Bildanalyse online –

wenn es unter der Lupe unklar ist

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Dr. med. vet. Maria Christian arbeitet als klinische Pathologin in einem Fachlabor für veterinärmedizinische Diagnostik und gab dem Vetjournal einen Überblick über die Möglichkeit, mikroskopische Bilder digital einzusenden und befunden zu lassen.

Die Digitalisierung schreitet auch in der Veterinärmedizin immer weiter voran, im Besonderen im Hinblick auf die diagnostischen Möglichkeiten. Eine davon ist die „Bildanalyse online“ – es handelt sich dabei um die Befundung von digitalen Bildern, die Tierärzt*innen in der Praxis von mikroskopisch untersuchten Präparaten anfertigen. Konkret betrifft das Harnsedimente, gastrointestinale und Ektoparasiten oder Zytologien.

Dr. Maria Christian erklärt im Detail: „Das Präparat wird auf dem Objektträger in der Praxis prä­analytisch vorbereitet, unter dem Mikroskop beurteilt und anschließend werden Bilder gemacht und digital ans Labor übermittelt, um von Expert*innen befundet zu werden.“ Bei der Terminologie verschiedener Methoden, die mit digitaler Analyse assoziiert werden, sollte allerdings genau unterschieden werden, so die klinische Pathologin: „Es gibt mittlerweile verschiedene digitale Befundungsmöglichkeiten, ich nenne hier Begriffe wie digitale Zytologie oder digitale Bildanalyse. Diese werden oft mit der ‚Bild­analyse online‘ in einen Topf geworfen; dennoch handelt es sich hier um unterschiedliche Methoden. Bei der echten digitalen Bildanalyse arbeitet man mit speziellen Scannern, die Objektträger komplett analysieren; das heißt, dass der gesamte Objektträger oder definierte Areale digitalisiert und von der dazugehörigen Software auch ausgewertet werden. Dies ist aktuell für Kot- und Harnuntersuchungen möglich. Der Begriff digitale Zytologie beschreibt das Einscannen und Digitalisieren vom Objektträger, die Bilder werden dann an ein Labor oder einen klinischen Pathologen zur Befundung übermittelt, hier wird also – noch – nicht vollständig maschinell gearbeitet.“

Was sind die Vorteile der Bildanalyse?

Zu dieser Frage erklärt die Tierärztin: „Vor allem bei der Untersuchung des Harnsediments spielt der Faktor Zeit eine Rolle – je schneller nach der Entnahme analysiert wird, desto aussagekräftiger ist der Befund. Es gibt Kristalle oder Zylinder im Harn, die sehr schnell zer­fallen können, andere Kristalle kristallisieren mit der Zeit aus. Wird die Probe ins Labor transportiert, kann sich das Sediment in dieser Zeit verändern. Auch bei Ektoparasiten kann es passieren, dass sich diese während des Transports vom Objektträger wegbewegen und nicht mehr auffindbar sind. Mit der Möglichkeit der Bild­analyse kann die Probe direkt in der Praxis untersucht und die Bilder dann im Labor befundet werden.“ Des Weiteren ist diese Möglichkeit auch für Kolleg*innen, die selbst viel mikro­skopische Diagnostik in der Praxis machen, sehr gut nutzbar. Dazu nennt die Expertin ein Beispiel: „Auch wenn man sich sehr viel mit Zytologien beschäftigt und die meisten ohne Hilfe befunden kann, kommt es immer wieder vor, dass man auf Zellen stößt, die man nicht einordnen kann. Mit der Bildanalyse besteht nun das Angebot, im Austausch mit den Spezialist*innen im Labor zu stehen, Zweit­meinungen einzuholen und wieder etwas Neues zu lernen. Auch ich finde immer wieder Zellen, bei denen ich selbst Kolleg*innen um ihre Meinung frage. Vor allem, wenn dringend eine Diagnose gestellt werden soll, ist das eine tolle Möglichkeit, da bei der Bildanalyse ja der Transportweg wegfällt und der Befund schneller in den Händen des Tierarztes liegt, in der Regel noch am Tag der Einsendung.“

Einige Dinge sind jedenfalls zu beachten, wenn man als Tierarzt bzw. Tierärztin Bilder zur Befundung einsendet. Einerseits wäre hier die Erfahrung mit der mikrosko­pischen Untersuchung von Präparaten zu nennen, so Dr. Maria Christian: „Je mehr man selbst mikroskopiert, desto besser weiß man, an welchen Stellen man mit welchen Vergrößerungen Bilder macht. Vor allem bei der parasitologischen Kotuntersuchung gibt es eine Unzahl an pflanzlichen Kontaminationen oder Artefakten, die ähnlich aussehen wie Parasiteneier. Wir bekommen dann ja nur die Bilder und haben nicht die Möglichkeit, den Objektträger komplett zu untersuchen, das heißt, es ist für die Qualität der Befunde enorm wichtig, dass Bilder der relevanten Stellen mit abgebildeten Parasiten geschickt werden. Bei Hautparasiten in Hautgeschabseln ist auch die Lage des Parasiten bedeutend, denn für die Identifizierung sollte der gesamte Körper gut sichtbar sein. Noch eine größere Rolle spielt die Erfahrung des Einsenders bei Bildern zytologischer Präparate: Hier muss der Kollege wirklich wissen, welche Bilder die aussagekräftigsten für die Befundung sind. Generell kann, wenn die richtigen Bilder mit der ,Region of Interest‘ übermittelt werden, die Arbeit für uns im Labor auch viel schneller und zielführender werden, weil wir nicht den ganzen Objektträger durchsuchen müssen, sondern die Ausschnitte der relevanten Stellen direkt geschickt bekommen“, erläutert die Labortierärztin.

Auch die Präanalytik ist bei dieser Befundungsmethodik ein ungemein wichtiger Faktor. Dazu weiß die Spezialistin: „Eine möglichst gute Vor- und Aufbereitung des Objektträgers ist für die Qualität des Befunds ausschlaggebend. Zytologische Präparate sollten gut ausgestrichen und gefärbt werden. Wenn ich im Labor eine schlecht gefärbte Probe erhalte, kann ich einfach noch mal färben, aber diese Möglichkeit habe ich bei den Bildern nicht. Generell ist es wichtig, dass das Material für die Zytologie immer auf dem Objektträger ausgestrichen wird – das gilt natürlich auch für eingesandte Objektträger. Ohne den Vorgang des Ausstreichens kann es sein, dass die gewonnenen Zellen so dicht aneinander- und übereinanderliegen, dass sie gar nicht beurteilbar sind. Ein weiteres Problem kann sein, dass die Zellen bei zu kräftigem Ausblasen aus der Nadel zerstört werden. Optimalerweise berührt die Nadelspitze während des Vorgangs den Objektträger, ein Tropfen des Aspirats wird vorsichtig auf den Objektträger aufgetragen und dann mit einem zweiten Objektträger ausgestrichen. Das funktioniert so, wie wenn man ein Butterbrot streicht; die Objektträger befinden sich aufeinander und werden dann auseinandergezogen. In der Literatur wird das als Quetschpräparat bezeichnet, wobei der Wortteil ,Quetsch‘ nicht allzu ernst genommen werden sollte. So erhält man dann gut beurteilbare zytologische Präparate, in denen die Zellen nicht zu dicht liegen oder zerstört wurden.“

Trocknung und Färbung als weitere Schritte

Weiter geht’s in der Präanalytik mit dem Schritt des Trocknens von Zytologien. Die Trocknung vor der Färbung sei unbedingt nötig, ansonsten gebe es Artefakte, betont die Tierärztin. Der letzte Schritt vor dem Ziel, die Färbung, kann auch einige Fehlerquellen beinhalten: „Prinzipiell sollte man sich an die Angaben des Herstellers halten, wie lange beziehungsweise wie oft die Präparate pro Lösung eingetaucht werden sollen. Auch das regelmäßige Wechseln der Flüssigkeiten ist wichtig; je mehr Zytologien man macht, desto häufiger muss gewechselt werden. Wir im Labor wechseln zweimal wöchentlich – wenn in einer Praxis nur ein paar Zytologien pro Woche angefertigt werden, sind die Lösungen viel länger verwendbar, oft muss man nur bei schon länger offenen Lösungen die Eintauchzeit verlängern. Ich empfehle, zur Aufbewahrung dicht verschließbare Behälter zu wählen, denn in den klassisch verwendeten Glasbehältern verdunsten die Lösungen sehr schnell. Wenn die Lösungen aber kaum mehr färben oder mit Bakterien kontaminiert sind, müssen sie gewechselt werden“, so Dr. Christian.

Auch die Frage, welches Material man gewinnen sollte, um gezielt gewisse Parasiten zu finden, ist eine wichtige. Dazu die klinische Pathologin: „Je nach klinischer Verdachtsdiagnose empfiehlt es sich, unterschiedliche Methoden anzuwenden. Ist Demodex in Verdacht, muss ein tiefes Hautgeschabsel gemacht werden, bei Sarcoptes ein oberflächliches, bei Cheyletiella am besten die Klebestreifenmethode. Zytologien von der Haut zum Nachweis von Infektionen werden am besten als Abklatschpräparat gewonnen, der Objektträger wird direkt auf die Läsionen gedrückt. Hautgeschabsel eignen sich kaum zum Anfertigen von zytologischen Präparaten.“

Hightech für die Praxis

Last, but not least ist ebenso die technische Ausstattung der Praxis wichtig. Die Tierärztin erläutert: „Mit einem qualitativ hochwertigen Mikroskop sind die Präparate einfach viel besser beurteilbar – und auch die Kamera, mit der die Bilder gemacht werden, sollte dafür geeignet sein. Heutzutage sind die allermeisten Handykameras bereits leistungsfähig genug, um qualitativ hochwertige Bilder zu machen. Mittlerweile gibt es auch Adapter für Kameras und Handys, die so direkt mit dem Mikroskop verbunden werden können; und natürlich gibt es auch Mikroskope, die eine Kamerafunktion bereits integriert haben.“

Im Allgemeinen sei das größte Risiko, dass nicht alle relevanten Stellen fotografiert und eingesendet und so für die Diagnose wichtige Zellen, Parasiten oder andere Strukturen im Präparat übersehen werden, betont die Expertin. „Im Labor habe ich die Möglichkeit, den gesamten Objektträger zu durchsuchen. Deswegen ist die Erfahrung des oder der einsendenden Kolleg*in umso wichtiger – es bringt viel weniger, 20 Bilder von Artefakten oder Kontaminationen zu befunden, als fünf Bilder wirklich interessanter Stellen. Die Tatsache, dass wir im Labor dann nur die Ausschnitte beurteilen können, kann aber auch ein Vorteil sein, vor allem bei den Zytologien. Bekommen wir hier die Bilder der interessanten Ausschnitte zugeschickt, können wir uns umso effektiver mit diesen beschäftigen und laufen nicht Gefahr, wenn es sich nur um vereinzelte Zellen handelt, diese zu übersehen. Generell sehe ich im Angebot der Bildanalyse online eine gute weitere Möglichkeit, in Kooperation mit den Kliniker*innen die Diagnostik weiter auszubauen“, betont Dr. Christian abschließend.


Weitere Artikel zum Thema:

Artikel
KI in der Veterinärmedizin
Chance oder Risiko?
Artikel
Verantwortungsvoller Umgang
mit KI
Artikel
Zettelwirtschaft ade
Argumente für die digitale Tierarztpraxis