Otitis externa beim Hund –

leicht zu diagnostizieren, schwer zu beherrschen

Mag. Nicole Klausner
Leiterin der dermatologischen Abteilung der Tierklinik St. Pölten

Unter einer Otitis externa versteht man die Entzündung des äußeren Gehörgangs und der Pinna. Wie bei jeder Entzündung kann zwischen akutem und chronischem Verlauf unterschieden werden.

Ursachen

Einer Otitis externa können neben anatomischen Prädispositionen (enger Gehörgang, viele Haare im Gehörgang, Schlappohren etc.) auch Umwelteinflüsse (zum Beispiel erhöhte Luftfeuchtigkeit, Fremdkörper im Ohr) als Ur­sache zugrunde liegen. Rasseprädispositionen sind beschrieben für Cockerspaniel, West Highland White Terrier, Golden Retriever, Shar Pei und Labrador (Muller und Kirk’s Small Animal Dermatology, 2013). Selten tritt eine primäre infektiöse Otitis externa auf, wie beispielsweise beim Befall mit Otodectes cynotis. In der Regel treten Infektionen mit Bakterien und Hefepilzen (Malassezia pachydermatis, deren Vorkommen in niedriger Anzahl physiologisch ist!) sekundär infolge von anderen Problemen auf. Tiere mit Allergien sind beispielsweise häufiger von Entzündungen des äußeren Gehörgangs betroffen. Ngo et al. (2018) haben gezeigt, dass das Mikrobiom der Haut und auch der Ohren sich bei atopischen Hunden verändert, was die Neigung zu Otitiden erklärt. Auch Umfangsvermehrungen (Polypen, Neoplasien jeglicher Art) stellen eine sehr häufige Ursache einer sekundären Otitis dar. Primärfaktoren sind also all jene, die per se eine Entzündung auslösen können (Parasiten, Allergien, Endokrinopathien, Neoplasien, Fremdkörper etc.), während prädisponierende Faktoren wegbereitend sind und dadurch ein höheres Risiko für die Entstehung von Otitiden darstellen (enger Gehörgang, viele Haare oder hohe Luftfeuchtigkeit im äußeren Gehörgang etc.).

Pathogenese

Anfangs steht die Rötung und Schwellung des Gehörgangs im Vordergrund. Wir erinnern uns an die Kardinalsymptome einer Entzündung: Calor - Rubor - Tumor - Dolor - Functio laesa. Es kommt zur Hyperplasie und Hyperkeratose des Epithels. Durch multiple Veränderungen und Hyperplasie der apokrinen Drüsen wird vermehrt Zerumen produziert. Es wandern Entzündungszellen ein und es kommt zu einer Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) und Kalzifizierung (vor allem bei chronischer Problematik!). Folge davon ist eine Verengung des Lumens und eine mangelhafte Belüftung, wodurch sich das Milieu des ­Gehörgangs verändert. Es kommt zu einer erhöhten ­lokalen Feuchtigkeit und der pH-Wert steigt an, was das Wachstum verschiedenster Mikroorganismen begünstigt.

Symptome

Die häufigsten Symptome in Verbindung mit einer ­Otitis externa sind Juckreiz und Schmerzhaftigkeit. Häufiges Kopfschütteln, Kratzen an den Ohren und Vokalisieren bei Berührungen können erste Anzeichen einer Erkrankung sein. Otitiden können uni- oder bilateral auftreten, was bereits erste Hinweise auf die zugrunde liegende Ursache bringen kann. Manchmal kann man auch Veränderungen der Pinna, wie zum Beispiel Rötungen, verkrustetes Exsudat oder Schuppen, sehen. Ein ­Othämatom wird aufgrund der teilweise massiven Schwellung der Pinna oft vom Tierbesitzer vor einer zugrunde liegenden Ohrenerkrankung bemerkt und stellt einen häufigen Vorstellungsgrund in der dermatologischen Sprechstunde dar. Durch mechanische Einwirkung wie Schütteln und Kratzen kommt es zur Schädigung von chondralen und dermalen Gefäßen, es sammelt sich Blut zwischen der Knorpelschicht und der Haut an. Stets sollte neben einer adäquaten Versorgung des Othämatoms auch die Grundursache (sofern vorhanden) mitbehandelt werden, da ansonsten Rezidive häufig sind.

Diagnose

Es ist ratsam, sich eine Abfolge der durchzuführenden Schritte, mit denen jedes Ohr untersucht wird, anzueignen; angefangen bei der Pinna: Finden sich hier schon erste Veränderungen? Sind diese lokal oder generalisiert? Solche Fragen können helfen, Differenzialdiagnosen zu ordnen.
Der nächste Schritt ist die otoskopische Untersuchung. Wie stellt sich der äußere Gehörgang dar? Ein entzündeter Gehörgang ist verengt, gerötet, schmerzhaft und gegebenenfalls vermehrt mit Sekret gefüllt. Weiters wird, sofern einsehbar, das Trommelfell beurteilt. Es werden stets beide Ohren untersucht, auch wenn nur eines für die Symptome des Patienten verantwortlich ist.
Unerlässlich für das Feststellen der beteiligten Mikroorganismen ist die zytologische Untersuchung des Ohrabstrichs. Mittels Wattestäbchen werden Proben entnommen, auf Objektträger aufgebracht und sowohl nativ als auch angefärbt unter dem Mikroskop beurteilt. Dies ist wichtig, um festzustellen, ob und welche Erreger vorliegen, da dies für die Therapieentscheidung maßgeblich ist. Ist der Patient sehr schmerzempfindlich oder unruhig, kann es notwendig sein, das Tier zu sedieren, um die erforderlichen Untersuchungen vornehmen zu können und eine Verletzung des Trommelfells zu vermeiden.
Wichtig ist, sich nicht nur auf die Ohren zu fokussieren. Weist das Tier noch andere Hautveränderungen auf? Welche Informationen können wir aus der Anamnese verwerten? Haben wir Hinweise auf prädisponierende Faktoren? Welche Primärursachen liegen dieser Erkrankung zugrunde? Sind Entzündungen chronisch oder treten sie wiederkehrend auf, sind meist weitere Untersuchungen notwendig. Ist das Ohr nicht einsehbar oder hilft eine gestartete Therapie nicht, kann eine Videootoskopie von Nutzen sein. Mittels hochauflösender Kamera können Zubildungen visualisiert und beprobt werden sowie professionelle Ohrspülungen durchgeführt werden (siehe oben, Abb. 6 und 7).
Die Durchführung einer bakteriologischen Kultivierung und das Erstellen eines Antibiogramms sind bei therapieresistenten, rezidivierenden Otitiden essenziell. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass das Ergebnis mit dem zytologischen Bild korreliert. Sind unter dem Mikroskop kokkoide Keime sichtbar, sollten Bakterien dieser Gattung im bakteriologischen Befund aufscheinen. Gleiches gilt dementsprechend auch für stäbchenförmige Bakterien.
Vor allem bei neoplastischen und hyperplastischen Erkrankungen, aber auch bei Verdacht auf Beteiligung des Mittel- und/oder Innenohrs ist eine computertomografische Untersuchung indiziert. Mittels Schnittbildern und 3D-Rekonstruktion kann das komplette Ausmaß der Erkrankung (Beteiligung der Sentinel-Lymphknoten etc.) festgestellt werden, was essenziell für den zu erstellenden Therapieplan und vor allem für das nötige Ausmaß bzw. die Sinnhaftigkeit einer chirurgischen Intervention ist.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach dem auslösenden Faktor und den zugrunde liegenden Ursachen. In vielen Fällen ist es nicht damit erledigt, einzig die Ohren zu therapieren. Da die Otitis externa für die meisten Patienten sehr schmerzhaft ist, ist eine lokale Therapie der Entzündung in jedem Fall zweckmäßig. Dies kann durch das Einbringen antibakterieller, antimykotischer, antiparasitärer oder entzündungshemmender Medikamente erfolgen. Oft kommen auch Kombinationspräparate zur Anwendung – wichtig ist, sich stets Gedanken über die zu erwartende Wirksamkeit des Produkts zu machen und nicht einem Standardprotokoll zu folgen. Die klinische Präsentation, die zytologische Untersuchung und eventuell weitere erhobene Befunde sollten die Auswahl des Wirkstoffs bestimmen. Kontrolluntersuchungen sind wichtig, um die Therapie nicht vorzeitig zu beenden, da pathologische ­Erreger meist über das Abklingen der klinischen ­Symptome hinaus vorhanden sind, was eine anhaltende Therapie erforderlich macht. Finden sich offensichtliche Primärauslöser wie beispielsweise Fremdkörper, besteht die Ersttherapie in der Beseitigung des auslösenden Agens. Bevor topische Medikamente instilliert werden, ist es wichtig, vorhandenes Exsudat oder Zerumen zuerst mit einem Ohrreiniger zu entfernen. Nur dann kann das da­raufhin eingesetzte Medikament effizient wirken, da Ohrreiniger in der Lage sind, den vorhandenen Biofilm zu durchbrechen. Oftmals ist dies (vor allem bei chronischen Erkrankungen) nicht ausreichend und eine professionelle Ohrspülung in Allgemeinanästhesie erforderlich. So kann das gesamte Debris entfernt werden, was den anschließend angewandten topischen Medikamenten erlaubt, adäquat wirken zu können. In schwerwiegenden Fällen kann eine systemische Therapie notwendig sein; dies sollte allerdings die Ausnahme darstellen und nicht den Regelfall. Sind die Veränderungen bei einer chronischen Otitis schwerwiegend oder ­tiefer gehend und bringen weder Ohrspülungen noch Medikamente eine adäquate Besserung, kann ein chirurgischer Eingriff indiziert sein. Maligne Neoplasien machen stets ein chirurgisches Einschreiten erforderlich. Wie bereits erwähnt, ist für die Entscheidungsfindung die bildgebende Diagnostik von fundamentaler Wichtigkeit. Die chirurgische Bandbreite reicht je nach Indikation von der Eröffnung des vertikalen Gehörgangs bis hin zu dessen kompletter Resektion mit gleichzeitiger Osteotomie der Bulla tympanica.

Prophylaxe

Entzündungen des äußeren Ohrs zu verhindern ist nicht immer möglich. Wichtig ist, prädisponierende Faktoren zu erkennen und diese so gut wie möglich auszugleichen sowie die zugrunde liegende Primärerkrankung zu behandeln. Bei Tieren mit Tendenzen zu Otitis externa kann mit einer regelmäßigen Reinigung des Gehörgangs Entzündungen vorgebeugt werden.
Sollte eine Otitis externa auftreten, sind eine ­gründliche Anamnese und eine Untersuchung des gesamten Patienten wichtig. Die Erkrankung zu diagnostizieren ist nicht schwierig – die Ursache zu finden und zu beseitigen und/oder zu kontrollieren ist die Herausforderung, die es ­gemeinsam mit dem Tierbesitzer zu meistern gilt.

 

Quellen

Noli C., Scarampella F., Toma S. (2014): Praktische Dermatologie bei Hund und Katze, Schlütersche, 3. Auflage
Tilly L. P., Smith F. W. K. (2011): Blackwell’s Five Minute Veterinary Consult, Wiley-Blackwell, 5. Auflage
Kohn B., Schwarz G. (Hrsg.; 2018): Praktikum der Hundeklinik, Enke,
12. Auflage
Miller W. H., Griffin C. E., Campbell K. L. (2013): Muller and Kirk’s Small Animal Dermatology, Elsevier, 7. Auflage
Fossum T. (2009): Chirurgie der Kleintiere, Elsevier, 2. Auflage
Perry L. R. et al. (2017): Epidemiological study of dogs with otitis externa in Cape Breton, Nova Scotia; The Canadian Veterinary Journal
Bajwa J. (2019): Canine otitis externa – treatment and complications, The Canadian Veterinary Journal
Hnilica K. A. (2011): Small Animal Dermatology, A color atlas and therapeutic guide, Elsevier, 3. Auflage
Ngo et al. (2018): Ear Canal Microbiota – A comparison between healthy dogs and atopic dogs without clinical signs of otitis externa, Journal of Veterinary Dermatology