2. ÖTK-Zukunftstalk

Wettstreit um den Corona-Impfstoff

Mag. Silvia Stefan-Gromen

Rund 450 Interessierte sahen sich bis dato die virtuelle Diskussion mit Univ.-Prof. Norbert Nowotny und Tierärztekammer-Präsident Mag. Kurt Frühwirth auf der ÖTK-Website an. Neben wissenschaftlichen Fragen über das Virus konnte auch die schwierige Situation in Bezug auf die Impfstoffbeschaffung dargelegt werden.

Nach dem erfolgreichen Start des digitalen Formats „ÖTK-Zukunftstalk“ am 13. November 2020, das sich bisher rund 450 User auf der ÖTK-Website als Aufzeichnung angesehen haben, startete die Tierärztekammer am 28. Jänner 2021 in die zweite Runde der virtuellen Diskussion. Thematisiert wurde der allseits aktuelle  „Wettstreit um den Coronaimpfstoff“, im Studio zu Gast waren erneut der landesweit gefragteste Virologe Univ.-Prof. Dr. Norbert Nowotny sowie Tierärzte­kammer-Präsident Mag. Kurt Frühwirth. Ziel der von Moderator Gerald Groß geleiteten Diskussion war ein wissenschaftliches und standespolitisches Pandemie-­Update, das schon im Vorfeld auf reges Interesse stieß. Es erreichte uns eine Vielzahl an Fragen, die auch großteils im Livestream beantwortet wurden.

Zu Beginn der Debatte sprach Mag. Frühwirth die bisher durchaus positive wirtschaftliche Situation der Tierärztinnen und Tierärzte während der Pandemie an, die auf die uneingeschränkte Ausübung der tierärztlichen ­Tätigkeit zurückzuführen ist. Die anfängliche Zuversicht, die mit der angekündigten Verfügbarkeit des Coronaimpfstoffs einherging, wurde bedauerlicherweise Ende des Jahres 2020 getrübt. Tierärztinnen und Tierärzte hatten die Erwartung, dass sie aufgrund ihres systemrelevanten Berufs in naher Zukunft eine Impfung erhalten werden – doch vergebens: Sie wurden im Impfplan der Regierung nicht priorisiert (Anm. d. Red.: Die Tierärztekammer unternahm große Anstrengungen und führte Gespräche mit dem Gesundheitsministerium; dennoch wurden Tier­ärztInnen bedauerlicherweise nicht in die Phase 1 des Impfplans aufgenommen). Im Talk kritisch angemerkt wurde auch die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern in der Umsetzung des Impfplans, da dadurch sogar innerhalb einer Bevölkerungsgruppe unterschiedliche Priorisierungen entstehen würden.

„Leider hat dies alles für Unruhe, Unklarheiten sowie Kritik gesorgt – die Stimmung ist entsprechend am Kippen“, gab Frühwirth zu bedenken, denn schließlich habe die Berufsgruppe ihre Leistungen verantwortungsvoll und verlässlich erbracht, daher habe man auch erwartet, entsprechend früh geimpft zu werden. Der wöchentlich geänderte Impfplan und die ständig adaptierte Impfstrategie führen unter TierärztInnen zu Ernüchterung und Verunsicherung. „Doch nicht nur der Impfplan muss überarbeitet werden – es muss auch erst einmal der Impfstoff eintreffen. Die Anspannung ist groß. Wir brauchen Klarheit und ­weniger Ankündigungspolitik“, so Frühwirth. Und weiter: „Wir unternehmen alles, um die Priorisierung zu korrigieren. Wir müssen entsprechend im Impfplan ­vorkommen. Doch letztlich muss die Impfung auch zur Verfügung ­stehen – das ist der Schlüsselpunkt.“

EU-weite Beschaffung des Impfstoffs


Virologe Nowotny versuchte in seinem Statement, dennoch optimistisch zu bleiben, und wies darauf hin, dass der Impfstoff früher als erwartet zugelassen wurde und die Lieferengpässe der Impfdosen in absehbarer Zeit vorbei sein werden. Er stellte auch in Aussicht, dass die Impfstrategie der Regierung laufend angepasst werde. Eine Lanze brach der Virologe auch für die EU, deren länder­übergreifende Impfstoffbeschaffung sehr zielführend sei; die EU habe sich zu dem Zeitpunkt richtigerweise für den Vektorimpfstoff von Astra Zeneca entschieden. ­Nowotny hob auch die Wirksamkeit des genannten Impfstoffs hervor, die bei 70 Prozent liege und damit einen guten Wert darstelle – vor allem würde der Impfstoff vor mittelschweren bis schweren Krankheitsverläufen schützen.

Die Entstehung der Coronamutation aus Großbritannien B.1.1.7 sei laut Professor Nowotny in einem Menschen passiert, der über längere Zeit mit Blutplasma ehemals Coronaerkrankter behandelt wurde: „Es könnte sein, dass durch die im Rahmen der Blutplasmatherapie verabreichten Antikörper das Virus so unter Druck gekommen ist, dass es immer wieder versucht hat, zu entkommen, und deshalb in relativ kurzer Zeit so viele verschiedene Mutationen entstanden sind.“

Als Gast zugeschaltet war Tierarzt und Labormedi­ziner Dr. Georg Mößlacher, dessen tierärztliches Labor als Erstes für die Untersuchung menschlicher Proben zugelassen worden war und der sich zur aktuellen Lage ­äußerte:  „Die Erkenntnisse über die neuen ­Mutationen sind sehr rar. Die Auswirkungen sind zwar bekannt, aber wir ­wissen nicht, ob die Immunitätslage in gewissen ­Gebieten ausreichend sein wird, um gegen diese neuen Varianten gewappnet zu sein.“ Es sei schwierig, zu beurteilen, in ­welcher Phase wir uns momentan befinden. Die endemische ­Situation würde auch teilweise eine Rückverfolgung der Infektion nicht zulassen.

Impfstoffbeschaffung sollte keine Frage von Lobbying sein


Angesprochen auf die Rolle der TierärztInnen in ­anderen Ländern wie etwa Italien, wo bereits alle Veterinäre durchgeimpft seien, antwortete Präsident Frühwirth: „Die Gegebenheiten anderer Länder können wir nicht einfach mit jenen in Österreich vergleichen. Voraussetzung ist, dass man von den Behörden und den dementsprechenden Stellen akzeptiert und eingebunden wird. Wir sind darauf angewiesen, berücksichtigt zu werden.“ Es könne keine Frage erfolgreichen Lobbyings sein, ob man eine Impfung bekommt oder nicht. Professor Nowotny ­merkte an dieser Stelle auch an, dass selbst MitarbeiterInnen des Instituts der Virologie an der Vetmeduni Wien, die täglich mit bis zu 500 Proben zu tun haben, nicht prioritär behandelt würden. Es gehe nicht um Privilegien, sondern um das Schließen von Sicherheitslücken – und selbstverständlich sei es aus epidemiologischer Sicht sinnvoll, dass Ordinationshilfen in Tierarztpraxen ebenso rasch geimpft werden.  

Die Diskussion der Systemrelevanz bzw. der ­Vorreihung staatsnaher Betriebe wie beispielsweise der OMV, von Banken, Handelskonzernen oder auch dem ORF sowie auch die Impfstoffbeschaffung über die Bundesbeschaffungsagentur sei enden wollend, so Frühwirth, denn hier habe man keinen Einfluss auf das Geschehen.

Befürworter der flächendeckenden Antikörpertestung


Alle Diskutanten sprachen sich im Zuge der Diskussion für die Strategie der flächendeckenden Covid-Antikörpertestungen aus. Präsident Frühwirth begrüßte bei dieser Gelegenheit auch die Tatsache, dass TierärztInnen selbst Antigentests durchführen dürfen, und hob hervor, dass es auch aufgrund der Interventionen und Anstrengungen der Tierärztekammer gelungen sei, dass TierärztInnen Antigentests selbst durchführen, auswerten und ­bestätigen dürfen. Kraft ihrer Ausbildung stehe diese Kompetenz ohne­dies außer Streit.

Die derzeit stattfindenden Massentests seien zwar wichtig, wären aber nur in einem wöchentlichen Rhythmus sinnvoll. Dazu Tierarzt Mößlacher: „Die Personen, die sich testen lassen, sind nicht das Problem, sondern eher jene, die nicht hingehen.“ Zudem sei auch eine rasche Auswertung der Ergebnisse und die damit verbundene Klarheit das Um und Auf. Dies bekräftigte auch Präsident Frühwirth in seinem Abschlussstatement: „Wir müssen auch in den kommenden Wochen alles daran setzen, uns zu schützen, ganz pragmatisch heißt das: FFP2-Masken tragen, Kontakte meiden, Hygieneregeln einhalten und uns testen lassen. Keine Frage, auch die Impfung ist notwendig – so wir sie bekommen.“

Beide Aufzeichnungen des „ÖTK-Zukunftstalks“ sind auch weiterhin abrufbar unter: www.tieraerztekammer.at/oeffentlicher-bereich/oetk-zukunftstalk-wettstreit-um-den-corona-impfstoff

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