Tierische Augenkrankheiten

im Blickpunkt

Bettina Kristof

So wie auch wir Menschen können Tiere an unterschiedlichen Augenerkrankungen leiden. Um Spätfolgen zu vermeiden, ist in solchen Fällen rasches Handeln angesagt. Wann praktische Tierärzt*innen ihre Patienten besser an Augentierärzt*innen überweisen sollten, erklärt Vetmeduni-Professorin Dr. Barbara Nell.

Es ist wichtig, den Tierhalter*innen zu kommunizieren, dass Augenprobleme bei ihren Haustieren zu ernsthaften, irreversiblen Schäden führen können. Deshalb sollten Irritationen am Auge des Tiers gut beobachtet werden. Tritt eine Verschlechterung ein, ist ein Besuch beim Tierarzt bzw. der Tierärztin anzuraten.

Um Näheres über die unterschiedlichen Augenerkrankungen bei Tieren zu erfahren, haben wir ein Interview mit Ao. Univ.-Prof. Dr. Barbara Nell, Dipl. ECVO, Leiterin der Augen­station im Department für Kleintiere und Pferde an der Vetmeduni Vienna, geführt.

Frau Professorin Nell, Sie leiten die Augenstation seit 2001. Wie hat sich die Arbeit an der Klinik seit ihrem Beginn verändert?
Man kann nicht wirklich sagen, dass sich die Arbeit verändert hat, sie ist immer noch die gleiche, aber es ist so, dass die Methoden immer ausgereifter werden. Außerdem sind die Tierbesitzer*innen mittlerweile dazu bereit, immer mehr bei ihren Tieren machen zu lassen, und wir können das an der Uniklinik umsetzen, weil wir die Infrastruktur haben. Wir haben hier sowohl die Gerätschaft, um die neuen Möglichkeiten anwenden zu können, als auch die Übung, weil wir viele Tiere behandeln. Und diese Kombination bringt den Erfolg. Man muss auch sagen, dass die Frequenz an komplizierteren Operationen oder aufwendigeren Behandlungsmethoden zunimmt. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, die Medizin entwickelt sich weiter, es geht vorwärts.

Welche Tiere behandeln Sie an der Augenklinik?
Wir machen alle Spezies, also nicht nur Kleintiere, sondern auch Pferde und Nutztiere. Wir behandeln immer mehr Pferde, denn diese sind allein schon aufgrund ihres Anschaffungspreises oft eine hohe Investition – die Besitzer*innen sind dadurch willens, Geld in die Gesundheit ihres Tiers zu investieren.

Gehören auch Vögel zu Ihren Patienten?
Ja, natürlich. Für Vögel ist eine gute Sehkraft besonders wichtig. In Gefangenschaft werden Vögel sehr alt und bekommen dann aufgrund ihres Alters oftmals den grauen Star. Wir hatten da eine bemerkenswerte Begebenheit mit einer Frau, die in einer Wiener Wohnung ein Huhn als Haustier gehalten hat: Das Haushuhn Henriette wurde täglich zum Spaziergang in den Türkenschanzpark geführt. Als es dann den grauen Star bekam, verlor es die Orientierung im Park, und die Tierhalterin wollte, dass wir Henriette am Katarakt operieren. Wir hätten das auch machen können, aber das Huhn bekam dann eine zweite Erkrankung, an der es verstarb, bevor wir die OP durchführen konnten.

An welchem Forschungsprojekt arbeiten Sie aktuell?
Wir haben mehrere Projekte parallel laufen, aber besonders interessant ist gerade die Forschungsarbeit an den Blut­gefäßen, die sich in der Hornhaut befinden. Es ist ja so, dass nach jeder Irritation der Hornhaut Blutgefäße einwachsen können. Das hat zur Folge, dass die Hornhaut nicht mehr durchsichtig ist und es beim Sehen Einschränkungen gibt. Wir versuchen jetzt, dieses Problem mit Medikamenten zu lösen, die das Wachstum der Blutgefäße hemmen, das sind Inhibitoren von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren. In der Humanmedizin werden solche Medikamente bereits bei der Behandlung einer Makuladegeneration verwendet. Dabei wird der Wirkstoff in den Glaskörper gespritzt, die Patienten müssen dazu einmal im Monat kommen.

Wir wissen, dass das Medikament beim Hund verträglich ist, das haben wir schon getestet, es gibt keine systemischen Nebenwirkungen. Wir forschen gerade daran, den Wirkstoff in Augentropfen einzubringen, weil für die Behandlung der Hornhaut Tropfen gut geeignet sind. Wir wissen von der Idee her, dass es funktioniert, aber wir brauchen eine geeignete Formulierung in mehrmals verwendbaren Tropfflaschen, damit die Anwendung für die Tierbesitzer*innen leichter wird. Die Lösung muss außerdem stabil bleiben und darf nicht verkeimen. Das wäre dann auch eine kostengünstigere Darreichungsform, denn die Einmaltropfen sind teuer und nicht so praktisch für Tierhalter*innen.

Der Kostenfaktor spielt natürlich immer eine Rolle. Wir verwenden die Einmaltropfen bereits jetzt beim Hund, das zeigt gute Erfolge und ist publiziert. Jetzt erproben wir den Einsatz an der Katze; das Pferd ist dann das nächste Ziel. Zusätzlich überlegen wir, den Wirkstoff direkt in das veränderte Hornhautgewebe zu injizieren, um dort ein ­Depot zu schaffen. Dann wäre der Wirkstoff in ausreichender Konzentration genau dort, wo er gebraucht wird. Beim ­Auftropfen sind häufige Applikationen für einen hohen Wirkspiegel notwendig, das ist oft nicht praktikabel. Wir arbeiten da eng mit der Pharmakologie und der Apotheke der Vetmed zusammen und machen gemeinsame Studien, um optimale Medikamente zu entwickeln.

Kommen Blutgefäße in der Hornhaut häufig vor?
Blutgefäße in der Hornhaut sind ein Symptomenbild und oftmals eine Begleiterscheinung einer Hornhauterkrankung; sie bleiben über, auch wenn die Erkrankung ausgeheilt ist. Immer wenn es eine Entzündung oder einen Defekt in der Hornhaut gibt, wachsen Blutgefäße ein. Leider ist das häufig der Fall, deshalb forschen wir an Lösungen.

Besonders betroffen sind Hunderassen, die kurze ­Schnauzen haben. Aufgrund dieser Anatomie sind die Augen ­exponierter, wodurch Augenprobleme vermehrt auf­treten. Ein Mops hat häufiger Probleme der Augenober­fläche als beispielsweise ein Dobermann. Bei Katzen kommen die Blutgefäße häufig durch Herpesvirusinfektionen in die Hornhaut. Auch bei der Katze haben kurzschnäuzige Rassen viel öfter Probleme an der Augenoberfläche als Hauskatzen.

Sind Erkrankungen der Hornhaut auch bei Pferden häufig?
Das Pferd hat ein „eigenwilliges“ Immunsystem – im Vergleich zu den anderen Spezies reagiert das Immunsystem bei Pferden am Auge sehr stark, wir wissen oft nicht, was es triggert. In dem Moment, wo ein Problem in der Hornhaut auftritt, kommen auch schon die Blutgefäße. Außerdem sind Pferde Fluchttiere und ziehen sich dadurch auch leichter Verletzungen zu.

Bei welchen Augenproblemen sollten Tierhalter*innen mit ihrem Tier zur Tierärztin oder zum Tierarzt gehen?
Tierhalter*innen sollten ihr Tier gut beobachten. Wenn es Schmerzen am Auge hat, äußert sich das durch Kneifen oder durch Augenausfluss, manchmal auch durch ein rotes Auge. Wenn die Beschwerden länger als einen Tag anhalten, sollte man zur Haustierärztin oder zum Haustierarzt gehen; man muss ja nicht gleich bei Spezialist*innen vorstellig werden. Der Arztbesuch ist jedenfalls wichtig, denn das Auge verzeiht nicht so viel und kann relativ rasch dauerhafte Schäden entwickeln. Mit der Allgegenwart von Handys und der Möglichkeit, Fotos zu machen, halten Besitzer*innen Veränderungen und Krankheitsverläufe jetzt viel eher fest.

Welche Forschungsprojekte haben Sie in nächster Zeit vor?
Die aktuelle Studie wird uns noch länger beschäftigen. ­Ständige Schwerpunkte an der Uni sind die Erforschung von Erkrankungen der Augenlider und der ­Augenoberfläche. Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Tränenfilm. Man denkt eigentlich, dass es selbstverständlich ist, dass das Auge genügend Feuchtigkeit hat, aber das stimmt so nicht. Der Tränenfilm ist komplex zusammengesetzt. Wir verfügen an der Vetmeduni über großartige Geräte, mit denen man das untersuchen kann. Wir erforschen die Ursachen, die zu einer Störung der Produktion der Tränenflüssigkeit führen können. Dazu gehören Lidfehlstellungen und Fehlbewimperungen. Diese verursachen chronische Reizungen, durch die das Auge zu Beginn mehr tränt – aber irgendwann gibt das Auge quasi auf, dann kippt die Komposition des Tränenfilms und das Auge wird komplett trocken. Um das zu verhindern, sind eine rechtzeitige Diagnose und eine entsprechende Therapie wichtig. Wir sind dabei, neue Therapiemöglichkeiten auszuarbeiten.

Was sind denn die Faktoren für die Entstehung eines trockenen Auges?
Es gibt Hunderassen, die Kopfformen und Lidfehlstellungen haben, die zu einem trockenen Auge führen können. Dazu gehören etwa Möpse, Pekingesen und Französische Bulldoggen mit einem Rassestandard, der nicht der ursprünglichen Anatomie des Hundes entspricht und dem eine ­züchterische Komponente zugrunde liegt. Besser wäre es, wenn man ­diese Rassen nicht mehr züchten würde, denn dann wäre die Behandlung nicht notwendig, um den Tieren ein halbwegs schmerzfreies ­Leben zu ermöglichen. Es gibt zwar ein entsprechendes ­Gesetz, das die sogenannten Qualzuchten untersagt, aber die Einhaltung wird zu wenig kontrolliert, und wir sind dann mit diesen schweren Erkrankungen konfrontiert.

Wann sollte eine praktische Tierärztin respektive ein praktischer Tierarzt an die Augentierärztin oder den Augentierarzt überweisen?
Zum einen dann, wenn man keinen Behandlungserfolg hat, aber auch dann, wenn man nicht über alle Instrumente verfügt, um eine sichere Diagnose zu stellen. Zusätzlich zur Überweisung bietet die Augenstation den Tierärzt*innen ein Telefon- und ein E-Mail-Service an, um sie bei der Dia­gnose von Augenkrankheiten zu unterstützen. Das kann helfen, wenn die Patienten aus verschiedenen Gründen nicht an die Klinik nach Wien kommen können.

Es ist allerdings wichtig, dass die Tierärztin respektive der Tierarzt gut befunden und beschreiben kann; dann fällt es ­leichter, gemeinsam eine Diagnose zu stellen. Dieses Angebot ­nützen auch viele Tierärztinnen und Tierärzte. Ich habe den Eindruck, dass die Kolleg*innen von der Möglichkeit der Überweisung an die Augenstation Gebrauch machen und es gut funktioniert. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Tierärzt*innen für ihr Vertrauen bedanken.


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