Patienten aus der Ukraine –

Impfen, Titer, Pass?

Dr. med. vet. Astrid Nagl
Tierärztin und Buchautorin

In den vergangenen Wochen kamen viele geflüchtete Menschen in Begleitung ihrer Haustiere in unser Land. Was bei der Betreuung ukrainischer Heimtiere zu beachten ist und ob wir mit einem erhöhten Tollwutrisiko rechnen müssen, beantwortete Dr. Alexandra Amon von der Abteilung Veterinärangelegenheiten der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha.

Nach einer unvorstellbaren Reise stehen sie mit ihren Tieren plötzlich in der Ordination: Menschen, die es aus der Ukraine bis nach Österreich geschafft haben. Oft gibt es keinen Impfpass oder andere Dokumente, da kaum etwas mitgenommen werden konnte – doch in der Ukraine werden jedes Jahr zahlreiche Tollwutfälle gemeldet. Dr. Alexandra Amon von der Abteilung Veterinärangelegenheiten der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha erklärt, was bei der tierärztlichen Betreuung ukrainischer Heimtiere zu beachten ist.

Gibt es wirklich ein Risiko eines Eintrags der Tollwut nach Österreich?

Es wurde entschieden, dass die Einreisebedingungen für Menschen und Tiere in dieser Situation gelockert werden. Die EU geht davon aus, dass die Menschen ihre eigenen Haustiere mitbringen, die bis dahin von ihnen gut betreut und medizinisch versorgt wurden. Das Risiko einer Tollwuterkrankung sollte bei diesen Tieren gering sein. Die AGES beobachtet die Lage trotzdem genau1, denn aus Ländern, in denen die Tollwut endemisch ist, könnte die Tollwut durch ungeimpfte Tiere in die hiesige Population eingetragen werden. Wir alle wollen den verzweifelten Menschen und ihren Tieren helfen und gleichzeitig dafür sorgen, dass Österreich tollwutfrei bleibt.

Wie häufig treten Fälle von Tollwut in der Ukraine auf?

Im Jahr 2021 wurden in der Ukraine insgesamt 704 Fälle von Tollwut gemeldet, davon 398 bei Heimtieren, der Rest bei Wildtieren. Zum Vergleich: Im selben Jahr waren es in Polen zehn Fälle bei Heimtieren, 103 bei Wildtieren und fünf bei Fledermäusen, gesamt also 118; in Deutschland wurden ein Tollwutfall bei einem Heimtier und 16 befallene Fledermäuse gemeldet, insgesamt 17 Meldungen.2

Was ist also zu tun, wenn ein ukrainisches Heimtier in der Ordination vorgestellt wird?

Am besten wird zuerst festgestellt, ob es einen Impfpass gibt und wie der Impfstatus des Tiers aussieht. Die Tiere werden an den EU-Außengrenzen mit nationalen Impfpässen, oft auch ohne Dokumente durchgelassen. Eigentlich sollte in diesem Fall eine Abfertigungsbescheinigung der Grenzkontrollstelle an der Außengrenze der EU ausgestellt werden.

Meistens berichten die betroffenen Personen, dass sie nichts mitnehmen konnten und an der Grenze nach tagelanger Wartezeit ohne diese Dokumente durchgelassen wurden.

In diesem Fall sollten die Heimtiere geimpft und gekennzeichnet werden. Dasselbe gilt für ungeimpfte oder nicht ausreichend geimpfte Tiere. Nach 30 Tagen sollte der Tollwut-Antikörpertiter bestimmt werden.3

Wie sollte die Dokumentation aussehen bzw. muss eine Meldung dieser Patienten erfolgen?

Ja, es sollte hier genau dokumentiert werden. Die Daten sind an die Abteilung Veterinärangelegenheiten der zuständigen Bezirkshauptmannschaft weiterzuleiten. Eine weitere Berichtspflicht ist nicht erforderlich. Bei Besitzern, die sofort in andere Staaten weiterreisen, ist die Meldung nicht erforderlich.

Folgende Daten sollten erhoben werden:

Name des Besitzers, wenn möglich Aufenthaltsort in ­Österreich, Mailadresse oder Telefonnummer, Art und Anzahl der Heimtiere, Mikrochipnummer oder Kennzeichnung.

Darf ein EU-Pass ausgestellt werden?

Nein, vorerst darf nur ein gelber, also nationaler Impfpass ausgestellt werden. Das betrifft auch Heimtiere, deren Besitzer*innen in andere Staaten weiterreisen möchten! Wenn sich herausstellt, dass die Menschen länger in Österreich bleiben werden, kann auf lange Sicht auch ein EU-Pass ausgestellt werden, jedoch frühestens nach drei Monaten und nur bei ausreichendem Tollwut-Antikörpertiter.3

Quellen:
1 AGES-Tierseuchenradar:
https://wissenaktuell.ages.at
2 Rabies Bulletin Europe (Rabies Information System of the WHO):
www.who-rabies-bulletin.org
3 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz:
www.verbrauchergesundheit.gv.at
www.tieraerztekammer.at


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