Läuft doch!

Bekannte und neue Therapieansätze für die Arthrose beim Pferd

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

Für die betroffenen Pferde oft ein langer Leidensweg, für die behandelnden Tierärzt*innen immer wieder eine Herausforderung: die Arthrose.

Schmerztherapie oder doch invasiver Therapieversuch? Boxenruhe oder Bewegung? Hyaluron oder Stamm­zellentherapie? Welche Behandlungsmethode bei welchen ­Arthrosepatienten gut eingesetzt werden kann und was wir bei dieser Entscheidung beachten sollten, erklärt Ao. Univ.-Prof. Dr. Theresia Licka, Fachtierärztin für Sport­medizin und Rehabilitation.

Häufig wird bei Arthrosen intraartikulär Cortison injiziert. Kann das zu Folgeschäden führen?
Natürlich kann Cortison bei wiederholter Anwendung knorpelschädigend wirken, das Bindegewebe kalzifiziert. Aber: Lokal angewendet wird es schnell wieder abgebaut. Es wirkt effizient, indem es die Entzündung im Gelenk reduziert und dadurch Bewegung ermöglicht. Das ist wichtig, denn ein Gelenk, das nicht adäquat bewegt wird, entwickelt allein durch die Mangelverwendung Arthrose­schäden. Wenn die Schmerzen verschwinden und ein normaler Bewegungsablauf etabliert werden kann, bessern sich die Symptome, obwohl die Knorpelläsion noch da ist. Oft ist das Pferd dann für 18 bis 24 Monate symptomfrei.

Ist es sinnvoll, Hyaluron mit Cortison zu kombinieren? Muss es intraartikulär verabreicht werden oder ist auch eine intravenöse oder gar per os Gabe möglich?
Früher wurde oft Hyaluron mit Cortison in einer Behandlung intraartikulär gegeben. Wir wenden diese Kombination immer noch bei Pferden an, die eine zukünftige Belastung über Jahre zu erwarten haben. Bis zum ­Wirkungseintritt dauert es mehrere Wochen – wenn eine Belastung also in wenigen Wochen stattfinden soll, ist Hyaluron nicht unbedingt empfehlenswert. Die intravenöse Verabreichung ist möglich, da der Wirkstoff über das Blut zum Wirkungsort transportiert wird. Die Gabe peroral halte ich nicht für zielführend.

Was empfehlen Sie als nächsten Schritt, wenn eine Cortisoninjektion nur kurzfristig wirkt?
Wir machen gute Erfahrungen mit Polyacrylamiden. Diese Hydrogele eignen sich besonders für Gelenke, die in Bewegung bleiben müssen. Das Mittel lagert sich in die Synovialmembran ein und reduziert die Entzündungs­prozesse durch die Raumforderung. Die Wirkung tritt erst nach etwa zwei Monaten ein, hält dann aber längerfristig für viele Monate bis Jahre an. Das ist für die betroffenen Pferde natürlich hilfreich. Diese Methode ist relativ neu, hat aber in den Therapieplänen schon einen guten Platz erobert – weil sie funktioniert.

Wie schätzen Sie die Notwendigkeit einer dauerhaften Schmerztherapie ein?
Viele Patienten mit schweren, bleibenden Schäden ­kommen ohne langfristige Schmerztherapie nicht aus. Das betrifft nicht nur ältere Tiere – auch junge Pferde sind häufig davon betroffen, etwa nach einer Fraktur. Firocoxib kann hier gut als Dauergabe eingesetzt werden: Die Pferde nehmen eine Tablette pro Tag und sind superhappy über Jahre – oft ohne Nebenwirkungen.

Welche regenerativen Therapien werden an der Vetmeduni angewendet?
Wir setzen je nach Fragestellung unterschiedliche regenerative Therapieformen ein. Es gibt an der Vetmeduni auch eine Forschungsgruppe zu diesem Thema, unter der Leitung von Dr. med. vet. Iris Gerner, PhD; zum Beispiel wenden wir PRP (s. Infokasten, Anm.) bei Seitenband­lä­sionen an. Es gibt verschiedene Behandlungsprotokolle und noch ist nicht klar, welches am besten funktioniert. Generell gilt für regenerative Therapien, dass sie bei ­Patienten zum Einsatz kommen, die auf andere Therapien nicht an­sprechen und deren Besitzer*innen bereit sind, ­alles zu versuchen. Das betrifft vor allem jüngere Pferde mit Sportpotenzial, wenn die radiologischen ­Veränderungen noch nicht sehr weit fortgeschritten sind.

Bei welchen Patienten setzen Sie IRAP (s. Infokasten, Anm.) ein?
Gerne bei der primären Arthrose, wenn also keine Ursache für die Knorpelschäden vorliegt, die behandelt werden kann. Dazu wird Blut vom Patienten gewonnen und aufbereitet. Nach einer Inkubationszeit von 24 Stunden wird das ­behandelte Serum intraartikulär verabreicht. Wir sehen bei dieser Methode eine Erfolgsrate von etwa 30 bis 40 Prozent. Das ist natürlich nicht sehr viel, aber für die betroffenen Patienten, die ja schon mehrfach vorbehandelt sind, ist es super, wenn es klappt.

Und die Stammzellentherapie? Hier gibt es ja mehrere Möglichkeiten – sie können vom Patienten selbst gewonnen oder es kann ein kommerzielles Produkt eingesetzt werden.
Wir wenden an der Pferdeklinik beide Vorgehensweisen an. Ich arbeite meist mit kommerziellen Produkten, da dies vom organisatorischen Ablauf her praktischer ist. Die Methode eignet sich für alle hochbeweglichen, synovialen Gelenke; nicht hingegen für die flachen Sprunggelenke, bei primärer Ankylose oder für das Iliosakralgelenk – generell rate ich davon ab, wenn der Synovialraum nicht sicher getroffen werden kann. Bei Sehnenverletzungen können die Stammzellen intraläsionär oder auch intravenös verabreicht werden. Sonographisch sehen wir meist eine Besserung, die funktionelle Wirksamkeit wurde aber bisher in den Studien nicht nachgewiesen.

Würden Sie Kolleg*innen in der Praxis empfehlen, diese Produkte selbst einzusetzen, oder ist es besser, die betreffenden Patienten zu überweisen?
Diese Techniken sind auch draußen in der Praxis einsetzbar; ich empfehle hier eher kommerzielle Produkte. Wenn man die Möglichkeit, das Produkt korrekt zu lagern, nicht hat, gibt es auch Medikamente, die tagesaktuell geliefert und gleich eingesetzt werden können. Wichtig ist dabei eine gute Planung und vor allem Hygiene! Es muss sehr sauber gearbeitet werden, das kann unter den Bedingungen im Stall eine Herausforderung sein.

Wie sehen Sie den Stellenwert der Physiotherapie in der Arthrosebehandlung?
Sehr hoch! Generell empfehle ich auf jeden Fall Physiotherapie und Bewegung auch bei Schmerzpatienten, die etwa Firocoxib als Dauergabe bekommen – Medikamente sind keine Ausrede für fehlende Bewegung. „Senioren-“ oder „Rehagymnastik“ kann viel Positives bewirken. Hilfreich ist auch das Wasserlaufband – wir können die Belastung der Situation anpassen. Nur während eines akuten Entzündungsprozesses oder bei frisch operierten Pferden verordnen wir Boxenruhe. Aber man geht viel früher Schritt, man kann passiv das Gelenk in der Hand beugen, strecken und dehnen. So können natürliche Bewegungsabläufe für das Gelenk durchgeführt werden.


Weitere Artikel zum Thema:

Artikel
Zahnbehandlungen bei Pferden
Gesunde Zähne ein Pferdeleben lang
Artikel
Das liegt nicht am Wetter!
Saisonale Kolik aus der Sicht einer Chirurgin
News
Wissenschaftliche Entdeckung
Pferde und Schweine können menschliche Stimme deuten