Vorsorgeuntersuchung

statt Impftermin

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

Priv.-Doz. Dr. med. vet. Dr. habil. Michèle Bergmann von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München sprach mit dem Vetjournal über die praktische Umsetzung der Impfempfehlungen der Medizinischen Kleintierklinik, die in Anlehnung an verschiedene Leitlinien zur Impfung von Hunden und Katzen erstellt wurden.*

Zunächst würde ich gerne näher auf die Empfehlungen zur Grundimmunisierung gegen virale Infektionskrankheiten bei Hund und Katze eingehen. Hier wird ja eine einmalige Impfung ab einem Alter von 16 Wochen, bei Katzen ab 20 Wochen, mit Booster-Impfung nach einem Jahr als ausreichend angesehen.
Die Immunstimulation, die mit viralen Lebendimpf-stoffen erreicht wird, ist so stark, dass eine einzelne Impfung – und eine Booster-Impfung rund ein Jahr später – ausreicht. Voraussetzung dafür ist, dass keine maternalen Antikörper mehr vorhanden sind, die mit der Impfung interferieren können. Bei Welpen sind daher Impfungen in der 8., 12. und 16. Lebenswoche notwendig, um diese kritische Phase zu überbrücken. Bei Katzen empfehlen manche Experten diese Wiederholungsimpfungen sogar bis zu einem Alter von 20 Wochen. Welpen sind die vulnerabelste Gruppe.

Was, wenn die Besitzer*innen dann vorschlagen, doch gleich später mit den Impfungen zu beginnen, zum Beispiel ab der 10. Lebenswoche?
Darauf können wir durchaus eingehen. In diesem Fall wäre allerdings vor der ersten Impfung die Bestimmung eines Antikörper-Titers mit dem Hämagglutinationshemmtest oder Serum-Neutralisationstest notwendig. Anhand der Höhe des Titers lässt sich berechnen, wann die maternalen Antikörper abfallen – und man gezielt impfen kann.

Bemerken Sie bei den Tierbesitzer*innen in Deutschland generell eine größere Impfskepsis seit Beginn der Pandemie? Haben Sie vielleicht Tipps aus eigener Erfahrung, wie wir hier Ängste nehmen und die Menschen gut beraten können?
Ja, die Impfskepsis hat zugenommen, aber schon vor der Pandemie. Vorwiegend geht es um Ängste vor Nebenwirkungen und Zweifel an der Notwendigkeit von Impfungen. Diese darf man haben, aber man sollte sich dann eben auch korrekt aufklären lassen und Vertrauen haben. Dieses Vertrauen aufzubauen ist unsere Aufgabe, unter anderem deshalb dürfen wir Tiere auch nicht unnötig impfen.

Die Impfung gegen Leptospirose sollte aber dennoch jährlich durchgeführt werden, richtig?
Ja, bei bakteriellen Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel bei der Leptospirose, ist eine jährliche Impfung nötig. Impfungen mit viralen Core-Komponenten führen nach korrekter Grundimmunisierung zu einem langjährigen Schutz.

Hier sind teilweise noch nach sieben oder gar acht Jahren schützende Antikörper nachweisbar. Daher gibt es die Empfehlung, über die Notwendigkeit einer Wiederholungsimpfung gegen Staupe, Parvovirose und Panleukopenie anhand von Antikörpermessungen zu entscheiden. Bei adulten Tieren lässt das Vorhandensein von Antikörpern gegen diese Infektionskrankheiten auf eine belastbare Immunität schließen. Eine Wiederholungsimpfung sollte nur durchgeführt werden, wenn keine Antikörper mehr nachweisbar sind.

Ist eine einmalige Impfung als Grundimmunisierung auch für die Tollwut ausreichend? Bei geplantem Auslandsaufenthalt wird ja eine zweite Impfung im Abstand von drei bis vier Wochen empfohlen.
Ja, auch dazu gibt es Studien. Bei uns herrscht aktuell kein Infektionsdruck – wir haben Zeit, außer die Besitzer*innen planen eine Auslandsreise. Für Reisen in bestimmte Länder, außerhalb der EU, ist über die Impfung hinaus auch der Nachweis eines Tollwut-Antikörper-Titers erforderlich. In solchen – selteneren – Fällen kann eine zweite Impfung im Abstand von drei bis vier Wochen sinnvoll sein, um diesen Titer mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Ansonsten reicht eine einmalige Impfung im Alter von mindestens zwölf Wochen vorzugsweise mit einem Impfstoff mit längstmöglichem Zulassungsintervall; in Deutschland derzeit drei Jahre.

Zur Impfung gegen Infektionen mit dem Felinen Leukämievirus: Der Antigen-Schnelltest ist ja eine Momentaufnahme – wie beraten wir die Besitzer*innen hinsichtlich der Impfung am besten?
Routinemäßig wird ein Schnelltest auf FeLV-Antigen bei jeder Katze und vor jeder Impfung gegen FeLV empfohlen, um eine progressive FeLV-Infektion weitest-gehend ausschließen zu können. Ein negatives Testergebnis ist für den Moment verlässlich. Besteht der Verdacht auf eine sehr frühe Infektion, sollte der Test rund drei bis sechs Wochen später wiederholt werden. Mit dieser Vorgehensweise können progressiv infizierte Katzen erkannt und wichtige Vorsorgemaßnahmen getroffen werden – eine Impfung gegen FeLV sollte bei bereits infizierten Tieren nicht durchgeführt werden.

Im Rahmen der Gesundheitsvorsorgeangebote an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München haben Sie die Spezialsprechstunde „Cat’Xpert – Gesundheitsvorsorge für Katzen“ in Kooperation mit der Boehringer Ingelheim Tiergesundheit entwickelt. Was war der Impuls dafür, dieses Programm ins Leben zu rufen? Wie wird es bisher von den Patientenbesitzer*innen angenommen?
Dieses Programm läuft seit April 2022 und wird gut angenommen. Hintergrund ist, dass Katzen tatsächlich seltener zur Vorsorge vorgestellt werden als Hunde. Im Rahmen der Spezialsprechstunde bieten wir den Katzen und ihren Besitzer*innen eine garantiert katzengerechte Umgebung und nehmen uns die für ihre Bedürfnisse nötige Zeit. Eine TFA mit Spezialausbildung – Diplom in Feline Nursing – betreut die Katze und ihre/n Besitzer*in während des Besuchs in dieser Spezialsprechstunde, für die ein eigener Raum mit Pheromonen und „Katzenmusik“ zur Verfügung steht. Zutritt für Hunde ist natürlich verboten, genau wie im Katzenwartezimmer.

Sehen Sie hier auch Potenzial für die Kleintierpraxis, entsprechende Initiativen umzusetzen?
Nicht jede/r hat die Möglichkeit, einen eigenen Raum zur Verfügung zu stellen. Am wichtigsten ist eine gute Terminplanung mit einer zeitlichen Trennung, sodass die Katzen am besten gar keinem Hund begegnen. Eigene Hunde- und Katzensprechzeiten wären dafür ideal. Ist das organisatorisch nicht möglich, kann man im Wartebereich zumindest räumlich Sichtschutz bieten, etwa mit einem Regal. Katzenfreundlich kann aber jede Praxis sein: Denken Sie einfach auch an eine Decke oder ein Handtuch auf dem Behandlungstisch. So viel wie möglich sollte im eigenen Körbchen untersucht werden. Sie können Freilauf im Behandlungsraum ermöglichen und sich bei der Untersuchung auf die von der Katze präferierte Position einlassen.

Die Vorsorge sollte also im Praxisalltag generell eine größere Rolle spielen?
Ja, es ist doch für uns alle besser, Krankheiten vorzubeugen und sie früh zu erkennen. Am wichtigsten, und das gilt für Hunde und Katzen, ist: Nehmen Sie sich Zeit für die Vorsorgeuntersuchung und machen Sie die Besitzer*innen darauf aufmerksam. Bereits beim allerersten Termin mit den Welpen können Sie die Vorsorge ansprechen. Der jährliche Termin sollte eine Vorsorgeuntersuchung sein, bei dem über die Notwendigkeit von Impfungen, Entwurmungen, den Schutz vor Reisekrankheiten und weitere Themen nach Bedarf gesprochen werden sollte. Die Impfung allein sollte dabei nicht im Vordergrund stehen. Hier müssen wir alle umdenken.

Weiterführende Literatur:
Aktuelle Impfempfehlungen der LMU:
www.med.vetmed.uni-muenchen.de/einrichtungen/gesundheitsvorsorge/leistungen/impfberatung/index.html

* Leitlinien der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet), der World Small Animal Association, des European Advisory Board on Cat Diseases (ABCD) und der American Association of Feline Practitioners (AAFP)

 


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