Dr. Elisabeth Wagmeister
Ausgabe 11/2021
Hunde wurden im Zuge der Coronapandemie bereits erfolgreich eingesetzt, um Infizierte zu identifizieren. Vielversprechend ist dabei eine aktuelle wissenschaftliche Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Der ausgezeichnete Geruchssinn von Hunden ist allgemein bekannt. Schon längst hat sich der Einsatz der Vierbeiner bei der Jagd, der Rettung von Lawinenopfern oder Verschütteten, der Sprengstoffsuche und bei der Drogenfahndung bewährt. Mit einem speziellen Training lassen sich Hunde auf das Erkennen verschiedener spezifischer Gerüche schulen. So können sie auch zu wichtigen Helfern im Gesundheitswesen werden: Als Assistenzhunde warnen sie etwa Menschen mit schweren Allergieerkrankungen vor gefährdenden Substanzen – Petra Köhler, Trainerin (IACP-CDT-PDTI) beim Deutschen Assistenzhunde-Zentrum TARSQ, Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin, hat dazu interessante Informationen bereitgestellt. Im Zuge der Coronapandemie werden Hunde weiters bereits in mehreren Ländern eingesetzt, um Infizierte zu identifizieren. Die hohe Trefferquote in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Deutschland lässt auf weitere interessante Einsatzgebiete für den Geruchssinn des Hundes im medizinischen Bereich hoffen.
Hunde zählen zu den Makrosmaten (Nasentiere; griechisch „Großriecher“). Die Nase ist ihr wichtigstes Sinnesorgan und ihr Geruchssinn ist entsprechend gut ausgebildet. Im Unterschied dazu sind Menschen Mikrosmatiker; für uns ist das Sehen von größerer Bedeutung. Das Rhinencephalon (Riechhirn) des Hundes ist 40 Mal größer als das des Menschen. Es umfasst 10 % des gesamten Hundehirns, das des Menschen lediglich 1 %. In der Regio olfactoria werden bei Säugetieren die Gerüche wahrgenommen. Sie befindet sich im oberen Bereich der Nasenmuschel (Conchae nasales), die mit Riechschleimhaut ausgekleidet ist. Die Riechschleimhaut eines mittelgroßen Hundes ist etwa zehnmal so groß wie die der menschlichen Nase und besitzt etwa zehnmal so viele Riechzellen. Riechzellen sind bipolare Nervenzellen, an denen die Geruchsstoffe binden. Die Zelle zieht durch die Siebbeinplatte (Lamina cribrosa) und verbindet sich im Gehirn mit dem Riechkolben (Bulbus olfactorius).
Der wiederholte Kontakt mit einem bestimmten Geruchsstoff führt zu einer vermehrten Ausbildung entsprechender Geruchsrezeptoren und somit zu einer erhöhten Empfindlichkeit für diesen Geruchsstoff. Das bedeutet: Riechzellen können trainiert werden. Hunde als beste Freunde des Menschen sind von ihrem Wesen her kooperativ und sehr lernfähig. Über systematisches Training lassen sie sich auf Gerüche konditionieren: Zuerst wird dem Hund der Zielgeruch auf einem Geruchsträger präsentiert. „Der Hund wird positiv bestärkt, wenn er den Geruch erkennt“, berichtet Hundetrainerin Petra Köhler. „Die Ausbildung erfolgt nach dem Prinzip der operanten Konditionierung. Die Aufgaben werden dabei immer schwieriger. Beispiel: Bei einem Erdnussallergen-Anzeigehund wird der Schwierigkeitsgrad von der reinen Erdnuss über Mischprodukte bis hin zu Produkten, die nur noch Spuren von Erdnüssen enthalten, gesteigert. Gut ausgebildete Hunde können sogar diese extrem geringen Mengen erschnüffeln und anzeigen. Außerdem wird mit synthetischen Geruchsstoffen in verschiedenen Konzentrationen trainiert.“ Zum Anzeigen des Geruchs wird eine bestimmte aktive oder passive Verhaltensweise trainiert – etwa Bellen oder Hinlegen. „Bei Assistenzhunden, die den Menschen im Alltag begleiten, sind ruhige Anzeigeverhalten wie Anstupsen oder Pfoteauflegen erwünscht“, erklärt Köhler. Durch Belohnungen in Form von Futter oder Spielzeug bekommt die Arbeit einen spielerischen Charakter und die Hunde bleiben motiviert. Um unkontrollierte Einflüsse von Trainern auszuschließen, gibt es mittlerweile automatisierte Detection-Dog-Trainingssysteme. Diese haben Geruchsöffnungen und geben dem Hund bei korrektem Anzeigen sofort eine Belohnung aus.
Assistenzhunde werden gezielt ausgebildet, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen und Menschen mit Erkrankungen im Alltag zu helfen. Dazu gehören etwa Blindenführhunde, Diabetikerwarnhunde, PTBS-Assistenzhunde und Allergenanzeigehunde. Bei Letzteren ist der Geruchssinn entscheidend: „Allergenanzeigehunde werden darauf trainiert, ein bestimmtes Allergen zu riechen und es dem Besitzer anzuzeigen“, erzählt Assistenzhundetrainerin Köhler, „in der Regel handelt es sich dabei um Lebensmittelallergien, etwa gegen Erdnüsse, Bananen oder Gluten.“ Die Ausbildung beginnt im Alter von null bis drei Jahren und dauert zwei Jahre. „Nicht jeder Vierbeiner ist als Assistenzhund geeignet. Der Charakter ist wichtig, und im Fall von Allergenanzeigehunden auch der Geruchssinn. Ein gemütlicher Couch-Potato-Hund wird schwer motiviert werden können, Tag und Nacht zu arbeiten.“
Beim Einsatz von Spürhunden ist eine hohe Zuverlässigkeit wichtig. Allerdings können die Vierbeiner nicht wie technische Geräte auf tadellose Funktion überprüft oder kalibriert werden. Ihre Leistung kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden – dazu zählen Ermüdung, Hunger, Durst und Ablenkung. Die Motivation, Konzentration oder das Interesse für den Zielgeruch kann nachlassen, auch Trainingsfehler sind möglich. „Im Falle einer Erkrankung oder Verletzung bei Assistenzhunden muss die Beeinträchtigung des Hundes genau beurteilt werden. Wenn keine zuverlässige Leistung erbracht werden kann oder dem Tier zu viel Stress zugemutet wird, muss es vorübergehend aussetzen“, berichtet Köhler. „Mit acht oder neun Jahren beenden Assistenzhunde in der Regel ihre Arbeit und gehen in Rente. Meist bleiben sie als Begleithund bei ihrem Besitzer“, so die Trainerin.
Die Gesamtheit der Gerüche, die ein Mensch ausströmt, wird als Volatilom bezeichnet. Dabei spielen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, Alter, Hormonstatus und auch Krankheiten eine Rolle. Es entstehen spezifische flüchtige organische Verbindungen, sogenannte VOCs (Volatile Organic Compounds). Diese VOCs können als Biomarker für Krankheiten dienen. Bereits 400 v. Chr. wies der griechische Arzt Hippokrates auf die Bedeutung des Geruchs als Krankheitssymptom hin. Schon damals wurde erkannt, dass es infolge von pathologischen Prozessen zu einer Veränderung der Gerüche über den Atem, den Urin oder die Haut kommen kann. So sollen Patienten mit einer Tuberkuloseinfektion nach abgestandenem Bier und Patienten mit Röteln nach frisch gerupften Federn riechen, leberkranke Menschen modrige Ausdünstungen abgeben und Personen mit Diabetes mellitus einen süßlich-fruchtigen Geruch nach Apfelessig ausströmen. Es gibt Hinweise, dass Patienten mit einer Krebserkrankung einen für den Tumor spezifischen Geruch abgeben. Hunde haben die Fähigkeit, diesen Geruch in vielen Fällen zu erkennen. Es wurden bereits zahlreiche Studien zu dem Thema veröffentlicht, allerdings mit zum Teil heterogenen Ergebnissen und methodischen Einwänden. Im tiermedizinischen Alltag werden auffällige Gerüche durch die Tierärztin/den Tierarzt in die klinische Untersuchung miteinbezogen, wie z. B. der urämische Maulgeruch bei nierenkranken Tieren.
Seit Auftreten der Coronapandemie werden zahlreiche Tests auf das Coronavirus Sars-CoV-2 durchgeführt – da liegt die Frage nahe, ob nicht Hunde mit ihren hervorragenden Spürnasen die für das Virus spezifischen entstehenden Gerüche erschnüffeln können. In mehreren Ländern werden fertig ausgebildete Spürhunde unter standardisierten Testbedingungen auf das Erkennen von Covid-19-Infizierten trainiert; die Ergebnisse sind vielversprechend. Wissenschaftliche Studien der Tierärztlichen Hochschule Hannover erbrachten hohe Trefferquoten mit einer Sensitivität von über 80 % und einer Spezifität von über 94 %.1 Ähnliche Studien bestätigten diese Ergebnisse.
Die Hunde trainierten zunächst mit Speichelproben und konnten über Generalisation im nächsten Schritt auch erfolgreich Urin- und Schweißproben identifizieren. Das spricht für eine robuste VOC-Mustererzeugung bei Coronainfizierten – die Basis für erfolgreiche Anwendung in der Praxis. Seit September 2021 wurden die Corona-Spürhunde bei einer vierteiligen Konzertreihe zum Screening der Besucher eingesetzt – zur Kontrolle, denn alle Konzertbesucher waren negativ getestet. Auch in anderen Teilen der Welt wurden die Hunde praktisch erprobt, z. B. in Helsinki am Flughafen und in den USA als „Corona-Paw-Patrol“ bei einem Basketballspiel der Miami Heat.
Die beeindruckenden Erfolge durch die außergewöhnliche Geruchsleistung von Hunden eröffnen die Aussicht auf weitere Einsatzgebiete im Gesundheitswesen. Gut trainierte Hunde könnten in größerem Umfang zum Screening von Covid-19-Infizierten als Teil umfassender Testmodelle integriert werden. Die Abgrenzung zu anderen Infektionskrankheiten der Atemwege sollte noch genauer erforscht werden. Denkbar ist auch, die Geruchsleistung der Tiere für die Entwicklung „elektronischer Nasen“ zu nutzen. Es wurden im „Spot Nosed Project“ in Barcelona gentechnisch erzeugte Biosensoren entwickelt, die den Riechrezeptoren von Tieren nachgebildet sind. Derzeit sind weder die künstlich hergestellten chemischen Sensoren noch die Biosensoren ausgereift genug, um die komplexen olfaktorischen Fingerprints von diversen Erkrankungen gut zu erkennen – Hunde haben da im Moment noch die Nase vorn. Die Geruchsbeurteilung durch den Hund, eventuell in Kombination mit technischen Diagnoseverfahren, könnte sich in Zukunft jedenfalls als schnelles und nicht invasives diagnostisches Mittel in der Medizin etablieren.
Literatur:
1 Jendrny P, Twele F, Meller S et al. Scent dog identification of SARS-CoV-2 infections in different body fluids. BMC Infect Dis. 2021 Jul 27; 21 (1): 707. doi: 10.1186/s12879-021-06411-1. PMID: 34315418; PMCID: PMC8313882.