Lisa Reichenauer
Ausgabe 06/2023
Ergänzungsfuttermittel für Hunde und Katzen erfreuen sich in der heutigen Zeit großer Beliebtheit und sind mit einer Vielzahl an Produkten auf dem rasant wachsenden Futtermittelmarkt vertreten.
Oft sind Tierhalter auf der Suche nach Nahrungsergänzungsmitteln für ihre Haustiere, um deren Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Doch wie steht es um die Wirksamkeit dieser Produkte und wie können Tierärzt*innen ihren Kunden bei der Wahl von Ergänzungsfuttermitteln helfen?
Im Kleintierbereich kommen meist ernährungsphysiologische Zusätze wie Vitamine, Spurenelemente, Aminosäuren, technologische Zusätze wie Konserviermittel, Antioxidantia, Geliermittel, Bindemittel, Emulgatoren und zootechnische Zusätze wie Probiotika zum Einsatz.
Gelegentlich findet man aber auch sensorische Zusatzstoffe wie Aromastoffe und Geschmacksverstärker in Tierfuttermitteln. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Nahrungsergänzungen im Tierhandel werden Ergänzungsfuttermittel auch in der Forschung vermehrt thematisiert – so wurde etwa im Jahr 2022 auf Anfrage der EFSA die Wirkung von Lactobazillen im Hundefutter untersucht. Das Ergebnis der von der FEEDAP durchgeführten Beobachtung zeigte, dass mit der Zugabe von 1 × 1010 KBE/kg die Kotkonsistenz verbessert und der Feuchtigkeitsgehalt des Stuhls angehoben werden konnte.
Eine längerfristige Verwendung von Lactobazillen im Hundefutter ist laut dem FEEDAP-Gremium allerdings nicht ratsam, da die Verstopfungsgefahr zu groß sei.
Auch die Vetmeduni Wien setzt sich in den letzten Jahren vermehrt mit dem Einsatz von Ergänzungsfuttermitteln auseinander – so beschäftigte sich 2020 eine Studie des Clever Dog Labs mit der Frage, inwieweit sich ein spezieller Ernährungsplan auf das geistige Altern von Hunden auswirken würde. Innerhalb eines Jahres wurden hierfür 119 Hunde verschiedener Rassen, die älter als sechs Jahre waren, untersucht. Die Hälfte der Hunde erhielt dabei eine spezielle Ernährung (angereichert mit Nährstoffen wie Antioxidantien, Omega-Fettsäuren, Phosphatidylserin und Tryptophan), die anderen Tiere eine Kontrolldiät ohne Nahrungsergänzungsmittel.
Das Ergebnis zeigte keine positiven Auswirkungen einer mit Nahrungsergänzungsmitteln angereicherten Ernährung; es kam zu keiner Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei alten Hunden. Für den Leiter des Instituts für Tierernährung an der Vetmeduni, Dr. Quendrim Zebeli, hängt die Wirksamkeit von Ergänzungsfuttermitteln vor allem von der Dosierung ab: „Oft ist es ganz wichtig, das eine oder andere Mittel einzusetzen, etwa um den fehlenden Bedarf des Tiers an Mineralstoffen oder Spurenelementen zu decken. Aber es kommt von Fall zu Fall darauf an: Je einseitiger die Ration mit Zutaten formuliert wurde, desto mehr Vitamine oder Spurenelemente muss man zusetzen und umgekehrt. Generell gilt in der Ernährung wie beim Mangel auch: Zu viel davon kann großen Schaden beim Tier anrichten“, so der Wissenschaftler. Grundsätzlich sieht der Tiermediziner den Einsatz von Ergänzungsmitteln aber als einen wichtigen Bestandteil einer ganzheitlichen Versorgung der Tiergesundheit.
Ähnlich sehen das auch praktizierende Tierärzt*innen wie etwa Tierärztin Kerstin Pabst, die im Kleintierbereich in Salzburg arbeitet: „Ich glaube, Ergänzungsfuttermittel sind ein ganz toller Part, um die Schulmedizin zu unterstützen; in gewissen Einsatzgebieten können sie fast mehr bewirken als die klassische Schulmedizin“, so Pabst. Dennoch sollten Nahrungsergänzungsmittel laut ihr stets mit Sinn und Verstand eingesetzt werden. „Man muss immer den ganzen Patienten betrachten. Gibt es vielleicht gesundheitliche Gründe, warum das Tier den einen oder anderen Zusatz nicht bekommen darf?
Wie ist das Alleinfuttermittel zusammengesetzt? Darauf muss man achten, damit es weder zu einer Überversorgung noch zu einer Unterversorgung kommt“, erklärt Pabst. Vor allem das rasant wachsende Angebot an Ergänzungsfuttermitteln am freien Markt und der damit verbundene „Alleingang“ von Tierhalter*innen sind für die Tierärztin teils besorgniserregend: „Gerade in den letzten Jahren ist die Industrie stark gewachsen. Dadurch suchen sich auch viele Tierbesitzer*innen einen Weg über Internetrecherche oder Empfehlungen von anderen Tierhalter*innen – und sagen: ‚Ich probiere erst dieses und jenes aus, bevor ich zum Tierarzt oder zur Tierärztin gehe!‘ Das kann letzten Endes für das Tier aber sehr gefährlich werden“, so Pabst.
Expert*innen schätzen, dass der globale Markt für Ergänzungsfuttermittel bis 2027 voraussichtlich einen jährlichen Umsatz von über 1,7 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Neben vitaminisierten Nahrungsergänzungsmitteln und speziellem Diätfutter ist auch pflanzlicher Futterzusatz auf dem Vormarsch. Ähnlich wie bei Ergänzungsfuttermitteln sehen Tierärzt*innen und die veterinärmedizinische Forschung den Einsatz und die Entwicklung solcher Zusätze mit Vorsicht: „Da muss man wirklich sehr viel beachten. Es gibt einige pflanzliche Produkte, die im Körper zum Beispiel das Kalzium beeinflussen. So etwas wissen die Tierhalter*innen oft nicht, und oft auch die Industrie nicht. Deshalb gilt auch hier: Pflanzliche Futterzusätze können super helfen – aber immer nur nach Rücksprache mit dem Tierarzt oder der Tierärztin!“, appelliert die Veterinärin.
Im Jahr 2020 ging eine Diplomarbeit an der Vetmeduni der Frage nach, wie sich CBD-Öl auf das Schmerzempfinden bei Hunden auswirkt. Für die wissenschaftliche Beobachtung wurde 51 Hunden mit chronisch-degenerativen Gelenkserkrankungen wie Arthrosen, Spondylosen, HD, ED, OC oder post-operativen sowie entzündlichen Genesungsprozessen 30 Tage lang CBD-Öl ins Futter beigemengt. Bei allen Hunden zeigte sich nach dem Versuchszeitraum eine deutliche Senkung der Schmerzintensität sowie eine Steigerung der Aktivität. Am Institut für Tierernährung und Funktionelle Pflanzenstoffe sieht man die Verabreichung von pflanzlichem Futterzusatz dennoch kritisch: „Pflanzliche Zusätze haben keine langfristig nachgewiesene positive Wirkung bei Kleintieren. Deren Einsatz als Teil der Ration sehe ich kritisch, weil sie antinutritive Stoffe enthalten, die unseren Kleintieren mehr schaden als nutzen. Anders ist es aber, wenn der Tierarzt oder die Tierärztin einen bestimmten Kräutertee über ein paar Tage für bestimmte Zwecke einsetzt und dann wieder absetzt“, gibt Dr. Zebeli zu bedenken. Der regelrechte Boom von pflanzlichem Zusatzfutter am frei zugänglichen Markt und die eigenständige Fütterung durch Tierhalter*innen ohne ärztliche Rücksprache könnten daher zunehmend zur Gefahr für die Tiergesundheit werden. Für Tierärztin Pabst ist es daher wichtig, die Endverbraucher*innen über die Inhaltsstoffe und die Dosierung von Nahrungsergänzungsmitteln aufzuklären. Für sie ist der Trend „ohnehin nur sehr schwer aufzuhalten“.
„Diesem Boom kann man eigentlich nur entgegenwirken, wenn solche Produkte nicht mehr frei verkäuflich sind. Das wird aber schwierig. Man muss also einen Mittelweg finden; man muss eingrenzen, wer wirklich unter welchen Bedingungen welches Produkt an wen abgeben darf – und muss auch darauf achten, dass vor allem die Deklaration transparent ist; dass wirklich klar ersichtlich ist, in welcher Menge was drin ist, wie etwas wirkt und wie es zum Einsatz kommen soll. Das wäre mein Appell an die Futtermittelindustrie“, so die Salzburgerin. Durch die Übersättigung der Produkte am freien Markt und die fehlenden Hinweise auf den Verpackungen zur Einsatzdauer und Dosierung – sowie eventuelle Warnhinweise – gestaltet sich laut Kerstin Pabst auch die Qualitätskontrolle sehr schwierig. Zudem dürfe die zunehmende Anzahl an Futtermittelallergikern bei Hunden und Katzen in der Futtermittelforschung künftig nicht außer Acht gelassen werden: „Grundsätzlich bin ich ein großer Fan davon, wenn man Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich zur Schulmedizin oder in manchen Bereichen sogar alternativ zur Schulmedizin einsetzt. Aber es sollte darauf geachtet werden, dass die Produkte für Allergiker geeignet sein müssen, da gerade Unverträglichkeiten auf dem Vormarsch sind“, so Pabst.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Markt für Ergänzungsfuttermittel im Kleintierbereich ein bedeutendes Wachstum verzeichnet und künftigen Handlungsbedarf erfordert. Die richtige Wahl und Dosierung von
Supplementen kann dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Haustieren zu unterstützen. Allerdings sollte der Einsatz immer im Kontext einer ausgewogenen und bedarfsgerechten Ernährung betrachtet werden – und nur in enger Abstimmung mit Tierärzt*innen erfolgen.