Hoffnungsträger Tubulin:

Neuer Wirkstoff gegen Parasiten

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Forschende am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz haben kürzlich im Journal „EMBO Molecular Medicine“ eine Studie veröffentlicht, die darlegt, dass sie eine chemische Verbindung identi­fizieren konnten, die sich vermutlich als Wirkstoff gegen gleich mehrere einzellige Parasiten eignet.

Dazu gehören die Erreger der Malaria sowie der Toxoplasmose. Angriffspunkt der vielversprechenden Sub­s­tanz ist das Protein Tubulin: Es hilft Zellen dabei, sich zu teilen, und ist damit auch für die Vermehrung der Parasiten unentbehrlich. Die Idee dahinter stammt aus der Tumorforschung: Indem man in Krebszellen den Eiweißstoff Tubulin blockiert, hindert man die Zellen daran, sich erfolgreich zu teilen – und damit auch daran, sich zu vermehren. Dieses Prinzip setzen Ärzte und Ärztinnen seit Langem erfolgreich bei Chemotherapien ein und ver­abreichen Patienten tubulinhemmende Substanzen.

Die PSI-Forschenden Natacha Gaillard und Ashwani Sharma vom Labor für biomolekulare Forschung haben das Konzept jetzt auf einzellige Parasiten ausgeweitet, etwa auf den Erreger der Malaria (Plasmodium spp.) und jenen der Toxoplasmose (Toxoplasma gondii), denn auch deren Zellen brauchen Tubulin für die Zell­teilung.

„Wenn dieses Protein nicht mehr so arbeitet, wie es soll, trifft das den Parasiten hart“, sagt Ashwani Sharma. „Daher ist Tubulin ein guter Angriffspunkt für Medi­kamente. In der Tumorforschung ist das Protein dahin gehend schon sehr lange bekannt, in der Parasitologie aber hat es bisher kaum Aufmerksamkeit bekommen.“ Die Erreger der Malaria und der Toxoplasmose zählen zu den Apicomplexa, einer Gruppe von einzelligen, zu den Eukaryonten zählenden Parasiten. Ihre Zellen be­­sitzen einen echten Zellkern und sie durchlaufen sowohl geschlechtliche als auch ungeschlechtliche Phasen der Fortpflanzung. Apicomplexa nutzen den Menschen oder Tiere als Wirt oder Zwischenwirt. An den von ihnen hervor­gerufenen Infektionskrankheiten erkranken (und sterben) jedes Jahr viele Millionen Menschen.

Auf der Suche nach Angriffspunkten

Alle Eukaryonten, von der Amöbe bis zum Menschen, stellen das Protein Tubulin her. In Gestalt von langen Filamenten durchspannt es als eine Art Gerüst die Zellen. Während der Zellteilung bildet sich daraus der sogenannte Spindelapparat, der die Chromosomen auseinanderzieht und sie so auf zwei Tochterzellen verteilt.

Von Lebewesen zu Lebewesen unterscheidet sich das Protein an einigen wenigen, aber unter Umständen wichtigen Stellen. Um Wirkstoffe gegen das spezifische Protein eukaryontischer einzelliger Parasiten zu finden und es zu blockieren, muss die genaue Struktur des Proteins bekannt sein. Die PSI-Forschenden isolierten daher Tubulin aus den Zellen des Wimperntierchens Tetrahymena thermophila. Mithilfe der „Synchrotron Lichtquelle Schweiz“ (SLS) und der Elektronenmikroskopie entschlüsselten die Forschenden die molekulare Struktur des Proteins. Dann suchten sie eine chemische Verbindung, die das Protein hemmen kann. Eine Substanzdatenbank lieferte fünf Kandidaten als potenzielle Wirkstoffe – im Labor bestätigte sich eine chemische Verbindung als wirksam, die Forschenden gaben ihr den Namen Parabulin. „Parabulin hindert Tubulin daran, lange, stabile Proteinfilamente auszubilden. So blockiert es auch eine erfolgreiche Zellteilung“, sagt Gaillard. Der Wirkstoff blockiert das Protein genau an der Stelle, an der im menschlichen Tubulin analog die Krebsmedikamente andocken.

Hoffnung auf zukünftiges Medikament

Die Kooperationspartner des PSI von der University of California im US-ameri­kanischen Irvine testeten die Verbindung an Toxoplasma gondii in menschlichen Zellen. Tatsächlich konnte sich der Parasit so gut wie nicht mehr vermehren. Auf die menschlichen Zellen hingegen hatte Parabulin quasi keine Wirkung. „Das ist ein gutes Zeichen: Die Substanz wirkt anscheinend ausschließlich auf das Tubulin des Parasiten – eine Grundvoraussetzung, um es als Medikament gegen Infektionskrankheiten einsetzen zu können“, erklärt Sharma. Die Vermutung liegt nahe, dass Parabulin nicht nur gegen Toxoplasma gondii wirkt, sondern gegen alle Vertreter der Apicomplexa, auch den Erreger der Malaria. Das PSI hat jetzt ein Patent eingereicht und plant, Parabulin weiter im Labor zu testen, um es später mithilfe der Pharmaindustrie zu einem Medikament weiterzuentwickeln.

Publikation:
Inhibiting parasite proliferation using a rationally designed anti-tubulin agent
N. Gaillard, A. Sharma, I. Abbaali, T. Liu, F. Shilliday, A. D. Cook, V. Ehrhard, A. J. Roberts, C. A. Moores, N. Morrissette, M. Steinmetz „EMBO Molecular Medicine“, 18. Oktober 2021 (online)


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