Erkrankungen des Mittelohrs bei der Katze –

ein Update zu Diagnostik und Therapie

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Katzen können aufgrund verschiedener Ursachen an Erkrankungen des Mittelohrs leiden. MVDr. Lucia Panakova, DipECVD, gibt dem Vetjournal einen Einblick und erzählt, welche Symptome mit einer Mittelohrpathologie einhergehen können und welche diagnostischen und therapeutischen Schritte empfehlenswert sind.

Dr. Lucia Panakova behandelt Hunde und Katzen mit Ohren­erkrankungen täglich bei ihrer Arbeit als spezia­li­sierte Dermatologin. Der Anteil der Hundepatienten überwiegt, doch auch Katzen leiden häufig an Erkrankungen des Ohrs – des Mittelohrs im Speziellen.

Einführend erklärt die Spezialistin: „Katzen mit einer Mittelohrpathologie können verschiedene Symptome zeigen. Manche zeigen die Symptome einer Otitis externa, sie kratzen sich an den Ohren, schütteln den Kopf oder haben Ohrenausfluss. Wichtig ist es, zu wissen, dass eine Otitis externa bei der Katze oft sekundär zu einer Otitis media entsteht – ganz im Gegensatz zum Hund, bei dem es sich genau umgekehrt verhält.“ Dr. Panakova weiter: „Spezifische Mittelohrsymptome sind neurologischer Ausprägungsart; Katzen zeigen meist ein Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis und Enophthalmus, Anm. d. Red.). Auch dies ist wieder unterschiedlich zum Hund, der im Zusammenhang mit einer Otitis media vorwiegend eine Facialisparalyse zeigt.“ Die tierartlichen Differenzen bezüglich der neurologischen Symptome ergeben sich aus unterschiedlichen anatomischen Gegebenheiten und Verläufen der neurogenen Strukturen im Mittelohr, so die Tierärztin. „Setzt sich die Entzündung dann weiter ins Innenohr fort, entsteht eine Otitis interna, was wiederum zur Klinik eines peripheren Vestibulärsyndroms – also Ataxie, Nystagmus und Kopfschiefhaltung – führen kann“, fährt Dr. Panakova fort. Sie betont, dass nicht alle Katzen mit einer Otitis media Symp­tome zeigen; manchmal sei das auch ein Zufallsbefund bei einer Schnittbilduntersuchung des Schädels aufgrund anderer Indikation oder bei der pathologischen Untersuchung post mortem.

Es besteht der klinische Verdacht einer Mittelohr­­entzündung – welche weiteren Abklärungsschritte sind empfehlenswert?
Darauf antwortet die Dermato­login: „Das weitere Vorgehen ist individuell unterschiedlich. Sehe ich bei der Otoskopie bereits einen Polypen (entzündliche Wucherung ausgehend vom Mittelohr, Anm. d. Red.), der in den äußeren Gehörgang ragt, ist die Diagnose gestellt. Gibt es otoskopisch keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Polypen, muss jedenfalls mittels Schnittbilduntersuchung abgeklärt werden, ob eine Otitis media und Otitis interna vorliegen, oder ob es Hinweise auf Umfangsvermehrungen jeglicher Art gibt. Auch bei offensichtlich in der Otoskopie vorhandenen Polypen biete ich dem Besitzer eine Schnittbilduntersuchung an, denn so kann diagnostiziert werden, ob die knöchernen Strukturen bereits osteolytisch sind, und auch, ob der Polyp über die Eustachische Röhre in Richtung Rachenraum wächst.“ Eine prädisponierte Rasse für die Bildung von Mittelohrpolypen sind Maine Coons; die entzündlichen Umfangsvermehrungen können bei Katzen jedes Alters auftreten.

Stichwort schnittbildgebende Diagnostik – welche Informationen können CT und MRT über das Mittelohr der Katze geben?
„Abgesehen von osteolytischen und raumfordernden Prozessen können wir sehen, welche Kompartimente des Mittelohrs pathologisch verändert sind. Bei der Katze trennt ein nahezu vollständiges Knochen­septum die Bulla tympanica in das dorsolaterale und ventromediale Kompartiment. Der Ursprung von Polypen ist meist im dorsolateralen Teil. Ist auch der ventromediale Anteil mit Flüssigkeit gefüllt, handelt es sich meist um eine Otitis media anderer Genese“, meint Dr. Panakova. Auf die Frage, welche Ursachen eine Otitis media bei der Katze haben kann, führt sie aus: „Meist handelt es sich um die Ansammlung von Mucus mit einer sekundären bakteriellen Infektion. Das Mittelohr ist physiologischerweise mit Luft gefüllt und wird von einer modifizierten respira­torischen Schleimhaut ausgekleidet. Diese Zellen produzieren Schleim, der aufgrund von Schwellungen der Tuba auditiva nicht gut abfließen kann. Die Schwellung der Eu­stachischen Röhre oder auch eine Abflussstörung im Bereich ihrer Mündung im Nasopharynx kann durch Entzündungen oder raumfordernde Prozesse verursacht werden. Bei sinonasalen Entzündungen kommt es in weiterer Folge häufig zu einer aufsteigenden bakteriellen Infektion in das Mittelohr. Bisher fehlen eindeutige Beweise, dass virale Erkrankungen wie Calici- und Herpesviren daran beteiligt sind. Wir haben über einen längeren Zeitraum Proben aus dem Mittelohr virologisch untersuchen lassen, diese waren aber immer negativ und es konnten keine Viren nachgewiesen werden. Dies schließt allerdings nicht aus, dass eine virale Infektion, die zum Untersuchungs­zeitpunkt bereits eliminiert ist, theoretisch der Auslöser der Otitis media war. Auch funktionelle Dysfunktionen der Tuba auditiva und ein verlängertes Gaumensegel können zu einer verminderten Belüftung und vermehrten Schleimansammlung führen und somit optimale Be­dingungen für eine sekundäre bakterielle Otitis media schaffen.“

Die Mittelohrentzündung der Katze kann somit mehrere Ursachen haben und auch multifaktoriell sein. Die Videootoskopie und dabei durchgeführte Maßnahmen haben die Diagnostik und Therapie von Ohrenerkrankungen beträchtlich verbessert, denn mithilfe eines Video­otoskops können der Gehörgang und das Trommelfell bei gleichzeitiger Spülung gut beleuchtet und vergrößert und somit sehr detailliert dargestellt werden. Einerseits können Proben für die zytologische und bakteriologische Untersuchung aus dem Mittelohr entnommen und anderer­seits therapeutische Schritte wie die Spülung des Mittelohrs oder die Entfernung eines Polypen durchgeführt werden. „Die Probenentnahme aus dem Mittelohr ist für die weiterführende Therapie sehr wichtig, denn anhand der Probenergebnisse kann ich entscheiden, welches Antibiotikum für die weitere Therapie sinnvoll ist. Ist das Trommelfell intakt, wird mittels Myringotomienadel oder Harnkatheter ein Loch in das Tympanum gemacht. Nach der Probenentnahme wird die Bulla großzügig gespült, was einen der effektivsten Schritte in der Therapie darstellt. Bei der Katze haben wir – wieder im Gegensatz zum Hund – das Problem, dass das ventromediale Kompartiment aufgrund des Knochenseptums fast vollständig vom dorsolateralen getrennt ist. Somit spülen wir nur Letzteres. Bisher ist noch keine videootoskopisch gestützte Methode beschrieben, welche es uns ermöglichen würde, uns Zugang zum ventromedialen Mittelohranteil zu verschaffen. Dies gelingt aktuell ausschließlich chirurgisch über eine ventrale Bulla-Osteotomie“, so Dr. Panakova.

Polypen, erklärt die Spezialistin, werden mittels Klemme und Traktions-/Avulsionstechnik unter videootosko­pischer Kontrolle über den äußeren Gehörgang entfernt, jede Umfangsvermehrung wird pathologisch untersucht, da entzündliche Umfangsvermehrungen und Neoplasien makroskopisch sehr ähnlich aussehen können. Dr. Panakova: „Polypen haben ein gewisses Risiko, zu rezidivieren. Erfahrungs­berichte zeigen, dass das ganz langsame und drehende Ziehen an der Umfangsvermehrung die Wahrscheinlichkeit erhöht, den gesamten Polypen entfernen zu können und die Rezidivrate so zu reduzieren. Kommt es zu Rezidiven, ist häufig eine invasive ventrale Bulla-­Osteotomie nötig.“

Zusätzlich zur lokalen Therapie werden von einer bakteriellen Otitis media betroffene Katzen auch mit systemischer Antibiose behandelt. Dr. Panakova betont, dass dies über einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen nötig ist, und fügt hinzu: „Wir wählen das Antibiotikum nach dem Antibiogramm aus dem Probenmaterial, das aus dem Mittelohr entnommen wurde. Ist die bakteriologische Untersuchung negativ, sind aber zytologisch unter dem Mikroskop Bakterien sichtbar, muss die Wahl des Antibiotikums empirisch erfolgen.

Die systemische Antibiose ist vor allem bei Katzen ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Therapie, da Katzen viel sensibler auf lokal angewandte Medikamente reagieren als Hunde und das Risiko einer Ototoxizität bei vielen lokal ins Mittelohr applizierten Medikamenten hoch ist. Außerdem geben wir den Patienten systemische Glukokortikoide in antiinflammatorischer Dosierung, um die Schwellung der Tuba auditiva zu vermindern und somit die Belüftung des Mittelohrs und den Abfluss von Mucus und entzündlichem Material zu verbessern. Bei Polypen wissen wir zudem, dass der Einsatz von Glukokortikoiden das Risiko von Rezidiven herabsetzt.“ Katzen werden regelmäßig unter der Therapie zu Nachkontrollen bestellt und zytologische Proben aus dem äußeren Gehörgang entnommen, um den Erfolg der Therapie zu überwachen.

Zusammenfassend betont die Dermatologin, dass die Kombination aus einer Mittelohrspülung und anschließender gezielter Antibiose nach aktuellem Wissensstand die Therapie der Wahl darstellt. Immer sollte nach einer primären Ursache wie einem Polypen, Otodectes cynotis, einer sinonasalen Pathologie, Anomalien im Bereich der Tuba auditiva oder einem verlängerten Gaumensegel gesucht werden. Dabei spielen die bildgebende Diagnostik und die Videootoskopie eine wichtige Rolle.

„Eine videootoskopisch gestützte Myringotomie bei der Katze ist relativ einfach und man hat mit der Möglichkeit der Probenentnahme und der Mittelohrspülung einen großen diagnostischen und therapeutischen Benefit. Nicht zu vergessen ist dabei auch die Schmerzreduktion durch die Druckentlastung. Somit hat diese Kombination deutliche Vorteile gegenüber der alleinigen empirischen antibiotischen Therapie“, sagt Dr. Panakova abschließend.


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