Zahnbehandlungen bei Pferden:

Gesunde Zähne ein Pferdeleben lang

Bettina Kristof

Wenn das Gebiss regelmäßig kontrolliert und behandelt wird, sind Zahnprobleme im Alter meist nicht so gravierend – eine gute Prophylaxe ist daher zu empfehlen.

Wildpferde waren in der Regel bis zu 20 Stunden am Tag damit beschäftigt, Gras zu fressen. Das heutige Nahrungsangebot unserer domestizierten Pferde ist wesentlich weicher, wodurch es zu deutlich weniger Abrieb der Zähne kommt; zudem ist die Fressdauer wesentlich kürzer. Pferde­zähne schieben sich jedes Jahr um etwa 2–3 mm aus dem Zahnfach heraus, im Normalfall werden sie beim Fressen um diese Länge abgenutzt. Da das nicht immer gleichmäßig erfolgt, sollte der Tierarzt/die Tierärztin nach dem Rechten sehen – zum spannenden Thema der vor allem vorbeugenden Zahnbehandlungen bei Pferden befragten wir Mag. med. vet. Jan-Dirk Nitzel von der ­Pferde- und Kleintierpraxis Schramm & Nitzel, die sich unter anderem auf die Behandlung von Pferdezähnen spezialisiert hat.

Herr Magister Nitzel, unser heutiges Thema ist die Zahngesundheit bei Pferden. Was kann man denn prophylaktisch tun, damit die Zähne von Pferden gesund bleiben?
Pferde haben hypsodonte Zähne, das bedeutet, dass sich diese Zähne bis zu einem gewissen Alter auf einen Substanzverlust durch Abrieb einstellen oder dies kompensieren können. Durch regelmäßige Kontrollen und Behandlungen bereits beim jungen Pferd kann man den Grundstein legen, dass die Pferdezähne gesund bleiben. Außerdem kann man viel tun, indem man die Fütterung optimal gestaltet.

Wie sieht die Zahnbehandlung bei jungen Pferden aus?
Bevor man ein Pferd anreitet, sollte der Tierarzt/die Tierärztin die Zähne unter Sedierung und mittels ­Spiegel kontrollieren. Dabei überprüft man zunächst einmal den Milchzahnwechsel: Hier kommt es immer wieder vor, dass eine Milchzahnkappe festsitzt – wenn dies der Fall ist, muss die Milchzahnkappe entfernt werden, sonst könnte es zu einer Verschiebung von bleibenden Zähnen kommen. Weiters schaut man, ob Wolfszähne – P1 – vorhanden sind oder ob scharfe Kanten abgeschliffen werden müssen. Das alles sollte man zum ersten Mal kontrollieren, bevor das Pferd in Ausbildung geht.

Wenn die bleibenden Zähne noch nicht in Okklusion sind, können Stufen entstehen. Diese sollte man auch bereits korrigieren, um dem Pferd einen physiologischen Kauvorgang zu ermöglichen. Bis zum Abschluss des Zahn­wechsels im Alter von circa fünf Jahren sollte man Pferdezähne unter Sedierung halbjährlich überprüfen und auch behandeln. Wenn es keine weiteren Probleme gibt, dann genügt im mittleren Pferdealter eine jährliche Zahn­kontrolle als Routineuntersuchung.

Dabei sollten die scharfen Schmelzkanten bukkal am Oberkiefer und lingual am Unterkiefer entfernt werden. Ebenso sollte auf eine gute okklusale Druckverteilung sowie ein insgesamt ausbalanciertes Gebiss geachtet werden: Es ist wichtig, dabei auf die okklusale Druckverteilung der Backenzähne und der Schneidezähne zu achten sowie die Kiefergelenke zu berücksichtigen.

Wie oft empfehlen Sie eine Zahnkontrolle bei älteren Pferden?
Beim älteren Pferd sollte man die Zahnkontrollen je nach Zahnstatus wieder in halbjährlichen Abständen ­vor­nehmen, weil es durch eine eventuelle ungleich­mäßige Abnutzung und Druckbelastung zu Zahnproblemen ­kommen kann. Taschenbildungen mit Futter­einspießung können zu irreversiblen parodontalen Schädigungen führen, wodurch es dann zu einem Zahnverlust kommen kann. Der Zahn­status des älteren Pferds hängt zudem stark davon ab, ob bisher regelmäßig Zahnbehandlungen gemacht wurden und ob dabei auf ein ausbalanciertes ­Gebiss ge­achtet wurde, denn sonst kann es zu einer un­regelmäßigen Ab­nutzung einzelner Zähne kommen. Wenn das Gebiss regel­mäßig kontrolliert und behandelt wird, sind die Probleme im Alter meist nicht so gravierend.

Ziel ist es immer, eine einheitliche Okklusion auf der Kaufläche zu schaffen und Stufen, Haken und scharfe Kanten zu behandeln. Auch parodontale Taschen kann man durch gute Prophylaxe vermeiden. An diesen Beispielen können Sie erkennen, wie wichtig eine regelmäßige und sorg­fältige Zahnbehandlung bei Pferden ist.

Wie sieht eine perfekte Zahnbehandlung aus?
Zu Beginn nimmt man eine ausführliche Anamnese vor. Diese beinhaltet Fressprobleme, eventuelle Rittigkeitsprobleme, die Muskulatur, die eventuell ungleichmäßig ausgeprägt ist, Augen-/Nasenausfluss et cetera. All das kann Hinweise auf mögliche Zahnprobleme geben. Nach der allgemeinen klinischen Untersuchung wird das Pferd sediert. Für die Zahnbehandlung benötigt man ein Maulgatter, eine Kopflampe, einen Maulspiegel, verschiedene Sonden sowie geeignete Schleifwerkzeuge und Wasser.

Bei der Zahnbehandlung wird die ausgespülte Maulhöhle mittels Spiegel begutachtet, dann werden scharfe Kanten abgeschliffen, das macht aber nur ein Drittel der Zahn­behandlung aus. Genauso wichtig ist es, die Probleme auf der Okklusalfläche der Backenzähne auszugleichen – Rampen, Stufen, Haken, Wellen. Danach sollten die Schneide­zähne beurteilt und korrigiert werden; diese Korrektur führt auch zu einer Entlastung der Kiefer­gelenke. Durch eine Ausbalancierung des Gebisses erreicht man eine physio­logisch richtige Kaubewegung des Pferds.

Auf weitere Zahnprobleme wie Zahnfissuren, Frakturen, offene Pulpen oder Infundibularnekrosen respektive Ka­ries ist zu achten. Diese können jetzt ebenfalls entsprechend be­handelt werden. Es wird empfohlen, beim mittel­alten Pferd pro Jahr mindestens eine Zahnkontrolle und – wenn nötig – eine Behandlung vorzunehmen. Je nach Gebiss kann diese aber auch in kürzeren Abständen nötig sein, um eventuelle Probleme auszugleichen.

Früher wurden kariöse Zähne bei Pferden oft gezogen. Gibt es da auch zahnerhaltende Methoden?
Wenn Pferdezähne an Infundibularnekrose respektive Karies erkrankt sind, führt dies oft dazu, dass die Zähne deutlich an Substanz verlieren und im schlimmsten Fall zerbrechen. Wenn man nekrotisches Material ausbohrt und die Zähne füllt, kann man ihnen noch einige Jahre schenken, und man hat dadurch weiterhin einen Okklusionspartner, was zu einem ausbalancierten Gebiss beiträgt. Man sollte daher die Zähne erhalten, wenn es möglich ist. Ich empfehle, die Pferdebesitzer dafür zu sensibilisieren, vermeintlich kleine Zahnprobleme frühzeitig ernst zu nehmen und den Tierarzt/die Tierärztin zu konsultieren. Tierärzte sollten immer ein Behandlungsprotokoll erstellen, damit eine gute Verlaufskontrolle gegeben ist und gegebenenfalls früh genug eingegriffen werden kann.

Gibt es für Pferde auch Zahnimplantate und Regulierungen, wie wir es aus dem Kleintierbereich bereits kennen?
Nein, leider sind wir noch nicht so weit, dass wir Implantate entwickeln können, die zum einen den hohen Druck auf der Kaufläche aushalten und zum anderen dem physiologischen Abrieb standhalten.

Worauf sollten Pferdebesitzer besonders achten, damit die Zähne ihrer Tiere lange gesund bleiben?
Eine regelmäßige prophylaktische und gut gemachte Zahnbehandlung trägt zur Gesunderhaltung des Gebisses bei. Im Maul fängt die Ernährung an – das Pferd muss alle Futtermittel so zerkleinern, dass es sie verdauen kann, sonst kann es zu Koliken, zu Magengeschwüren et cetera kommen. Man sollte die Pferdehalter auch darauf aufmerksam machen, wie wichtig eine regelmäßige Zahnbehandlung und eine entsprechende Fütterung für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferds sind.

Worauf ist beim Futter besonders zu achten?
Das Futter sollte vor allem artgerecht und altersgerecht sein, der Schwerpunkt ist auf Raufutter zu legen. Ältere Pferde sollten je nach Zahnstatus gefüttert werden, eventuell mit Heu vom zweiten Schnitt oder Heu-Cobs. Wichtig ist es, Pferde so naturnah wie möglich vom Boden zu füttern. Heunetze sind eher kritisch zu beurteilen, da sie oft sehr abrasiv auf die Schneidezähne wirken. Außerdem kommt es vor, dass sie zu hoch gehängt werden, was zu einer verminderten anterioren und posterioren Bewegung des Unterkiefers und somit zu einer unphysiologischen Abnutzung der Zähne führt. Die Fütterung ist natürlich vom Gesamtzustand des Pferds abhängig und je nach Einzelfall zu beurteilen.

Welche weiteren gesundheitlichen Probleme können entstehen, wenn man kranke Zähne übersieht?
Ein Pferd muss sein Futter zerkleinern. Wenn es kranke Zähne hat, dann kann es das nicht, wodurch es zum Beispiel zu Verstopfungskoliken oder zu Magengeschwüren kommen kann. Auch Kotwasser oder Durchfälle können dadurch entstehen. Vereiterte Zähne führen natürlich zu schmerzhaften Prozessen bis hin zu Sinusitis. Bei einseitiger Belastung beim Fressen kann es im schlimmsten Fall zum Scherengebiss und zu Kiefergelenksarthrosen kommen. Durch erkrankte Zähne oder durch unphysiologische Kaubewegungen und damit Überbelastung des Kiefergelenks können viele gesundheitliche Probleme bis zur Unrittigkeit des Pferds entstehen, die man mit einer regelmäßigen gut gemachten Zahnbehandlung vermeiden kann.

Sie machen die Zahnprophylaxe bei Pferden ja schon seit vielen Jahren. Welche wichtigen Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
Je mehr man sich mit dem Thema auseinandersetzt und sich Zeit für die Zahnbehandlung nimmt, desto mehr erkennt und versteht man, warum sich manche Dinge so entwickeln. Man lernt, viele Probleme im Vorfeld prophylaktisch zu beheben – so kann man helfen.

Weil uns das Thema sehr wichtig erscheint, haben wir uns entschlossen, Kurse für Zahntierärzte anzubieten. Ab dem nächsten Jahr wird es in Zusammenarbeit mit internationalen Experten als Instrukteuren Kurse für Tierärzte in Modulbauweise in Wien geben; die Kurse werden Theorie- und Praxisteile beinhalten. Weil wir eine möglichst praxisnahe Ausbildung anbieten möchten, wird der Praxisteil an Patienten stattfinden, natürlich unter Supervision.

Ich denke, dass auch in Österreich großes Potenzial für Pferdetierärzte besteht. Die Pferdehalter sind immer besser informiert, kommen mit gezielten Fragen und erwarten sich entsprechende Antworten und Behandlungen. Da können wir mit dem Kurs sicherlich unterstützen.


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