Was soll in die Futterschüssel?

Neue Trends und Tipps für die Hundeernährung

Dipl. Tzt. Thomas Voracek
Fachtierarzt für Wild- und Zootiere

Die richtige Fütterung stellt viele Hundebesitzer vor Probleme: Das Futter soll gesund sein, dem Hund schmecken, seinen Bedarf decken und zu keinen gesundheitlichen Problemen führen. Hier sind TierärztInnen gerne zur Stelle und vor allem auch die richtigen Ansprechpartner.

Von sogenannten Experten, meist ohne wirkliche fachliche Qualifikation, werden immer wieder Halb- bis Unwahrheiten verbreitet, und manche Hundebesitzer fühlen sich zu Recht von der Vielfalt der angebotenen und angepriesenen Futtermittel und möglichen Fütterungsarten überfordert. Der betreuende Tierarzt ist dabei der fachlich kompetente Berater auf dem Weg zur richtigen, gesunden und für Besitzer und Hund passenden Ernährung.

Zu diesem wichtigen Thema habe ich die Kollegen Dr. Stefanie Handl, FTA für Ernährung und Diätetik, Diplomate ECVCN, Dr. Claudia Kreil-Ouschan, FTA für Dermatologie, und Mag. Robert Basika, praktizierender Tierarzt in Wien, zu einem ausführlichen Gespräch über Trends in der Hundeernährung, die wichtigsten ernährungsbedingten Beschwerden und Erkrankungen sowie ihre persönlichen Ernährungstipps eingeladen und folgendes Interview geführt:

 

Das Thema Ernährung hat in den vergangenen Jahren für die Hundebesitzer stark an Bedeutung gewonnen. Können Sie dem zustimmen – und warum ist das so?

Handl: Dem kann ich definitiv zustimmen! Ich denke, das kommt daher, dass auch für Menschen „gesunde Ernährung“ ein allgegenwärtiges Thema ist: Diäten, Superfoods, Unverträglichkeiten … All das begleitet uns ja täglich in den Medien, vor allem auch in den sozialen Medien.
 

Kreil-Ouschan: Diese Entwicklung ist eindeutig zu sehen. Schon früher, aber auch verstärkt durch die verringerte Mobilität in diesen Tagen, wird das Haustier immer mehr zum Familienmitglied oder auch zum Partnerersatz.
 

Basika: Ja, auch ich kann dem uneingeschränkt zustimmen. Meines Erachtens kommt der Trend im Zuge der Tatsache, dass sich auch die Menschen eingehender mit ihrer Ernährung befassen. Man achtet genauer darauf, woher die Lebensmittel stammen, was gesund ist, und kauft daher auch bewusster ein.

 

Bewusste Ernährung ist auch für Menschen mehr und mehr wichtig – wie bedeutend ist das Thema gesunde und bedarfsgerechte Ernährung tatsächlich für den Hundebesitzer in der Praxis?

Basika: Für viele unserer Hundebesitzer ist das Thema Ernährung extrem wichtig und wird ausführlich recherchiert. Das 08/15-Futter aus dem Supermarkt wird zunehmend abgelehnt. Im Vergleich zu früher werden plötzlich Inhaltsstoffe und die Zusammensetzung des Futters Thema.
 

Kreil-Ouschan: Das Bewusstsein nimmt merkbar zu, dennoch sehen wir ganz verschiedene Gruppen: vom stark vermenschlichenden Besitzer, der einfach viel Verschiedenes – und teils zu viel – füttert, um seine Liebe zu zeigen, über den Pragmatiker, der auf die Produkte der Industrie vertraut, um das Beste zu geben, auch für einen höheren Preis, bis hin zu Tierhaltern, welche extremen Aufwand betreiben, um selbst aktiv die Ration zuzubereiten. In der dermatologischen Praxis spielt die Ernährung eine gewichtige Rolle: Das Aussehen des Haarkleids ist eins zu eins mit der Nahrung verbunden – denken wir dabei etwa an Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien.
 

Handl: Die „richtige Ernährung“ ist ein extrem emotio­nales Thema und wird unter Hundebesitzern meist heiß diskutiert. Gerade im Internet findet man sehr unterschiedliche, oft sogar widersprüchliche Informationen. Die Tierbesitzer möchten alles richtig machen, möchten „das Beste“ für ihre Lieblinge und sind oft verwirrt – verständlicherweise. Gleichzeitig ist vielen Hundebesitzern bewusst, dass man mit einer Diät zur Heilung von Krankheiten beitragen kann, und sie sind bereit, dafür auch Geld auszugeben.

 

Wo sehen Sie die aktuellen Trends in der Hundeernährung?

Kreil-Ouschan: Die Trends der Humanernährung gibt es auch bei Hunden. Getreidefrei ist ein Thema, auch die Individualisierung – bis hin zu Rezepturen, die an den einzelnen Hund angepasst sind – nimmt stark zu. Barfen bleibt ein Thema, aber auch das Gegenteil, also vegetarische oder vegane Hundeernährung, wird häufig nachgefragt. All diesen Trends kann gefolgt werden, solange eine Kontrolle der Rezepturen von kompetenter tierärztlicher Seite gewährleistet ist.
 

Handl: Ein großer Trend geht weg vom traditionellen Fertig­futter und hin zum selbst zubereiteten Futter, vor allem zur Rohfütterung, Barf – mit allen damit einhergehenden Problemen: Infektionsgefahr, Mangelernährung, Verletzungsgefahr durch Knochen. Andererseits wächst das Angebot an sogenannten alternativen Herstellern, die damit werben, anders, besser zu sein und oft exotische Zutaten wie Känguru, Büffel et cetera verwenden.
 

Basika: Das vorrangige Thema ist meiner Meinung nach derzeit die Individualität. Hunde sind heute mehr denn je Familienmitglieder, die auch in der Ernährung den entsprechenden Stellenwert genießen und dementsprechend gefüttert werden.

 

Viele Hunde leiden an ernährungsbedingten Beschwerden und Erkrankungen. Was sind die Ursachen und welchen Rat haben Sie für die Hundebesitzer bei der Futterauswahl?

Basika: Ich denke, dass durch ein Überangebot an Information im Internet in Kombination mit einer Fülle an selbst ernannten Ernährungsexperten der Rat des Tierarztes vielfach nicht mehr oder zu spät gesucht wird. Mein Rat wäre, gleich bei den ersten Tierarztterminen das Thema Ernährung anzusprechen und bei jeglichen Verdauungsproblemen nicht zuerst das Internet zurate zu ziehen.
 

Handl: Während Mangelerkrankungen seit der Einführung hochwertigen Fertigfutters in den letzten Jahren so gut wie nicht mehr aufgetreten sind, kommen sie durch falsche Barf-Pläne jüngst wieder häufiger vor, sogar mit Todesfolge. Ich kann daher nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, bei selbst zubereitetem Futter auf die Ausgewogenheit zu achten und nicht auf Barf-Berater, sondern FachtierärztInnen zu vertrauen. Aber auch angeblich besonders hochwertige Futter halten nicht immer, was sie versprechen, und können durchaus die alleinige Ursache von Verdauungsbeschwerden sein, durch schwer verdauliche Zutaten und/oder zu viel Protein.
 

Kreil-Ouschan: Aus dermatologischer Sicht gebe ich den Rat, die abwechslungsreiche Ernährung nicht so zu verstehen, möglichst viele Produkte und Marken praktisch täglich zu wechseln. Um eine eventuell notwendige Eliminationsdiät zu ermöglichen, sollte der Hund an Nahrung in trockener und feuchter Form gewöhnt werden. Bei den so „unverzichtbaren“ Leckerlis würde ich auch nur ein bis zwei kalorienarme Produkte verwenden. Auf diese Weise halten sich die verwendeten Eiweißquellen im Rahmen, dies erleichtert die Auswahl bei einer notwendigen Eliminationsdiät.

 

Welche besonderen Ernährungstipps haben Sie zu den Themenkomplexen Übergewicht und Hauterkrankungen?

Handl: Die wesentliche Ursache für Übergewicht – die häufigste ernährungsbedingte Krankheit – sind Leckerlis und Extras. Hier sollte man kritisch fragen, welche Leckerlis man wirklich braucht und wie man Kalorien sparen kann, etwa mit Obst und Gemüse oder fettarmem Käse. Bei den Fütterungsempfehlungen ist zu hinterfragen, ob sie für aktive oder gemütliche, kastrierte oder nicht kastrierte Hunde gelten; im Zweifelsfall lieber etwas weniger geben als zu viel. Zum Abspecken eignet sich am besten ein Diätfutter vom Tierarzt oder ein maßgeschneiderter Ernährungsplan. Hauterkrankungen können viele Ursachen haben, und auch, wenn die Futtermittelallergie eine davon ist, sind viele andere Gründe wahrscheinlicher. Deswegen ist eine klinische Aufarbeitung des Patienten und konsequente Eliminierung von Parasiten ganz wichtig. Ich möchte hier nochmals betonen, dass Antikörpertests bei Futtermittelallergie keine Aussage haben! Der Goldstandard ist noch immer die Diagnose mittels Ausschlussdiät, bevorzugt selbst gekocht – ein Eiweiß, ein Kohlenhydrat – oder mit hydrolysiertem Diätfutter.
 

Kreil-Ouschan: Übergewicht ist eindeutig das größte ­ernährungsbedingte Problem und eine Krankheit – kein kosmetisches Problem. Bei adipösen Hunden ist der ­Spiegel an Entzündungsmediatoren dauerhaft erhöht. In der Dermatologie fördert das vor allem die Entwicklung von Pododermatitiden und der Otitis externa; der Gewichtsverlust ist als Begleitmaßnahme daher immer anzustreben. Die Haut ist das größte Organ des Körpers – daher ist eine bedarfsgerechte Versorgung mit ungesättigten Fettsäuren, Spurenelementen wie beispielsweise Zink, den Vitaminen A, E und B sowie die entsprechende Versorgung mit gut verdaulichem Eiweiß für eine gesunde Haut essenziell.
 

Basika: Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, ein Bewusstsein für ein gesundes Gewicht beim Hund zu schaffen. Bedingt durch den hohen Anteil an übergewichtigen Hunden erscheinen Hunde mit einem normalen Gewicht als zu dünn. Die Besitzer solcher Hunde müssen insofern unterstützt werden, sich nicht an übergewichtigen Tieren zu orientieren, und der Halter eines übergewichtigen Hundes benötigt Hilfestellung und Beratung dazu, welche Risiken das hohe Gewicht seines Hundes birgt. Ebenso bedürfen Hauterkrankungen besonderer Beachtung, da bei Weitem nicht alles, was heutzutage an Problemen auf die Ernährung geschoben wird, auch wirklich futtermittelbedingt ist. Eine genaue Abklärung durch den Tierarzt tut not.