Vom geheimnisvollen

Zahn der Zeit

Tierärztin Tanja Warter

Ob charakterliche oder körperliche Veränderungen: Wenn Tiere in die Jahre kommen, ist das oft mit vielen Herausforderungen verknüpft. Der Animalicum-Kongress, der in Kooperation mit der Österreichischen Tierärztekammer abgehalten wird, widmet sich im März 2023 ganz dem Alter(n).

Als die Schildkröte Jonathan aus dem Ei schlüpfte, gab es noch keine Glühbirne und auch kein Telefon – vor wenigen Wochen feierte das betagte Reptil seinen 190. Geburtstag. Jonathan ist das älteste (bekannte) lebende Landtier. Warum wird ein Hamster nur zwei, eine Schildkröte aber 200 Jahre alt? Wie läuft Alterung eigentlich ab? Und können wir uns bei den Methusalems der Tierwelt etwas abschauen? Über das große Rätsel des Alterns spricht beim Eröffnungsabend des Animalicums 2023 der bekannte Alternsforscher Prof. Dr. Christoph Englert vom Fritz-Lipmann-Institut in Jena.

Anhand von Experimenten, etwa mit bestimmten kurzlebigen Fischarten, versucht Englerts Forschungsgruppe herauszufinden, welche genetischen Programme und biochemischen Signalwege die Lebensspanne von Wirbel­tieren steuern. „Es gibt sehr große Evidenz dafür, dass es allgemeine Alterungsprinzipien gibt, die etwa beim Fadenwurm, beim Fisch, bei der Maus und eben auch beim Menschen auftreten. Wir brauchen daher Tier­modelle in der Alternsforschung, um Mechanismen für den Menschen abzuleiten und uns zunutze zu machen“, sagt Englert.

Wenn Tiere älter werden, stellt uns das vor neue Herausforderungen. Mit einem Vortrag über die Vor­züge des Zusammenlebens mit einem älteren Hund er­öffnet Prof. Dr. Ludwig Huber vom Messerli-Institut der Vetmeduni Wien den Tag. Dabei geht es um kognitive Leistungsfähigkeit, um neue Erkenntnisse im Gefühlsleben und um Forschungsergebnisse zum Thema Demenz beim Hund. Palliativmedizin wiederum ist im tierärzt­lichen Umfeld etwas Ungewöhnliches – brauchen wir in Zukunft mehr Kenntnisse in diesem Bereich? Wie sieht es einerseits mit den praktischen Herausforderungen aus, andererseits mit ethisch-moralischen Frage­stellungen? Dr. Svenja Joswig ist als Praktikerin zertifiziert für Palliativmedizin und Tierhospiz. Sie ist Deutschland-Repräsentantin der International Association for Animal Hospice and Palliative Care (IAAHPC) und berichtet aus ihrem Spezialgebiet sowie ihrem Arbeitsleben.

Wenn es um die Entscheidung über Leben und Tod geht, übernehmen wir Menschen für Haus- und Nutztiere die Verantwortung – vor allem Tierärzt*innen sind beim Thema Euthanasie gefragt und gefordert. Mit etwas Abstand betrachtet fragt der Biologe und Theologe Dr. Rainer Hagencord: Spielen wir da eigentlich lieber Gott? Wie gehen wir im modernen Alltag mit den verschiedenen Tieren um, und deckt sich das mit christlichen Werte­vorstellungen? Ein Blickwinkel, der zu neuen Überlegungen und Diskussionen anregt.

Im Nachmittagsprogramm geht es an alltagstaugliche ­Praxisthemen: Welche Einflüsse haben Bewegung und Ernährung auf die Fitness von Hund und Katze im Seniorenalter? Wie man die Fütterung sinnvoll anpasst, berichtet Prof. Dr. Annette Liesegang, Professorin für Tierernährung an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. Dr. Marion Mucha von der Vetmeduni Wien ist Diplomate des European College of Veterinary Sports Medicine and Rehabilitation – Beweglichkeit, Ausdauer, Balance und Kraft sind maßgebliche Faktoren für gesundes Altern; Mucha beschreibt unter anderem, wie man diese Begriffe in alltagstaugliche Übungen mit dem Tier umsetzt.

Den Abschluss bildet der Philosoph und Theologe Prof. Dr. Peter Kunzmann von der Tierärztlichen ­Hochschule Hannover. Er ist Professor für Angewandte Ethik in der Tiermedizin. Eines seiner Forschungsprojekte heißt „Sterben wie ein Hund? Konvergenzen und Divergenzen im human- und veterinärmedizinethischen Diskurs zum Lebensende von Menschen bzw. Heimtieren und Folgen für die Verhältnisbestimmung von Medizin- und Tierethik“. Kunzmann wird bei der Veranstaltung schwerpunktmäßig darauf eingehen, wie man am Lebensende eines Tiers eine medizinisch, ethisch und moralisch gute Entscheidung trifft.    

Welche Erkenntnisse bietet uns die Wissenschaft zum letzten Lebensabschnitt? Wie funktioniert das Altern eigentlich und welche Bereiche verändern sich? Lässt sich mit gezielter Fütterung, Fitnessübungen und Gehirnjogging gegensteuern? Und schließlich: Was tun in der schwierigen Phase, wenn die letzte Entscheidung ansteht? Ein Animalicum rund um tierische Senioren.


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