Was haben

wir den da?

Tierärztin Tanja Warter

Beim Zoll am Flughafen Schwechat muss man bei der Gepäckkontrolle auf alles gefasst sein – sogar auf Papageieneier, Vogelspinnen oder Schlangen wie die Schwarze Mamba.

Die Reisenden stehen ungeduldig am Gepäckband und warten, dass es sich endlich in Bewegung setzt. Erst vor wenigen Minuten sind sie mit der Maschine aus Ankara in Wien-Schwechat gelandet. Jetzt nur noch den Koffer holen. Neben der Luke, aus der die Gepäckstücke auf das Band fallen, hat sich der Ungeduldigste positioniert. Er heißt Lord und arbeitet beim Zoll.

Lord lässt Schmugglern, die lebende Tiere im Gepäck ­haben, keine Chance. Seine genaue Berufsbezeichnung lautet Artenschutzspürhund. Er ist spezialisiert auf Exoten wie Skorpione, Warane oder Schlangen. Auch Geckos, Chamäleons oder Schildkröten findet er, wenn jemand sie im Koffer mitbringt. Aber das tut doch niemand, möchte man ausrufen. Weit gefehlt. Beispiel März 2017: Ein Reisender hatte fast 80 Reptilien im Gepäck, darunter Schildkröten, Chamäleons, Geckos und ­Echsen; sogar eine Schwarze Mamba. Die Fracht wurde beschlagnahmt und dem Tiergarten Schönbrunn sowie dem ­Reptilienzoo Forchtenstein übergeben.        

Mit lautem Surren setzt sich das Förderband in Bewegung. Lord springt auf und inspiziert mit seiner Nase die erste Reisetasche von allen Seiten. Diensthundeführerin Regina Eitel spornt ihn mit Handzeichen an. Lebende Tiere sind wertvolle Schmuggelware. Die Preise für die Exoten können unter Liebhabern Tausende Euro ausmachen. Dass viele der kreuchenden und fleuchenden Mitbringsel unter Artenschutz stehen, dass die Einfuhr von Tieren und tierischen Produkten in die EU generell im Reiseverkehr verboten ist und dass die Tiere oft schon tot ankommen, weil sie verdurstet sind oder einfach keine Luft bekommen haben, stört die Schmuggler wenig. 

Lord schnüffelt eifrig weiter. Regina Eitel war mit ihm schon früher bei großen Aufgriffen dabei. Mit einem Flieger aus Düsseldorf sind einmal zwei Slowaken gekommen, die in Jamaika ihren Urlaub verbracht hatten. Es war eine Woche vor Ostern, deshalb hatten die Herren mehrere Schachteln und eine Kokosnuss, gefüllt mit Schokoeiern, als Geschenke im Gepäck. Doch obwohl die Schachteln wie eingeschweißte Originalverpackungen aussahen, verbargen sich keineswegs Schokoeier darin. In Wahrheit handelte es sich um Papageieneier. Ein jedes fein säuberlich beschriftet und in Watte gepackt. 74 Stück. Der Zoo Schönbrunn übernahm die Eier schließlich. 

Lord zerrt an der Leine in Richtung des nächsten ­Koffers. Regina Eitel: „Es wusste ja damals noch keiner, was da ausschlüpfen würde.“ Herausgekommen sind seltene Jamaika- und Rotspiegelamazonen. 45 haben überlebt. Beide Arten leben ausschließlich in zwei kleinen Gebieten auf Jamaika. Für einen solchen Papagei bezahlen Liebhaber angeblich 15.000 Euro. Mit den Eiern hätten die Händler also über eine Million Euro machen können. 

Je größer der Flughafen, desto größer die Sorgen. Sage und schreibe 211 lebend eingeführte Tiere fischten Zöllner im vergangenen Jahr aus Gepäckstücken am Flughafen München. Ein junger Australier kam im September mit 36 Schlangen im Handgepäck an, die in einem Stoffbeutel versteckt waren. Für diese spezielle Pythonart hat die australische Regierung seit über zehn Jahren keine Ausfuhrgenehmigung mehr erteilt. Die Schlangen kamen in die Münchner Auffangstation für Reptilien. Dort kann den Leiter Markus Baur fast nichts mehr erschüttern. Manchmal kommen Tiere mehr tot als lebendig bei ihm an. „Wozu man die vom Baum reißt, das frage ich mich schon“, sagt Baur.

Einen gehörigen Schreck hat ein Schweizer einem Zollmitarbeiter in Zürich eingejagt. Der Mann, zurück von seinem Urlaub in der Dominikanischen Republik, beherbergte in sechs Kartonschachteln, in denen sich wiederum kleine, transparente Kunststoffsäckchen befanden, 261 Vogelspinnen. Sie dürften von einem Mittelsmann in Mexiko gefangen worden sein. Es handelte sich um Exemplare der bedrohten Rotknievogelspinne.

In Schwechat haben alle Passagiere aus Ankara ihre Koffer abgeholt. Jetzt braucht Lord eine Pause. „20 bis maximal 30 Minuten kann er konzentriert arbeiten“, sagt sein Frauerl. Bei Hitze ist er schneller müde. Und manchmal hat er wie ein Mensch einfach einen schlechten Tag. In der nächsten Runde darf er Personen beschnuppern. „Es gibt Schmuggler, die lebende Tiere direkt am Körper tragen, zum Beispiel in Safariwesten mit vielen kleinen Taschen.“ In Neuseeland ist einmal ein deutscher Tourist aufgeflogen, der 44 Geckos in seiner Unterhose versteckt hatte. 

Öfter als lebende Tiere kommen in Wien Produkte mit oder von toten Tieren vor. Schlangenwein ist so ein Beispiel. Regina Eitel: „In der Flasche schwimmt dann eine kleine Kobra. Auch Handtaschen aus Krokoleder oder Walzähne als Andenken – alles schon da gewesen.“ ­Organisierte Schmuggler seien viel seltener als unwissende Touristen, die eigenartige Souvenirs mitbringen. „Die Sachen nehmen wir ab, der Urlauber zahlt eine Strafe und beim nächsten Mal ist er hoffentlich klüger.“

Die meisten exotischen Haustiere und Vögel gelangen nicht über den Reiseverkehr, sondern mit Frachtmaschinen nach Europa. Oft sind sie in Container gepfercht. Kontrollen sind dann schwieriger, aber ebenso wichtig. Ein Beispiel vom Flughafen Brüssel: Von 204 Chamäleons, die aus Uganda stammten und für Süddeutschland bestimmt waren, hatten nur 14 Tiere die entsprechenden Papiere. 

Für Regina Eitel und ihren Artenschutzspürhund Lord geht es wieder an die Arbeit. Eine Maschine aus Thailand ist im Anflug. Gut möglich, dass Lord dieses Mal wieder fündig wird.