Die Rolle der Vetmeduni

im österreichischen Tierschutz

Ass.-Prof. Dr. med. vet. Dipl. ECAWBM (AWSEL) Johannes Baumgartner
Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung Veterinärmedizinische Universität Wien

Der folgende Beitrag wurde ursprünglich für die Festveranstaltung der Tierschutzombudsstelle Steiermark „16 Jahre Tierschutzgesetz – 16 Jahre Tierschutzombudsstelle Steiermark“ am 6. Oktober 2021 in Graz verfasst und darf mit dem Einverständnis der Tierschutzombudsstelle Steiermark in leicht abgewandelter Form im vorliegenden Vetjournal erneut veröffentlicht werden.

Der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmed­uni) kommt aufgrund ihrer einzigartigen Stellung eine besondere Verantwortung an der Schnittstelle Tier, Mensch und Umwelt zu. Ihre einzigartige Fächer­konstellation und ihr integratives Selbstverständnis verschaffen ihr umfassende „One-Health-Kompetenzen“, die auch den Bereich „One Welfare“ beinhalten. Der Begriff „One Welfare“ dient dabei als Aufruf, die vielen Zusammenhänge zwischen menschlichem Wohlergehen, Tierschutz und der Integrität der Umwelt anzuerkennen. Die Vetmed­uni bekennt sich folglich zu einem wissenschaftsbasierten Tierschutz, der institutionell und inhaltlich auf mehreren Ebenen verankert ist und sichtbar wird. Wissenschafts­basierter Tierschutz erfordert interdisziplinäre Zusammen­arbeit. Dafür gibt es an der Vetmeduni verschiedene Forschungsinsti­tute, die sich inhaltlich mit Fragen des Tierschutzes auseinandersetzen und wissenschaftliche Grundlagen liefern. Der Grundstein wurde im Jahre 1996 mit der Gründung des Instituts für Tierhaltung und Tierschutz (heute Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung) sowie der Informations- und Dokumentationsstelle für Tierschutzrecht und Veterinärrecht gelegt. Der nächste Meilenstein folgte 2011 mit der Gründung des Messerli Forschungsinstituts, das am Campus der Vetmeduni angesiedelt ist und gemeinsam mit der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien getragen wird. Besonderes Augenmerk legt die Vetmeduni auf die praktische Anwendung des gene­rierten Grundlagen­wissens: So etwa finden gewonnene Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung Niederschlag in den fünf tierarten­spezifischen Universitätskliniken der Vetmeduni. Im Hinblick auf Labortiere verfügt insbesondere das Institut für In-vivo- und In-vitro-Modelle über entsprechende Expertise für Tierschutz und die Weiterentwicklung geeigneter Ergänzungs- und Alternativmethoden.

Wissenschaftsbasierter Tierschutz

Die an der Vetmeduni eingerichtete, multidisziplinär zusammengesetzte Ethik- und Tierschutzkommission und das Tierschutzgremium beraten die Universitätsange­hörigen in allen Fragen des Tierschutzes und tragen durch ein internes Mentoring und Monitoring kontinuierlich zur Optimierung des Tierschutzes in allen Tätigkeits­bereichen der Vetmeduni – Forschung, Lehre, Klinik und Dienst­leistung – bei. In einem Code of Conduct für Tierschutz bietet die Vetmeduni für alle Universitäts­­ange­hörigen einen Leitfaden, der Orientierung bietet und der Bewusstseinsbildung dient. Zudem versucht die Vetmed­uni, tiergerechte Haltungs- und Betreuungskonzepte in ihren eigenen Tierhaltungseinrichtungen (z. B. „VetFarm“) umzusetzen bzw. ständig weiterzuentwickeln.

Das einzigartige Forschungsprofil der Vetmeduni erweitert kontinuierlich das Wissen über die Biologie der Tiere (Morphologie, Physiologie, Genetik, Verhalten, Kognition und Emotion), ihr Lebensumfeld, ihre Bedürfnisse, ihre Krankheiten sowie deren Behandlung und deren Prävention. Damit leistet sie generell einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Grundlagen des wissen­schaftsbasierten Tierschutzes und des Tierwohls. Das Forschungsprofil der Vetmeduni ermöglicht sowohl die Bearbeitung von grundlegenden biomedizinischen Fragestellungen (z. B. molekulare Prozesse der Krankheitsentstehung) als auch ein breites angewandtes klinisches Themenspektrum, was zum tiermedizinischen Fortschritt beiträgt. Die Mensch-Tier-Interaktion und die damit verbundenen Auswirkungen auf Tiere und den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen, Haltungssysteme im Nutztierbereich, ebenso die Digitalisierung für die Nutztierhaltung (Precision Livestock Farming), das Verhalten, die Kognition und die Emotion von Tieren einschließlich des ökologischen Managements von Wildtieren werden an der Vetmeduni in umfassender Weise erforscht. Dem Prinzip der forschungsgeleiteten Lehre folgend ist der wissenschaftsbasierte Tierschutz zentraler Bestandteil der tierärztlichen Ausbildung und findet in umfassender Weise inhaltliche Berücksichtigung im Curriculum des Diplomstudiums Veterinärmedizin.

Die Vetmeduni wird so ihrer Verantwortung gerecht, angehende Tierärztinnen und Tierärzte mit Tierhaltungs- und Tierschutzkompetenzen basierend auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft auszustatten. Beginnend vom ersten Semester bis hin zur vertiefenden Ausbildung findet eine intensive theoretische und praktische Auseinandersetzung mit dem Verhalten, der Haltung und dem Schutz von Tieren bis hin zur Integration dieser Aspekte in die klinische Ausbildung im Sinne einer präventiven Veterinärmedizin statt. Für den Labortier­bereich gibt es ein eigenes Ver­tiefungsmodul für Labortiermedizin, das eine hochwertige Aus­bildung im Umgang mit Labortieren sicherstellt. Das Trainingszentrum „VetSim“, wo Studierende während ihrer Ausbildung in Vorbereitung auf die klinische Praxis mit Patienten ihre Fertigkeiten zuerst an sogenannten Dummies er­lernen und festigen, leistet einen wichtigen Beitrag für den Tierschutz. Die Vetmed­uni war im deutschsprachigen Raum die erste veterinärmedizinische Ausbildungsstätte, die ein Skills Lab für die Studierenden errichtete.

Seit der Eröffnung 2014 wurde das Skills Lab ständig erweitert und umfasst Modelle unterschiedlichster Tier­arten. Das interdisziplinäre Masterstudium „Human-Animal Interactions“ (IMHAI) bietet die Möglich­keit, die interdisziplinären Zusammenhänge der Mensch-Tier-Beziehung aus der Perspektive unterschiedlichster Disziplinen zu vertiefen. Ebenso ist die Vetmeduni in postgradualen Aus- und Weiterbildungen im Themenbereich Tierschutz federführend: Als Beispiele können der Universitätslehrgang „Tierärztliches Physikat“ mit dem Modul Tierschutz, der Universitätslehrgang Kyno­logie, aber auch der Universitätslehrgang „Certi­fied Canine Rehabilitation Practitioner“ genannt werden. Die Vetmeduni unterstützt von Beginn an die Aktivitäten von „Tierschutz macht Schule“ sowie die Ausbildung von TierpflegerInnen in der Tierpflegeschule an der Vetmeduni. Darüber hinaus ist Tierschutz Inhalt zahlreicher Weiterbildungskurse und Tagungen für Landwirt:innen, die in Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftskammern der Bundesländer und in Zusammenarbeit mit Tierheimen und der Tierärztekammer angeboten werden und wo Expert:innen der Vetmeduni seit vielen Jahren Tierschutzwissen zielgruppenspe­zifisch weitergeben. Ihre Vorbildwirkung für den Tierschutz nimmt die Vetmeduni auch im Bereich Third Mission, der neben Lehre und Forschung auf den Wissenstransfer an die Gesellschaft abzielt, wahr. Indem sie mit ihrer Tierschutz-Expertise die öffentliche Hand beratend unter­stützt – zum Beispiel hinsichtlich tierschutzrelevanter Gesetzgebung –, wird die Wissensdissemination in die Gesellschaft ge­sichert. So waren die Expert:innen der Vetmed­uni maßgeblich an der Ausgestaltung des bundeseinheit­lichen Tierschutzgesetzes und damit an der Installierung der Tierschutzombudsstellen und der ebenfalls an der Vetmed­uni verankerten Fachstelle für tiergerechte Haltung und Tierschutz beteiligt. Darüber hinaus engagiert sich die Vetmed­uni im Wissenstransfer und erstellt für Tierschutzthemen leicht verständliche Informa­tionsmaterialien, um das aus der Forschung gewonnene Wissen beispielsweise an Tierhalter:innen und Schüler:innen weiterzugeben. Dabei bedient sich die Vetmeduni verschiedenster Formate, die von Drucksorten, Videos bis hin zu Veranstaltungen (z. B. ÖTT- und Freiland-Tagungen) reichen. Gerade bei gesellschaftlich relevanten Tierschutzthemen nimmt die Vetmeduni eine wichtige Orientierungsfunktion ein, da sie in kontroversen und emotional geführten Debatten sachliche und wissenschaftlich abgesicherte Information zur Verfügung stellt.

Die Vetmeduni leistet in allen ihren Aufgabenbereichen – Lehre, Forschung, Klinik und Services – einen zentralen Beitrag zum wissensbasierten Tierschutz und seiner gesellschaftlichen Anerkennung. Sie hat den Anspruch, auch bei tierschutzrelevanten Zukunftsthemen ihrer Vorbild­funktion gerecht zu werden und ihre Verantwortung aufgrund ihrer einzigartigen Kompetenz im Sinne von „One Health – One Welfare“ wahrzunehmen. Die Vetmeduni möchte sich bei dieser Gelegenheit bei allen Personen und Organisationen bedanken, die sie im Bestreben zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren auf vielfältige Weise unterstützt haben. Wir freuen uns auch weiterhin auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit!


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