Das Schimmelmelanom –

beobachten oder behandeln?

Dr. med. vet. Elisabeth Reinbacher

Die meisten Schimmel entwickeln im Lauf ihres Lebens ein Melanom, einen Tumor, der von entarteten Melanozyten ausgeht. Dr. med. vet. Edmund Hainisch, PhD, gab dem Vetjournal ein Update über Klinik, Diagnose und aktuell verfügbare Therapiemöglichkeiten.

Dr. Edmund Hainisch, PhD, arbeitet an der Abteilung für Pferdechirurgie der Universitätsklinik für Pferde an der Vetmeduni Vienna und ist Teil der Forschungsgruppe, die sich mit onkologischen Erkrankungen beim Pferd beschäftigt. „Das Schimmelmelanom wird aus histologischer Sicht oft als malignes Melanom klassifiziert. Klinisch ist es jedoch in den allermeisten Fällen gutartig. Es wächst meist nur wenig invasiv oder in einer Bindegewebskapsel und erzeugt nur in seltenen Fällen Metastasen, die dann auch klinisch Probleme machen“, erklärt Dr. Hainisch einführend und betont: „Das unterscheidet das Melanom beim Schimmel ganz deutlich vom Melanom bei anderen Fellfarben, bei denen sich dieser Tumor deutlich bös­artiger verhält. Diese wachsen sehr schnell und invasiv meist dorsal an der Schwanzwurzel, außerdem metastasieren sie. Melanome kommen bei anderen Fellfarben aber ­selten vor, ganz im Gegensatz zum Schimmel.“ Warum die Fellfarbe einen so großen Unterschied macht, ist bisher nicht ausreichend geklärt.

„Schimmelmelanome sind zwar prinzipiell meist gutartig, nehmen aber tendenziell an Größe und Anzahl zu und ­können dann je nach Lokalisation zu verschiedenen funktio­nellen Problemen führen. Die ­Prädilektionsstellen dieser Tumore sind die Unterseite der Schwanzwurzel und der perianale Bereich, wo sie weiterführend Probleme beim Defäkieren bereiten können. Andere beliebte Stellen für Melanome sind die Glandula parotis und die Lippen. An diesen Stellen können die Neoplasien Schluck- und Futteraufnahmeschwierigkeiten verursachen oder auch die Reitbarkeit des Pferdes negativ beeinflussen. Es wird in der Wissenschaft diskutiert, ob die ständige Bewegung an diesen Stellen ein Faktor ist, warum gerade dort ­Melanome besonders häufig auftreten“, so der Spezialist über die klinischen Symptome. Klinisch relevante Metastasen bildet diese Tumorart bei Schimmeln nur in Einzelfällen. Dazu teilt der Pferdetierarzt seine Erfahrung: „Metastasen können in der Milz und im Gekröse vorkommen, diese Tiere werden dann beispielsweise mit Koliksymptomen oder Aszites vorgestellt. Auch Metastasen im Luftsack findet man bei der Endoskopie regelmäßig als Zufallsbefund. Insgesamt sind Metastasen, die klinische Probleme bereiten, sehr selten, vor allem in Hinblick auf die Tatsache, dass über 80 Prozent aller Schimmel Melanome entwickeln.“

Rascher Befund

Diagnostiziert werden kann ein Melanom in der Regel recht einfach: „Wird mir ein Schimmel mit Umfangsvermehrungen an den typischen Prädilektionsstellen vorgestellt, stelle ich die Verdachtsdiagnose eines Melanoms ­klinisch. Wenn ich die Umfangsvermehrung in weiterer Folge reseziere, mache ich einen Querschnitt durch diese. Ist der Inhalt schwarz, habe ich auch ohne Histologie eine Bestätigung“, erläutert der Pferde­chirurg. Anders verhält es sich, wenn Schimmel Umfangsvermehrungen an für das Melanom untypischen Loka­lisationen haben. Dazu geht der Wissenschaftler ins Detail: „­Solche Fälle sind für mich die einzige Indikation für eine Feinnadelaspirationsbiopsie. Zytologien von Feinnadelaspirationsmaterial sind meiner Erfahrung nach für die ­Tumordiagnostik bei kutanen Umfangsvermehrungen beim Pferd ungeeignet. Ist der Inhalt der Spritze dunkel, ist es ein Melanom, wenn nicht, muss ich andere Ursachen abklären. Die wichtigste Differenzial­diagnose ist das Equine Sarkoid, das beim Schimmel wiederum weniger oft als bei anderen Fellfarben vorkommt. Als nächsten Schritt empfehle ich dann eine PCR auf ­bovine Papillomviren; in Österreich ist unser Labor an der Pferdeklinik das ­einzige, das diese Diagnostik anbietet. Oberflächliches Material wie Krusten und Schuppen, die mit dem ­behandschuhten Finger gewonnen werden, oder Haarwurzeln können eingesandt werden. Wird BPV-1 oder BPV-2 (bovines Papillomvirus Typ 1 oder 2; Anm. d. Red.) im Material nachgewiesen, handelt es sich um ein Sarkoid. Von Biopsien rate ich ab, wenn ein Sarkoid­verdacht besteht – die Rezidivrate bei diesen Neoplasien ist sehr hoch und das Tumorwachstum kann durch jegliche Verwundung angeregt werden. Werden in der PCR keine Viren nachgewiesen, wäre der ­nächste Schritt eine Exzisionsbiopsie und Histologie, weitere Differenzial­diagnosen wären unter anderem Eosinophile Granulome oder Mastozytome.“

Welche Behandlungsmöglichkeiten werden aktuell empfohlen? Dr. Hainisch erklärt: „Als ich noch studiert habe, gab es die Lehrmeinung, dass die Schimmel mit den Melanomen sterben, aber nicht an den Melanomen. Dieser Merksatz trifft zwar auch heute noch in ­vielen ­Fällen zu, jedoch sollte man sich als Tierarzt einige Para­meter anschauen, bevor man sich entscheidet, ob das Melanom beobachtet oder doch gleich behandelt werden sollte. Es konnte mit Studien bewiesen werden, dass bei homo­zygoten Schimmeln, die schon sehr früh komplett weiß werden und auch tendenziell früher in ihrem Leben Mela­nome entwickeln, eher Handlungsbedarf besteht als bei heterozygoten Schimmeln. Heterozygote Schimmel behalten viel länger ihre dunkle Fellfarbe und entwickeln auch Melanome erst später; diese wachsen langsamer und machen weniger häufig klinische Probleme.“

Dr. Hainisch weiter: „Als Tierarzt werde ich bei ­einem 17-jährigen Apfelschimmel mit zwei daumen­kuppengroßen Umfangsvermehrungen am Anus keinen dringenden Handlungsbedarf sehen, denn die Chancen stehen gut, dass die Melanome bei diesem Pferd in seiner Lebenszeit zu keinen Problemen führen. Habe ich das gleiche Szenario bei einem fünfjährigen bereits ganz weißen Schimmel, würde ich zur chirurgischen Entfernung raten, denn das Risiko ist hoch, dass diese Melanome recht schnell wachsen und klinische Symptome verursachen. Je kleiner der Tumor ist, desto leichter ist er chirurgisch zu entfernen und desto weniger Komplikationen gibt es. Da die meisten noch kleinen Melanome von einer Bindegewebskapsel umgeben sind, ist es technisch meist einfach, ­diese ­Tumore zu resezieren. Am Anus ist der Wundverschluss selten ein Problem, weil viel Haut zur Verfügung steht. Durch die starke Bewegung beim Defäkieren kommt es zwar oft zu ­Nahtdehiszenzen, jedoch kaum zu Infektionen, wenn die Wunde sauber ­gehalten wird. Man muss einfach abwägen, wie wahrscheinlich der Tumor Probleme machen wird und wie hoch das Risiko von Komplikationen nach der Resektion ist. Wenn der Tumor bereits klinisch Probleme macht und noch resezierbar ist, dann ist die Abwägung meist aufseiten der Chirurgie, denn dann nehme ich mögliche Wundheilungskomplikationen eher in Kauf. Vor allem Melanome an der Lippe entferne ich zügig, weil sie sehr schnell zu Einschränkungen für das Pferd führen können. Zusammengefasst treffe ich bei kleinen Melanomen die Entscheidung, ob operiert wird oder nicht, anhand des Alters des Pferds, anhand des Faktors, wie weiß es bereits ist, und anhand der Frage, ob das Melanom Probleme macht oder nicht.“ Ganz anders verhält es sich, wenn man mit einem malignen Melanom bei einem Pferd mit anderer Fellfarbe konfrontiert ist: Dann, so der Tierarzt, müsse so schnell wie möglich großzügig und mit histologisch bestätigten freien Schnitträndern reseziert werden.

Oftmals sind Schimmelmelanome aber bereits so groß, dass sie nicht mehr entfernbar sind oder an Lokalisa­tionen wie der Parotis vorkommen, die chirurgisch schwer zugänglich sind. Bei solchen Patienten ­setzte Dr. Hainisch in den letzten Jahren sehr gerne die ­Melanom-Impfung (Oncept Canine Melanoma Vaccine, Merial, USA) ein: „Dieser Impfstoff ist nur für den Hund und ausschließlich in den USA zugelassen und bewirkt, dass gegen das Enzym Tyrosinase, das von Melanomzellen überexprimiert wird, Antikörper gebildet werden. Wir wissen, dass der Impfstoff auch beim Pferd eine systemische Immunantwort hervorruft. Bei den allermeisten Pferden führt die Impfung zumindest zur Stase des Tumorwachstums, bei manchen Tieren kommt es auch zur Reduktion der Größe und Anzahl der Tumore oder vereinzelt sogar zur kompletten Remission. An der Uniklinik konnten wir diesen Impfstoff seit 2016 mit Sondergenehmigung der Ethikkommission off-label bei den equinen ­Patienten einsetzen, er wurde in Zusammenarbeit mit der Kleintieronkologie direkt aus den USA importiert. Seit einigen Monaten erhalten wir diesen Impfstoff allerdings nicht mehr, und keiner weiß, wann oder ob wir ihn überhaupt wieder bekommen. Der Impfstoff wird mit einem ­speziellen Federdruckapplikator subkutan verabreicht, die Grundimmunisierung besteht aus vier Teilimpfungen im Abstand von zwei Wochen, eine Auffrischung wird alle sechs Monate gemacht. Die Kosten beliefen sich auf etwa 400 Euro pro Impfung. Die Thematik der Melanomimpfung ist ­aktuell im Fokus der Forschung, wissenschaftliche Projekte ­werden uns in Zukunft mehr Wissen darüber bringen.“

Eine weitere in der Literatur beschriebene Therapie­option ist Cimetidin. Zum Benefit dieses Medikaments gebe es wenig wissenschaftliche Beweise, so Dr. Hainisch. Und weiter: „Ich habe das bei mehreren Pferden eingesetzt, allerdings keinen deutlichen therapeutischen Erfolg gesehen. Natürlich kann man es probieren, es ist ein billiges und nebenwirkungsarmes Medikament, muss allerdings dreimal täglich verabreicht werden, was für viele Besitzer praktisch nicht umsetzbar ist.“

Auf die Frage nach chemotherapeutischen ­Möglichkeiten antwortet Dr. Hainisch: „Auch intraläsional verabreichtes ­Cisplatin wird als erfolgreich beschrieben, allerdings nur bei ­kleinen Melanomen, welche aber wiederum auch leicht reseziert werden können. Nachdem Melanome im Gegensatz zu anderen Hauttumoren wie dem Sarkoid nach der chirurgischen Entfernung nicht rezidivieren, ist auch der Einsatz von Cisplatin nach einer vollständigen Exzision nicht nötig. Systemische Chemotherapien werden beim Pferd generell nicht durchgeführt.“

Weiters gibt es noch Ansätze in der Forschung, Schimmel­melanome mit Betulinsäure oder dendritischer Zell­therapie zu behandeln – hier stecke die Forschung noch in den Anfängen, viel zu wenig sei darüber bisher bekannt, um eine Empfehlung zu diesen Therapieformen abgeben zu können, meint Dr. Hainisch abschließend.


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