Wenn die Katze

Zahnweh hat

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Zahn- und Maulhöhlen­erkrankungen bei Katzen kommen sehr häufig vor, sind aber oft aufgrund fehlender klinischer Symptome für den/die BesitzerIn nicht erkennbar. Mag. Irene Summer hat sich auf Zahn- und Maulhöhlenerkrankungen bei Hund und Katze spezialisiert und gibt dem Vetjournal einen genauen Einblick.

In der Veterinärmedizin geht der Trend in den ­letzten Jahren ganz klar in Richtung Spezialisierung auf ein Fachgebiet. Mag. Irene Summer hat sich auf Zahn- und Maulhöhlenerkrankungen bei Hund und ­Katze spezi­alisiert, sie arbeitet in der Katzenpraxis Dr. Hoyer-­Kammerhofer und Dr. Kamm als angestellte Tierärztin, zusätzlich stellt sie ihr Fachwissen als mobile Konsiliartierärztin (Dental Vet) in Zusammenarbeit mit niedergelassenen KollegInnen zur Verfügung.

„Nach meinem Studium habe ich Erfahrung in mehreren Tierarztpraxen gesammelt und schließlich ein rotierendes Kleintier-Internship an der Vetmeduni Vienna absolviert. Nach dem Internship habe ich für ein paar Wochen ein Praktikum an der Abteilung für Zahn- und Kieferchi­rurgie an der Uni gemacht, da ist mir klar geworden, dass die Zahnheilkunde beim Kleintier sehr spannend und vielfältig ist und in der Praxis oft vernachlässigt wird. Das war für mich der Auslöser, Weiterbildungen in diesem Spezialgebiet zu machen“, erklärt Mag. Summer einleitend. „Ich habe mehrere ESAVS-Kurse (European School for Advanced Veterinary Studies, Anm.) im Bereich der Zahnheilkunde besucht. Letztes Jahr habe ich dann am Vet-­Coaching-Zahnseminar teilgenommen, diese Kurse sind sehr intensiv und bestehen aus mehreren Modulen. Aktuell bin ich in der Ausbildung zum ÖTK-Diplom für Zahn- und Kieferchirurgie. Gleichzeitig habe ich mich bei meiner täglichen Arbeit als Tierärztin immer mehr auf Zahn- und Kieferchirurgie spezialisiert“, beschreibt Mag. Summer ihren beruflichen Werdegang.

Welche Erkrankungen sieht die Spezialistin bei Katzen am häufigsten? Darauf antwortet sie: „Gingivitis (Zahnfleischentzündung, Anm.), Parodontitis (entzündlich bedingter Abbau des Zahnhalteapparats, Anm.) und resorptive Läsionen (Zahnresorption, Anm.) sehe ich bei Katzen sehr oft. Die genaue klinische Untersuchung ist das Um und Auf. Die Zähne und die gesamte Maulhöhle sollten, soweit möglich, inspiziert und auf das Vorhandensein von Plaque, Zahnstein, Gingivitis oder anderen Pathologien überprüft werden. Wenn es einen Verdacht auf Erkrankungen gibt, muss eine genauere Untersuchung in Narkose erfolgen. Wichtig dabei sind die Untersuchung des gesamten Rachen- und Zungenbereichs und die Sondierung jedes einzelnen Zahnes, um die Sulcustiefe zu überprüfen und das Vorhandensein von Zahntaschen nachzuweisen. Zahntaschen weisen auf Parodontitis, Osteolyse von Alveolarknochen und einen beschädigten Zahnhalteapparat hin. Der nächste diagnostische Schritt ist immer ein Röntgen, denn es bringt wichtige Informationen darüber, wie weit fortgeschritten Erkrankungen sind, und der Röntgenbefund ist für mich entscheidend dafür, wie ich therapeutisch vorgehe. Ohne die bildgebende Diagnostik fehlt mir ein großer Teil an Informationen hinsichtlich des Zustands der Zahnwurzel, des osteolytischen Abbaus des Alveolarknochens und des gesamten Zahnhalteapparats“, erklärt die Spezialistin. Mag. Summer betont auch, dass dafür ein hochauflösendes Dentalröntgengerät nötig ist. Die Röntgenplättchen werden dafür in der Maulhöhle platziert, intraorale Aufnahmen sorgen dafür, dass der Zahn nicht von anderen Strukturen des Schädels überlagert wird. Mag. Summer: „Die gesamte Maulhöhle wird geröntgt, das sind bei der Katze acht Aufnahmen.

Wie erfolgt denn die Therapie der häufigsten Erkrankungen? Darauf antwortet die Tierärztin: „Eine Gingivitis kommt sehr häufig vor, auch bei sehr jungen Katzen. Der erste Schritt ist eine Zahnreinigung und -politur, da eine Gingivitis oft eine (Über-)Reaktion auf die Zahnbeläge ist. Im fortgeschrittenen Stadium führt eine Gingivitis auch oft zu einer Parodontitis; zusätzliche Einfluss­faktoren sind Zahnfehlstellungen und systemische Erkrankungen. Ist die Parodontitis noch im Anfangsstadium, kann diese noch mit zahnerhaltenden Maßnahmen behandelt werden. Da ich Katzen aber sehr häufig erst mit fortgeschrittener Parodontitis vorgestellt bekomme, ist die Extraktion der betroffenen Zähne meist unumgänglich. Zur Entfernung eines Zahns gibt es zwei Techniken: die geschlossene und die offene Extraktion. Bei der geschlossenen Extraktion wird der Zahn gezogen und eine sekundäre Wundheilung verschließt die Alveolarhöhle.

Bei der offenen Extraktion wird die Gingiva abgelöst und ein muko-periostaler Lappen präpariert, der Alveolar­knochen wird mittels Bohrer entfernt und der Zahn somit operativ herausgenommen. Die Wunde wird mithilfe des Lappens primär verschlossen.“ Die Plaquereduktion ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um einer Gingivitis vorzubeugen und es somit erst gar nicht zu einer Parodontitis und Zahnverlust kommen zu lassen. Da wären wir nun bei der Idee des Zähneputzens, damit Zahnbelag regelmäßig entfernt werden kann: „Es gibt mittlerweile Handzahnbürsten, sogar Ultraschallzahnbürsten und auch Fingeraufsätze mit oder ohne spezielle Zahnpasta für ­Tiere; wichtig ist hauptsächlich die mechanische Entfernung der Beläge. Natürlich kann man das nicht mit allen Katzen machen, aber manche lassen sich mit geduldigem Training tatsächlich ihre Zähne putzen. Im Endeffekt müssen die meisten Katzen mit einer chronischen Gingivitis sehr regelmäßig zur Zahnhygiene in Narkose kommen, um das Fortschreiten der Erkrankung unter Kontrolle zu haben“, sagt Mag. Summer.

Zu der zweiten sehr häufigen Zahnerkrankung der Katze beschreibt die Tierärztin Folgendes: „Bei den ­resorptiven Läsionen wird der Zahn durch körpereigene Zellen (Odontoklasten, Anm.) resorbiert, die Läsionen sind oft am Gingivalsaum sichtbar, beginnen aber immer im Bereich der Wurzel; im Endstadium bricht die Zahnkrone ab. Bei dieser Erkrankung kommt es darauf an, um welchen Typ – Typ I bis III – es sich handelt und in welchem Stadium – Stadium I bis V – sie sich befindet. Dafür ist wieder ein Dentalröntgen nötig, um die Wurzel und den Zahnhalteapparat beurteilen zu können. Therapeutisch müssen die betroffenen Zähne extrahiert werden. Je nach Typisierung und Klassifizierung wird der gesamte Zahn inklusive Wurzel entfernt oder es wird nur eine Kronenamputation durchgeführt.“

Für die fachgerechte Behandlung der Zähne braucht es nicht nur Wissen und Können, sondern auch die ­passenden Gerätschaften. Mag. Summer ist als mobile Spezialistin unterwegs und hat alle für ihre Arbeit nötigen „Werkzeuge“ mit dabei. „Das Kernstück meiner Zahngeräte ist sicher die Zahnstation. Sie ist mit einem Highspeed-Bohrer ausgestattet, den brauche ich, um beispielsweise mehrwurzelige Zähne spalten oder kieferchirurgisch arbeiten zu können. Ein Scaler, Ultraschallreiniger, ist wichtig für die Reinigung der Zähne, die Ultraschallfrequenzen erzeugen im Wasser Vakuumblasen, die dann implodieren und dabei hohe Drücke und Temperaturen entwickeln, was zur Zerstörung der Membranen der Bakterien führt. Sehr bedeutend ist auch der Polierer, denn wenn die Zähne nach der Reinigung nicht poliert werden, kann sich auf der aufgerauten Oberfläche noch viel ­besser Plaque ansetzen. Sehr praktisch ist ein Mundspüler, mit dem ich das Material, das bei der Zahnreinigung anfällt, Polierpaste oder Blut, einfach entfernen kann“, beschreibt sie ihre Zahnstation und fährt fort: „Ich verfüge natürlich auch über ein mobiles Dentalröntgengerät und sämtliche Handinstrumente, die ich immer mit ­dabeihabe. Der/die KollegIn muss mir nur einen Tisch sowie ein Inhalationsnarkosegerät zur Verfügung stellen. Eine Intu­bation ist bei jeglicher Zahnbehandlung unbedingt nötig – die Atemwege müssen vor Wasser und Blut geschützt werden. Zusätzlich zur Allgemeinnarkose arbeite ich mit Lokalanästhesie, einer Mischung aus Lidocain und Bupivacain. Mittels Blockade eines Nervs kann ich die betroffene Region des Kiefers anästhesieren, damit kann wiederum die Tiefe der Allgemeinanästhesie deutlich reduziert werden. Zudem ist die Lokalanästhesie auch postoperativ ein tolles Analgetikum, denn Bupivacain wirkt noch Stunden nach.“ Je nach Invasivität der Behandlung therapiert Mag. Summer postoperativ noch einige Tage mit Analgetika für zu Hause: „Wenn es der Gesundheitszustand der Katze zulässt, bekommt sie NSAIDs, zusätzlich setze ich Tramadol oder Gabapentin ein.“

Tatsächlich zeigen die meisten Katzen mit Zahnerkrankungen keine für den/die BesitzerIn sichtbaren ­Symptome. „Zahnerkrankungen bleiben bei unseren Haustieren oft unentdeckt, haben aber einen großen Einfluss auf die Gesunderhaltung und das Wohlergehen unserer Tiere. Die Katzen fressen meist ganz normal weiter, obwohl sie schon starke Veränderungen und sicherlich auch Schmerzen haben, der/die TierhalterIn bemerkt im Normalfall gar nichts. Das Einzige, was manchmal bemerkt wird, ist ein foetor ex ore. Deswegen ist eine jährliche klinische Untersuchung beim Tierarzt besonders wichtig, damit die Maulhöhle genau inspiziert werden kann. Ich möchte alle KollegInnen dazu ermutigen, die Katzenzähne wirklich genau anzuschauen, denn ohne Symptomatik können Erkrankungen der Maulhöhle nur mittels detaillierter Inspektion diagnostiziert werden. Zusätzlich möchte ich betonen, dass es mehrere auf Zahnheilkunde spezialisierte KollegInnen gibt, und wann immer ein/e nicht spezialisierte/r KollegIn bei einem Patienten nicht mehr weiterweiß, stehen wir gerne zur Verfügung, um komplexere Fälle zu übernehmen.“