Zweifelhaftes

Luxusgut

Mag. Angelika Kramer
Redakteurin Wirtschaftsmagazin „trend“

Der Wunsch der Menschen nach mehr Tierschutz steigt, die Pelztierzucht erlebt aber dennoch einen globalen Boom.

Die Modewelt war fassungslos. Ausgerechnet das italienische Label Gucci, das sich stets auch durch seine extra­vaganten Pelzkollektionen einen Namen gemacht hat, hat kürzlich bekannt gegeben, in Zukunft nur mehr „fur-free“, also gänzlich pelzfrei, auf den Laufstegen dieser Welt auftreten zu wollen. Dabei war noch in der Herbst/Winter-Kollektion 2015 des Modehauses der Gucci-Slipper mit Kängurufell der Renner. „Soziale Verantwortung ist eines der Kernprinzipien von Gucci, und wir wollen uns in Zukunft noch mehr bemühen, Gutes für die Umwelt und die Tiere zu tun“, begründete Marco Bizzarri, Chefdesigner der Luxusmarke, diesen viel beachteten Schritt.

Wie aber sieht es abseits von Gucci mit der Verwendung von Pelz in der Mode aus, wo werden eigentlich noch Pelztiere gezüchtet und unter welchen Bedingungen? Das Vetjournal hat sich in der Branche ein wenig umgesehen und die wichtigsten Fakten zusammengefasst.

Gucci ist bei Weitem nicht das erste Label, das Pelze aus seinen Kollektionen verbannt. Calvin Klein, Ralph Lauren und Tommy Hilfiger etwa haben sich bereits vor Jahren zu diesem Schritt entschlossen. Auch große Handelsketten wie H & M, C & A oder Zara haben dem Pelz längst den Rücken gekehrt. Aber es gibt auf der anderen Seite wieder ausgesprochene Fans der Pelzmode, etwa Karl Lagerfeld oder das italienische Modehaus Fendi. Bei Fendi findet sich alles in der Kollektion, was aus Fell und entsprechend teuer ist: vom Chinchillamantel bis zum Nerzjäckchen. Auch die seit Jahren andauernden Proteste der Tier-
schützer vor der Fendi-Zentrale in Mailand vermochten bisher nichts daran zu ändern. 

Überhaupt konnte sich die Branche nach Jahren sinkender Umsätze vor allem in den 80er-Jahren zuletzt wieder stabilisieren. Galten Pelze vor einem guten Vierteljahrhundert – dank der eifrigen Unterstützung zahlreicher Tierschutzorganisationen und prominenter Testimonials wie der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot – als verpönt, so erlebt der Pelz aktuell wieder eine Renaissance. 

ERNEUTER BOOM in DER PELZWIRTSCHAFT 

Auch wenn Kunstpelz in die großen Kollektionen Einzug gehalten hat, in rund 85 Prozent aller Kollektionen auf Mailands Laufstegen fand sich im Jahr 2016 Echtpelz. Auch in New York, das in Sachen Tierschutz viel progressiver ist, belief sich der Prozentsatz zuletzt wieder auf knapp 60 Prozent; dies zählte Fur Europe, eine europäische Vereinigung von Pelzerzeugern. Der Verkauf von Pelzen soll sich in den letzten fünf Jahren, so einiger-maßen seriöse Schätzungen, sogar verdoppelt haben. 40 Milliarden Dollar soll die Pelzwirtschaft weltweit umsetzen, knapp 50 Prozent der weltweit produzierten Pelze kommen aus Europa. Den Löwenanteil nehmen dabei Nerzpelze (weltweit 87,2 Millionen Stück) mit einem Wert von 3,7 Milliarden Euro ein. 

Dass ausgerechnet Europa in dem Business so stark ist, erstaunt doch einigermaßen, haben sich doch etliche Länder wie Großbritannien oder auch Österreich schon vor etlichen Jahren dazu entschlossen, aus Tierschutzgründen aus der Pelzzucht auszusteigen (siehe Grafik). 

Eine einheitliche europäische Regelung zur Untersagung der Pelztierzucht scheiterte aber stets am Widerstand der großen Produzenten in Polen, Dänemark oder Finnland. Insgesamt gibt es also europaweit nach wie vor 5.000 Pelzfarmen. 2011 waren es noch 7.200. Spitzenreiter ist aktuell Dänemark mit mehr als 1.500 Pelztierfarmen, wo mehr als 17 Millionen Nerze, 45.000 Chinchillas und 2.500 Füchse gezüchtet werden. Und auch in Sachen Pelzverarbeitung sind die Zahlen in Europa ansteigend. Italien und Griechenland haben hier die Nase vorn. Österreich liegt mit einem Jahresumsatz der Kürschnerbranche von 144 Millionen Euro und Pelzexporten in der Höhe von knapp acht Millionen Euro im unteren Mittelfeld. 

GRÜNDE FÜR DIE REGE NACHFRAGE

Branchenkenner führen die Renaissance der Pelzmode und damit einhergehend der Pelzindustrie auf zwei wesentliche Faktoren zurück: Die Designer haben sich in den letzten Jahren sukzessive von ganzen Mänteln oder Jacken wegbewegt, hin zu Pelzbesätzen und kleineren Accessoires wie Schlüsselanhängern. 

Dies sei ein raffinierter strategischer Plan der -Pelzindustrie, vermutet die „Fur Free Alliance“, eine Organisation, die sich für das Ende der Pelztierzucht ausspricht. Denn der sparsame Einsatz von Pelz auf Kleidungsstücken führt einmal dazu, dass das schlechte Gewissen geringer ausfällt, und er schont die Geldbörse. Schon 70 Prozent der Umsätze sollen heute bereits aus dem Handel mit Pelzbesätzen stammen. Auf diese Weise kann sich auch die Mittelschicht mitunter pelzige Stücke leisten. 

Grund Nummer zwei, warum wir aktuell einen regelrechten Pelzboom erleben, ist der wachsende Reichtum in Asien. Vor allem China entdeckt gerade die Vorzüge der Luxusgüter. Pelze gelten dort als Statussymbole. Kein Wunder also, dass China als größter Importeur und Züchter von Pelzen gilt. Aber auch im Nahen Osten wird pelzmäßig aufgerüstet: Im Wüstenstaat Dubai allein soll es 400 Pelzgeschäfte geben.

So beliebt der Pelz bei manchen Aficionados ist, so umstritten bleibt aber dessen Herstellung. Zwar unterliegt die Pelztierzucht in Europa allgemeinen Tierschutzbestimmungen, eigene EU-weite Vorschriften dafür gibt es aber nicht. Lediglich eine Kennzeichnungspflicht wurde 2012 eingeführt. 

Aber auch diese, das zeigen jüngste Überprüfungen von Fur Free Alliance, dürften nur sehr lückenhaft eingehalten werden. Beanstandungen gab es bei 67 Prozent der untersuchten Produkte, Österreich wies in 49 Prozent der Fälle mangelnde Kennzeichnung auf.

Mängel stellen die Tierschützer – trotz sichtbarer Bemühungen von Fur Europe – auch bei der Haltung der Pelztiere in Europa fest. Die Käfiggrößen wären mit durchschnittlich einem Kubikmeter für vier Füchse (Zahlen von deutschen Farmen) viel zu klein, außerdem würde es an der nötigen Hygiene mangeln, wird vielfach kritisiert. Der natürliche Lebensraum von Nerzen sei großteils das Wasser, in Farmen werde ihnen das aber verwehrt, so die Tierschützer. Die Tierschutzorganisation Peta hat erst kürzlich von 30 Prozent Beanstandungen bei durch Veterinäre durchgeführten Untersuchungen von Pelz-farmen in Finnland berichtet. 

Die Pelzindustrie versucht, diesen Schilderungen mit sogenannten „Open Farm“-Events, wo sich Interessierte selbst ein Bild von den Zuständen der Tiere machen können, gegenzusteuern. Doch auch wenn die Initiativen in Europa für mehr Pelztierschutz allmählich in Gang kommen, so kann man weltweit noch lange nicht von ethisch unbedenklichen Zuchtmethoden sprechen. Denn gerade in China, dem größten Zuchtland, ist es mit dem Tierschutz nicht weit her. 

Und so wird die Menschheit wohl noch längere Zeit Zeuge von Tierquälereien für ein sehr zweifelhaftes Luxusgut sein.