Katzen:

zwischen Gottheit und Satan

Mag. Eva Kaiserseder

Seit jeher ist der Mensch von Katzen fasziniert – das Wiener Naturhistorische Museum zollt dieser Faszination Tribut: Derzeit läuft dort die Sonderausstellung „Katzenkorb & Löwen­grube – Natur und Kunst von Cranach bis Klimt“. 

Mäusekiller, Gottheit auf vier Pfoten, Satan höchstpersönlich oder geliebtes Familienmitglied: Viele Zuschreibungen hat die Katze im Lauf der Jahrhunderte seit ihrer Domestizierung ca. 6000 v. Chr. schon erfahren – und ihre Rolle ist nach wie vor keine festgelegte. So ist sie im urbanen Raum oft verhätschelter, viel geliebter Herrscher des Hauses, während sie am Land nach wie vor eher als XS-Raubtier mit kuscheligem Zusatznutzen gilt. Und zwiespältig ist nicht nur ihre Rolle, sondern auch ihr Ruf, der zwischen eleganter Anmut und hinterlistigem Raubtier changiert. 

Eindeutig pro Katze waren jedenfalls die alten Ägypter. In der sogenannten Spätzeit (664–332 v. Chr.) galt die Miau (so wurden Katzen tatsächlich genannt) als heilig – den Tierkult im alten Ägypten sollte man sich allerdings eher so vorstellen, dass die Menschen das Göttliche im Tier verehrten, nicht unbedingt das Tier an sich. Katzen lebten jedenfalls mit den Menschen zusammen und galten als begnadete Mäusefänger – zu einer Zeit, als Getreide äußerst kostbar war, eine unschätzbare Fähigkeit. Dass auf Reliefs von wichtigen Gräbern, etwa bei Thutmosis, dem Bruder von Pharao Echnaton, Katzen abgebildet waren, zeigt auch, neben dem Bastet-Kult, schlicht Zuneigung: Das ist mein Lieblingstier – es ist für mich so wichtig, dass ich es mit ins Jenseits nehmen möchte. 

Viel länger als den eigentlichen Tierkult, schon seit dem Alten Reich (2707–2216 v. Chr.), gab es im ägyptischen Vielgottglauben mächtige Gottheiten mit katzen- und löwenähnlichen Zügen, unter deren Schutz die Menschen standen. Als wichtigste Göttinnen in Katzengestalt gelten die heute noch bekannte Bastet, gerne als sitzende Katze dargestellt, und Sachmet, ursprünglich Bastets böse, zerstörerische Seite, die schließlich in eine eigene, löwen­ähnlich dargestellte Gottheit mündete. Bastet, die ausschließlich für Positives wie Fruchtbarkeit und Liebe stand, galt als heiteres, freundliches Wesen und war laut ägyptischer Mythologie die Tochter des mächtigen Sonnengottes Re. Schon Chephren, der König, der die mittlere der drei Pyramiden von Gizeh erbauen ließ und dessen Bild vermutlich die große Sphinx darstellt, wurde mit Bastet dargestellt. Sachmet dagegen galt als Göttin des Kriegs, ihr Name bedeutet „Die Mächtige“. Die auffällige Löwengestalt deutet auf Sachmets Kampfeslust und Kraft hin. Als Kultort dieses gegensätzlichen Paars galten Per Bastet (Haus der Bastet), später von den Griechen zu Bubastis verballhornt, bzw. Memphis. In Bubastis wurden für Bastet Tempel erbaut und rauschende religiöse Feste gefeiert. Der antike griechische Geschichtsschreiber Herodot schildert diese folgendermaßen: „Wenn sie nach Bubastis gekommen sind, feiern sie und bringen große Opfer dar, und Wein aus Reben geht bei diesem Fest drauf mehr als im ganzen Jahr sonst. Und da kommen zusammen Männer und Frauen, die Kinder nicht gerechnet, an die siebenmal hunderttausend, wie die Einheimischen erzählen.“ In Bubastis gab es außerdem einen Katzenfriedhof, und selbst mumifizierte Katzen als Grabbeigaben, die teilweise extra dafür getötet wurden, waren im alten Ägypten ganz und gar nichts Ungewöhnliches, wollte man die Göttin Bastet milde stimmen.

 
 
Religiöse Verteufelung

In Europa galten Katzen ab dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit als das Gegenteil von göttlich, sie wurden eher auf der teuflischen Seite des religiösen Spektrums angesiedelt, und sogar im Kochtopf landete das eine oder andere Exemplar in Notzeiten. Noch bis ins 12. Jahrhundert hinein galt die Katze aber als gern gesehener und verlässlicher Mäusejäger. Einen deutlichen Wandel in der Beziehung zum Menschen gab es ab dem 11. Jahrhundert: Knochenfunde aus Schlesien zeigen, dass hier bei etwa 12 Prozent der Katzen Kieferanomalien festzustellen waren – eine Ernährung aus Essensresten und Küchenabfällen dürfte dazu geführt haben; die wachsende Nähe zum Menschen äußert sich dadurch. Im Vergleich zu früheren Funden, bei denen es keinerlei Kieferanomalien gab, dürfte die Nahrung davor noch artgerecht aus erbeuteten Kleinsäugern bestanden haben, was auf größere Distanz zum Menschen schließen lässt. Das Christentum machte der kätzischen Popularität allerdings einen gehörigen Strich durch die Rechnung, denn es galt nunmehr, alles Heidnische auszumerzen – und Katzen waren etwa in der germanischen Mythologie hoch angesehene Tiere. Interessanterweise kommt die Katze auch in der Bibel nur ein einziges Mal vor, und das ausgerechnet in negativem Kontext, wo sie im Buch Baruch bei der Götzenverehrung aufgezählt wird. 

Was als unchristlich galt, war jedenfalls verpönt und wurde verfolgt, wobei die natürliche Verhaltensweise der Katze die christlichen Würdenträger zu interessanten Interpretationen verleitete: Das lautstarke, beharrliche Paarungsverhalten, die Verweigerung jedes Befehls und der viele Schlaf wurden als Merkmale eines schlechten Charakters gedeutet. Lüsternheit, Unzucht, Hochmut, Falschheit und Trägheit, um nur einige zu nennen, wurden den Vierbeinern zugeschrieben. Trotz dieser äußerst negativen Haltung seitens der Kirche taten Katzen aber nach wie vor Dienst als Mäusefänger; selbst in Klöstern wurden sie zum Schutz der wertvollen Pergamentrollen gehalten. Als Höhepunkt ihrer Dämonisierung wurde die Katze schließlich zu Satans Verkörperung höchstpersönlich stilisiert. Der unrühmliche Höhepunkt kam in der Frühen Neuzeit, als die Inquisition Hexenverbrennungen einsetzte, um sich angeblicher Ketzerinnen zu entledigen. Die Katze als Symbol des Teufels suche Menschen vorrangig in Gestalt von Frauen, insbesondere Hexen, heim, meinte man. Dass die Vierbeiner dann also konsequenterweise mit ihren Besitzerinnen auf dem Scheiterhaufen landeten, ergänzt die Hexenverfolgung um ein furchtbares Detail. 

Überhaupt war die Frühe Neuzeit, also der Zeitrahmen zwischen der europäischen Entdeckung Amerikas 1492 und der Französischen Revolution 1789, eine extrem spannende Zeit voller gesellschaftlicher Umbrüche. Als Spiegel dieser Entwicklungen lässt sich das damals extrem ambivalente Verhältnis zur Katze lesen; vor allem die Frage, inwieweit sie ein soziales Tier ist oder eine Seele hat, spaltete die Geister. Die Idee davon, was Gesellschaft ist und leisten soll, befand sich nun im Wandel, das magische Weltbild wurde aufgelöst und alte Ordnungen wurden in der Frühen Neuzeit oft in Bausch und Bogen verworfen. Man denke nur an den Dreißigjährigen Krieg, der ja auch eine Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Protestantismus war, die Französische Revolution oder all das medizinische Neuland, das damals betreten wurde.

 

Ambivalente Einstellung

Die Katze changiert in diesem Zeitalter der Umbrüche zwischen Repräsentations- und Schaustück (Ludwig XIV. hielt etwa einen weißen Angorakater, der selbst in den Prunkräumen umherstreifen durfte), magischem Symbol für Fruchtbarkeit und der Verkörperung des Bösen. So gab es auch noch im 18. Jahrhundert ritualisierte Katzentötungen, etwa bei Sonnwendfeiern, um den Teufel auszutreiben und Dämonen fernzuhalten. Die Stellung des Tieres veränderte sich aber schon vorher, im 17. Jahrhundert, massiv, man schrieb Tieren nun auch Bewusstsein und eine Seele zu. Vorher ging man davon aus, dass Menschen, wie der Arzt Paracelsus meinte, zweifacher Natur seien, eben menschlicher und auch tierischer. Das Tier sei damit ein Spiegel, in dem der Mensch sich selbst begegne. Diese Einheit war nun aufgelöst. Der Sprung zum Seelenverwandten des Menschen war damit aber noch lange nicht getan. Der Historiker Marc Hengerer sieht diesen dann, als „der Mensch unter dem Eindruck eines sich wandelnden Naturbegriffs und Menschenbildes trotz erheblicher Wissenszuwächse sich selbst immer weniger versteht und diese Intransparenz in der Katze repräsentiert sieht; eine Intransparenz, die dieses Tier zudem im Gegensatz zum Hund als freies, ungebundenes, individualistisches Tier erscheinen lässt.“ Eigenschaften, die die Katze wohl auch heute noch so attraktiv machen.

 
 
 
Ausstellung

Eine plakative Blockbuster-Ausstellung sollte sich der Besucher nicht erwarten, eher wie ein liebevoll zusammengetragenes Schatzkästchen voller Devotionalien mit besonderer Affinität zur Katze wirkt die Ausstellung im Naturhistorischen Museum. Gemeinsam mit der Kölner „Letter-Stiftung” wird mit rund 250 Objekten aus verschiedenen Epochen (altes Ägypten, Mittelalter, Neuzeit …) und mittels eines umfangreichen Lesehefts der kulturgeschichtliche Bogen gespannt. „Wo immer thematisch möglich, werden in der Ausstellung räumliche Ensembles inszeniert“, erklärt Kurator Dr. Bernd Ernsting. „Auch Sichtbezüge werden in der Schau immer wieder hergestellt: Die präparierten Tiere des Naturhistorischen Museums Wien zeigen das Naturspektakel, in Kontrast zu den Gemälden, wo die Katzen eingebettet in eine Szenerie zu sehen sind, ergänzt durch Plastiken und Skulpturen, die sie statisch nachstellen.“ Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. Oktober.

 

www.nhm-wien.ac.at