Dr. med.vet. Robert Fink
Fachtierarztprüfungskommission Bienen
Ausgabe 03/2023
Umgangssprachlich heißt es bei uns: „Es geht hinaus zua.“ Gemeint ist damit, dass die Tage wieder länger werden, der Großteil des Winters vorbei ist, die ersten Blüten zu sehen sind und die ersten Insekten umherschwirren. Die Bienen haben ihren Reinigungsflug erledigt und das Imkerjahr beginnt.
Der Imker respektive die Imkerin wird dieser Tage erstmals im neuen Jahr in seine oder ihre Beuten hineinschauen und feststellen, ob Völker den Winter nicht
überlebt haben – und wenn ja, was der Grund dafür sein könnte. Waren es Krankheiten oder wurde vielleicht zu
wenig eingefüttert?
Die Völker, die den Winter überstanden haben und jetzt massiv mit dem Volkaufbau beginnen, werden in den nächsten Wochen ihre für unsere Natur- und Kulturpflanzen so wichtige Aufgabe der Bestäubung durchführen. Zuerst, bei noch niedrigeren Temperaturen, werden vor allem die Hummeln und einige Wildbienen, dann auch vermehrt die Honigbienen ihre Bestäubungsarbeit aufnehmen.
Das nächste halbe Jahr wird darüber entscheiden, ob das Wetter und die Tracht passen, ob äußere Einflüsse wie Vergiftungen durch Insektizide auftreten, ob Krankheiten den Bienen zusetzen, ob der Lebensraum für die Wildbienen erhalten bleibt – und ob der Imker bzw. die Imkerin seine oder ihre Völker fachgerecht pflegt und versorgt; kurz: ob es ein gutes Bienenjahr wird.
Wie allgemein in der Natur und auch in der Nutztierhaltung gibt es auch bei den Bienen Krankheiten, deren frühzeitiges Erkennen und deren Bekämpfung (und noch besser: Vorbeugung) zum Standardrepertoire des Imkers, der Imkerin gehören sollten. Die Fachtierärzt*innen für Bienen stehen da mit Rat und Tat an ihrer Seite. Sie haben die Bereiche Krankheitsvorbeugung, Behandlung, Bekämpfung, Therapie und Resistenzen in vielen Variationen studiert und begegnen diesen Problemkreisen in ihrer täglichen Praxis. Es geht dabei nicht nur um die eindimensionale Ausrichtung auf das vorliegende Problem, sondern auch um den Blick auf das große Ganze. Deshalb werden wir in unsere nächste Fortbildung auch die Themen „Honigbienen versus Wildbienen“, „Honigbienen und Landwirtschaft“ und „Hummeln“ aufnehmen.
Es gibt die Diskussion, dass Honigbienen die Wildbienen verdrängen, es gibt auch Untersuchungen, dass das Flügeldeformationsvirus und Nosema ceranae von Honigbienen auf Wildbienen übertragen werden. Der Hummelimport für den Einsatz der Hummeln in Gewächshäusern wird immer häufiger – alles Gründe, sich damit zu beschäftigen.
Das neue Tiergesundheitsrecht der EU (AHL) und das geplante Tiergesundheitsgesetz in Österreich werden diesem umfassenden Zugang zumindest im Bereich Seuchen gerecht und regeln nicht mehr nur die Aktivitäten rund um Seuchen und deren Verhinderung, sondern auch die Verpflichtungen der Tierhalter*innen, der Behörden, der Tierärzt*innen und aller fachkundigen Personen. Das Zusammenwirken dieser Fachkreise, die Erhebung von Daten und deren Aus- und Bewertung, die Einschränkung der Gefahren, die eine Seuchenausbreitung erleichtern usw., bis hin zur Überwachung, wird eingefordert.
Durch die Einstufung der Seuchen in Kategorien (wobei die zu setzenden Maßnahmen von Kategorie A bis E absteigend streng sind) wird auch darauf geachtet, nicht überschießend komplizierte und unnötige Interventionen zu setzen.
Nachdem das AHL als EU-Verordnung direkt in den Mitgliedstaaten wirkt, ist eine inhaltliche Umsetzung nicht mehr notwendig bzw. auch nicht erlaubt. Sehr wohl notwendig ist aber die gesetzliche Basis zur Umsetzung des AHL in den jeweiligen Mitgliedstaaten, angepasst an die jeweilige Struktur. In Österreich ist geplant, dies in einem österreichischen Tiergesundheitsgesetz zu gewährleisten. Für die Übergangszeit wurden in Österreich durch die Veterinärrechtsnovelle 2021 BGBl. I Nr. 73/2021 die bisherigen Seuchengesetze in Kraft belassen; d. h., bei den Bienen gilt weiterhin das Bienenseuchengesetz.
Die weltweit vorkommende Varroose wird wahrscheinlich auch in Zukunft erst ab einem Befallsgrad von um die 30 % anzeigepflichtig sein. Man wird mit den Varroamilben leben müssen, man wird aber nicht darum herumkommen, Maßnahmen gegen deren massive Ausbreitung zu ergreifen, zumal die Forschung in der Zwischenzeit klar zutage gebracht hat, dass es eine Korrelation von Varroabefall und Virenbefall gibt. Überall dort, wo es Varroamilben gibt, gibt es auch das Flügeldeformationsvirus (DWV). In der Zwischenzeit ist die Entwicklung eines Virenschnelltests schon sehr weit fortgeschritten und es soll damit neben dem Virennachweis auch ein Rückschluss auf die Varroasituation möglich gemacht werden.
Dies ist nur ein Beispiel, dass derartige Problemstellungen bei Tierärzt*innen in den richtigen Händen sind, nicht nur in der Krankheitsbekämpfung, sondern auch in der Vorbeugung und indirekt auch mit Auswirkungen auf die Forschung.
Die Beschäftigung mit Honigbienen und deren Krankheiten bekommt an den europäischen veterinärmedizinischen Universitäten zunehmend einen höheren Stellenwert und es gibt in der Zwischenzeit Veröffentlichungen darüber, welche Universitäten sich mit Bienenkrankheiten beschäftigen und wie intensiv – Österreich liegt da nicht gerade im Spitzenfeld.
In diesem Zusammenhang wird auch zu diskutieren sein, für welche Tierarten sich Veterinärmediziner*innen zuständig fühlen (sollen). Sind dies im Nutztierbereich nur die Rinder, Schweine, kleinen Wiederkäuer, Fische und neuerdings Neuweltkameliden oder sollen auch Bienen verstärkt betrachtet werden? Wenn ja, dann brauchen wir auch das nötige Handwerkzeug. Es wird sich in der näheren Zukunft zeigen, ob der Fachbereich Bienen weiterhin nur in der Hand einzelner Tierärzt*innen bleibt oder ob das öffentliche Interesse an Bienen – welches zweifelsfrei vorhanden ist – auch auf den Stellenwert der Bienen innerhalb der Veterinärmedizin durchschlägt.
Leserbrief
Diesen interessanten Artikel konnten wir im Februar-Vetjournal lesen. Es handelt sich um eine Schluckimpfung. Das Prinzip dieser Impfung basiert auf der Möglichkeit, Ammenbienen mit dem Futter abgetötete Paenibacillus larvae-Bakterienfragmente zu verabreichen. Über deren Verdauungstrakt und Körperflüssigkeiten (Hämolymphe) gelangen diese Fragmente, gebunden an das Protein Vitellogenin, in die Hypopharynxdrüsen der Ammenbienen. In diesen Drüsen wird Geleè royale (Futtersaft) produziert. Die Ammenbienen füttern die Königin mit Geleè royale und übertragen dabei die Bakterienfragmente, die wiederum mit dem Transportmittel Vitellogenin in die Oocyten gelangen. Diese „Schluckimpfung“ bewirkt also eine generationsübergreifende Schutzwirkung („trans-generational immune priming“).
Obwohl das Thema wissenschaftlich sehr interessant und möglicherweise zukunftsweisend ist, sollten zurzeit einige Fakten kritisch beleuchtet werden.
In den USA ist die AFB weitverbreitet und es gibt Regionen, in denen mehr als 50 Prozent der Bienenvölker infiziert sind. Der jahrzehntelange regelmäßige und präventive Einsatz von Antibiotika gegen AFB mündete in eine nicht zu unterschätzende Resistenzsituation. Ein Einsatz der Impfung ist also dringend erforderlich und ihr Erfolg daher sehr wünschenswert.
Bisherige Untersuchungen zeigen allerdings eine begrenzte Wirkdauer des Impfschutzes. Ein solcher sollte zumindest für ein Jahr gewährleistet sein. Im Gegensatz zu den USA, wo Königinnen oft zweimal und öfter jährlich getauscht werden (und ergo eine kürzere Dauer des Impfschutzes eine untergeordnete Rolle spielt), werden – bei einer maximalen Lebenserwartung einer Königin von fünf Jahren – in Österreich Königinnen durchschnittlich für zwei Jahre im Volk belassen. In Laborversuchen wurde ein 30 bis 50-prozentiger Schutz der Nachkommen (Larven) geimpfter Königinnen festgestellt. Die übrigen Larven erkrankten allerdings beziehungsweise starben. In diesen Versuchen wurde nicht die gesamte Metamorphose der Larven beobachtet, obwohl es bei dem eingesetzten Erreger-Genotyp Eric 1 auch in späteren Larvenstadien noch zu Todesfällen kommen kann. Möglicherweise wurde also die Todesrate unterschätzt.
In Österreich liegt der Infektionsgrad von Bienenvölkern mit AFB wahrscheinlich im einstelligen Prozentbereich. Jedenfalls bestätigen dies die gemeldeten Seuchen-ausbrüche und die erfolgreich durchgeführten Sanierungen.
Antbiotika-Einsatz war, ist und bleibt in Österreich bei AFB verboten. Bei uns wird großes Augenmerk auf Prävention gelegt, und diese soll noch weiter intensiviert werden. Diagnostik und Monitoring sind zwei Säulen der so wichtigen Früherkennung dieser Seuche.
Die Impfung gegen AFB ist zurzeit in Österreich nicht Gebot der Stunde. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass soziale Immunität und transgenerationales Immun-Priming bei Insekten ein hoch spannendes Wissens- und Forschungsgebiet ist. Es ist mit einem adaptiven Immunsystem bei Wirbeltieren nicht vergleichbar. Ob sich Impfungen bei Insekten etablieren werden, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls gibt es in Österreich in Bezug auf AFB abseits von Impfungen sehr etablierte Vorgehensweisen der Vorsorge und Bekämpfung sowie vielversprechende und zukunftsweisende Entwicklungen. Ein zentraler Hoffnungsträger für unsere Bienen, auch zu diesem Thema, ist die neu gegründete „Tiergesundheit Österreich“.
Dr. Vinzenz Loimayr