.

Beispiel Onkologie: Derzeit sind die gebräuchlichsten Therapieansätze die chirurgische Entfernung, Bestrahlung, Chemotherapie oder Kombinationen daraus. Abgeleitet aus der Humanmedizin gibt es inzwischen zugelassene caninisierte monoklonale Antikörper für den Einsatz bei B-Zell- und T-Zell-Lymphomen beim Hund – bislang lagen die Ergebnisse aber unter den Erwartungen.

Beispiel Schmerztherapie: Der neue monoklonale Antikörper Bedinvetmab, zugelassen seit knapp einem Jahr, kommt bei Osteoarthritis-Schmerzen zum Einsatz. Dieser Antikörper hat den Nerve Growth Factor (NGF) im Fokus, der bei osteoarthrosebedingten Schädigungen in viel zu hoher Menge ausgeschüttet wird. Hunde, die Bedinvetmab in placebokontrollierten Studien bekamen, zeigten signifikant weniger Schmerzen – damit steht der Anti­körper in der Therapie als Alternative zu nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) zur Verfügung. Da die Serumkonzentration von Bedinvetmab erst nach sieben Tagen erreicht wird, sollten NSAIDs beim Umstieg in den ersten Tagen aber weiterhin gegeben werden, damit der Hund nicht vorübergehend unterversorgt ist. Fachmediziner empfehlen für maximalen Erfolg zusätzlich Physio­therapie und Futtermittelzusätze. Auch für Katzen steht mit Frunevetmab mittlerweile ein felinisierter monoklonaler Antikörper gegen den Nervenwachstumsfaktor NFG zur Verfügung. Experten dieses Fachbereichs sprechen bereits von einem Gamechanger in der Therapie.


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