Dr. Robert Fink
Fachtierarztkommission Bienen
Ausgabe 03/2022
Die Honigbienen stellen in der gesamten Wertschöpfung der Nutztierproduktion die drittwichtigste (Nutz-)Tierart dar. Das Wort „Nutz-“ wurde bewusst in Klammern geschrieben, weil es noch nicht üblich ist, bei Honigbienen von Nutztieren zu sprechen.
Die Imkerei hat noch immer den Nimbus der Hobbytierhaltung, durchgeführt von älteren Herren mit einer geringen Anzahl an Bienenvölkern und ohne große wirtschaftliche Erwartungen. Das gibt es auch, und es stellt noch die Mehrheit dar, aber genauso gibt es Imker mit Hunderten und sogar Tausenden Völkern, intensivbewirtschaftet mit dem legitimen Ziel, entsprechenden Gewinn aus dieser Tätigkeit zu ziehen. Zusätzlich gibt es noch Wanderimker, die mehrere Trachten (nektarreiche Blütenpflanzen) anfahren und damit den Erlös der Imkerei steigern.
Was ist das Wesen einer professionellen Nutztierhaltung?
Auf jeden Fall große Tierzahlen und -dichten, gute bis sehr gute Leistungen, Transporte, Vorbeugemaßnahmen gegen Krankheiten und Seuchen, Behandlungen mit der Abwägung der Kosten und des Nutzens, Vermarktung der Produkte, wenn notwendig, über den Lebensmittelmarkt usw. All diese Punkte treffen auf unsere Nutztiere wie Rind und Schwein zu, aber genauso auf die professionelle Imkerei. Durch Zuchtmaßnahmen werden die Leistungen gesteigert, am Bienenstand stehen maximal viele Völker, wenn gesund, mit einer maximalen Bienendichte pro Volk, in der Wanderimkerei werden die Bienen oft über weite Strecken transportiert und stellen im Krankheitsfall ein großes Risiko für die Bienen vor Ort oder beim Rücktransport für den Heimbienenstand dar; es werden laufend Vorbeugemaßnahmen gegen Krankheiten wie z. B. die Varroose getroffen und regelmäßig Behandlungen durchgeführt. Völker, die nicht stark genug sind, werden zusammengelegt oder getötet, wobei die Kosten-Nutzen-Rechnung ein wesentlicher Teil der Überlegungen ist; und die Produkte werden in großen Gebinden vermarktet.
Die Behörde hat bei den Bienen genauso wie bei den anderen Nutztieren einige Seuchen definiert, von denen eine derartige Gefahr ausgeht, dass sie behördlich zu bekämpfen sind. In der Vergangenheit erfolgte die Festlegung der behördlichen Maßnahmen im Bienenseuchengesetz, seit April 2021 im europäischen Tierseuchenrecht (AHL). Die Umsetzung der Bekämpfungsmaßnahmen obliegt dem Mitgliedstaat – auch das gilt für alle Tierseuchen.
Wo ist der große Unterschied zu den herkömmlichen Nutztierarten? Es gibt ihn aus veterinärfachlicher Sicht nicht.
Und doch gibt es ihn in der praktischen Umsetzung der Maßnahmen beim Nutztier Honigbiene. Tierärzte werden traditionell aus der Imkerei herausgehalten. Das war schon immer so, soll so aber nicht bleiben. Es ist richtig, dass die Bienenkrankheiten im Curriculum des Veterinärstudiums nicht oder nur in äußerst geringem Ausmaß und auf freiwilliger Basis verankert waren. Eine Zeit lang waren „die Bienen“ überhaupt nicht vorhanden und es erinnerte an der Veterinärmedizinischen Universität nur mehr die „Bienenstraße“ an das Nutztier Biene.
Dementsprechend war auch das veterinärmedizinische Wissen bei den Tierärzten nicht vorhanden, ausgenommen die paar Tierärzte, die sich in ihrer Freizeit mit der Imkerei beschäftigten. Die Imkerverbände und die Imker haben daher mit Recht darauf verwiesen, dass die Tierärzte im Regelfall keine Ahnung von Bienen haben. Sie waren gezwungen, die Gesunderhaltung ihrer Bienen selbst in die Hand zu nehmen und all die Maßnahmen zu setzen, die ein Überleben der Bienen und den wirtschaftlichen Erfolg der Imker absichern. Die Behörde hat diese Vorgangsweise über Jahrzehnte so hingenommen, war dies für die Behörde doch die am wenigsten aufwendige Art der behördlichen Maßnahmensetzung. Man nahm gerne die zweifelhaften Erfolge der Maßnahmen bzw. immer wiederkehrende Reinfektionen in Kauf.
Bienenseuchen gehörten so zu den jährlich am häufigsten ausgewiesenen Seuchen in Österreich, und das über Jahrzehnte. Imker haben als Sachverständige im Auftrag der Behörde die Krankheiten und Seuchen bekämpft. Die Sachverständigen wurden von den Landesverbänden ausgewählt und zu einer inhaltlich nicht definierten Schulung geschickt, ohne Wissensüberprüfung und ohne verpflichtende regelmäßige Nachschulung.
So funktioniert aber Seuchenbekämpfung nicht.
Erst als der Varroa-Druck unerträglich wurde und damit auch die Virusinfektionen verstärkt auftraten, Pestizideinsätze zu Bienenvergiftungen führten und größere Völkerzahlen abstarben, gingen die Imker an die Öffentlichkeit, und es wurde das „Bienensterben“ zum geflügelten Wort. Jede Firma, die was auf sich hält, rettet seither die Bienen.
Einige Tierärzte haben damals in Eigeninitiative das Heft in die Hand genommen und die dreijährige Ausbildung zum Fachtierarzt Bienen ins Leben gerufen. Über 40 Interessenten haben am ersten Turnus der Ausbildung teilgenommen, 23 Tierärzte haben diesen auch mit allen notwendigen Erfordernissen und einer umfassenden Prüfung abgeschlossen. In der Zwischenzeit nehmen wieder circa 20 Tierärzte am zweiten Ausbildungsturnus teil.
Die Tierärzte haben also sehr wohl Interesse an der veterinärmedizinischen Betreuung der Bienen. Wenn man in die Kommunikationsgruppe der Bienentierärzte hineinliest, kann man auch sehen, dass die Probleme, die diskutiert werden, nicht bei den Honigbienen aufhören, sondern genauso die Wildbienen und die Probleme der Biodiversität einschließen – es entsteht eine umfassende Sichtweise.
Wir als Tierärzte haben also unsere Hausaufgaben nachgeholt und uns das Wissen, das uns unsere Alma Mater nicht mitgegeben hat, angeeignet. Wir stehen parat und wollen uns einbringen. Die Umsetzung des AHL bietet den Imkern, den Tierärzten und den Behörden die große Chance einer gedeihlichen und erfolgreichen Zusammenarbeit zum Wohl der Bienen.
Im ersten Schritt ist jetzt die Behörde gefordert, die Fachtierärzte in die Seuchenbekämpfung einzubeziehen. Das ist natürlich teurer als die bisherige Variante, wird aber sicher erfolgreicher sein. Die Fachtierärzte haben neben ihrer universitären Ausbildung auch die entsprechende Zusatzausbildung und sind zur Weiterbildung verpflichtet. Das sollte ja genügen, um sie mit behördlichen Aufträgen der Seuchenbekämpfung zu betrauen.
Viele Amtstierärzte sind ohnehin sehr belastet und müssen sich auch noch mit dem Randgebiet der Bienenkrankheiten und -seuchen befassen. Wir schlagen der Oberbehörde daher vor, gesetzlich festzulegen, dass es der Behörde vor Ort überlassen wird, ob sie die Maßnahmen der Seuchenbekämpfung selbst erledigen oder einem Fachtierarzt im amtlichen Auftrag überantworten will, wobei die Letztentscheidung natürlich immer bei der Behörde vor Ort verbleibt.
Wir wollen auch bei den Schulungen der Imker und Sachverständigen die kompetenten Ansprechpartner auf dem Gebiet der Seuchen, Krankheiten, Behandlungen und Resistenzen sein. Natürlich haben wir derzeit (noch) nicht die Anzahl an Fachtierärzten, um flächendeckend in ganz Österreich die Seuchenbekämpfung abzudecken. Ein mögliches Tätigkeitsfeld würde aber sicher zusätzlich einige Tierärzte motivieren, die nicht billige und aufwendige Ausbildung zum Fachtierarzt zu absolvieren.
Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre, dass wir als Spezialisten nicht nur anerkannt, sondern auch in den gesetzlichen Durchführungsbestimmungen dezidiert verankert und genannt sind.
Die Tierärzteschaft ist auch in der Lage, im Rahmen eines Tiergesundheitsdienstes Bienen („Bienengesundheitsdienst“) Betreuungen von Imkereien zu übernehmen. Wir Tierärzte wären bereit, den zukünftigen TGD-Imkern zusätzlich geschulte Betreuungstierärzte zur Seite zu stellen, was beiden Seiten Vorteile bringt, eine Win-win-Situation für Imker und Tierarzt; von den Vorteilen beim Wandern bis zum frühzeitigen Verlassen einer Sperrzone.
Die kleinbetriebliche Imkerei wird es weiterhin geben, aber wir werden auch die großen Imker und Wanderimker brauchen, die der Landwirtschaft den Ernteerfolg absichern helfen. Wildbienen und andere Bestäuber können dies bei einer Intensivlandwirtschaft mit Feldern bis zu zehn Hektar und mehr und damit kurzfristig großem Blütenanfall nicht leisten.
Da wird man mit Honigbienen zuwandern müssen. Man wird aber auch nicht riesige Dauerbienenstände einrichten können, wenn das Trachtangebot nicht ausreichend über einen längeren Zeitraum vorhanden ist; dann gäbe es einen unnatürlichen Einfluss auf die Insektenpopulation vor Ort. Eine Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Imkern wird notwendig werden, wobei dies nicht auf Zufälligkeit aufgebaut werden soll/kann, sondern auf vertraglicher Basis. Es ist dies nicht das Thema des Tierarztes – die Auswirkungen, die sich daraus ergeben, sind es aber sehr wohl. In den nächsten Wochen und Monaten werden die Bestimmungen zur Umsetzung des AHL erarbeitet. Wir Bienentierärzte ersuchen die Behörden, insbesondere jene des Gesundheitsministeriums, die Bienen als Nutztiere so zu behandeln, wie das bei Rind, Schwein und Geflügel der Fall ist. Wir nützen diese Tiere und sind auch verpflichtet, ihnen Krankheitsvorbeugung und medizinische Versorgung angedeihen zu lassen.
Wenn diese Chance der Verankerung der Tierärzte jetzt in der Zeit des Umbruchs und der Neuaufstellung der Seuchenbekämpfung und des Tiergesundheitsdiensts nicht wahrgenommen wird, dann wird diese Chance wahrscheinlich für lange Zeit vorbei sein.
Sollten Sie Lust bekommen haben, die Fachtierarztausbildung zu machen, können Sie jederzeit in die Ausbildung einsteigen.
Das nächste Ausbildungsmodul ist für 20. und 21. Mai in Graz geplant. Informationen dazu erhalten Sie bei der Vetak:
www.tieraerzteverlag.at/vetak
Sollten Sie sich für die Tätigkeit als Bienentierarzt im Tiergesundheitsdienst interessieren, müssen Sie sich noch etwas gedulden.
In den demnächst beginnenden Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium und den betroffenen Kreisen der Imkerschaft sollen auch mögliche neue Vertragsverhältnisse zwischen Imker und Tierarzt erarbeitet werden. Wir ersuchen alle Kolleginnen und Kollegen, die o. a. Ausführungen zu überlegen, zu diskutieren und uns in unseren Bemühungen zu unterstützen. Sie haben in Ihrer Praxis und in Ihrem Umfeld die Möglichkeit, positiv zu wirken.