Mit einem Festakt im BesucherInnenzentrum im Wildpark beging das Wolf Science Center (WSC) sein zehnjähriges Jubiläum im niederösterreichischen Ernstbrunn. Wissenschaftliche Vorträge, Interviews mit den WolfsforscherInnen und eine Livepräsentation mit den Tieren gaben Einblicke in die Arbeit der Forschungsstätte. Die Rektorin der Vetmeduni Vienna, Ao. Univ.-Prof. Dr. Petra Winter, und Dipl. ECBHM und Leiterin des WSC Assoz.-Prof. PhD. Priv.-Doz. Friederike Range freuten sich, zahlreiche Ehrengäste begrüßen zu dürfen, darunter Mag. Karl Wilfing, Präsident des NÖ Landtags (in Vertretung von Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner), Mag. Elmar Pichl, Sektionschef des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Heinrich XIV. Reuss, Eigentümer und Leiter des Wildparks Ernstbrunn, sowie Horst Gangl, Bürgermeister von Ernstbrunn.
Wölfe führen, Hunde folgen – und beide kooperieren mit dem Menschen
Im Fokus der wissenschaftlichen Arbeit am WSC steht die Ergründung von Kooperationsmechanismen. Einen Meilenstein der Forschung der letzten zehn Jahre bildete ein durch das European Research Council (ERC) gefördertes Großprojekt: Unter der Leitung von Friederike Range analysieren WissenschaftlerInnen aus aller Welt, wie Wölfe untereinander und mit dem Menschen kooperieren – im Vergleich zum Hund.
„Früher gingen viele Domestikationshypothesen davon aus, dass der Hund durch die Domestikation viel aufmerksamer und sozialer geworden ist“, erklärt Friederike Range. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das nicht der Fall ist.“ So ergaben Experimente im Rahmen wissenschaftlicher Studien etwa, dass Wölfe Hunden in Sachen Teamwork überlegen sind. Hunde scheiterten an der Aufgabe, zu zweit gleichzeitig für eine Futtergabe an den Enden eines Seils zu ziehen. Range: „Die Wölfe stachen die Hunde eindeutig aus, als es darum ging, sich mit einem Partner abzustimmen.“ Auch haben Hunde und Wölfe unterschiedliche Konfliktmanagementstrategien: „In ihren Interaktionen mit Artgenossen sind Wölfe aufmerksamer, prosozialer und toleranter als Hunde und versöhnen sich nach Konflikten, während Hunde Konflikte vermeiden und einander aus dem Weg gehen.“
„Hund ist das bessere Haustier“
Trotzdem, so die Leiterin des WSC, sei der Hund das bessere Haustier: Denn Hunde folgen in der Zusammenarbeit dem Verhalten des Menschen, während Wölfe eher führen, also eher selbstständiger sind: „Im täglichen Zusammenleben ist der Hund daher sicherlich der bessere Partner.“ Insgesamt elf Hunde und 16 Wölfe leben aktuell im Wildpark Ernstbrunn. Sie werden von den Forschenden per Hand aufgezogen, um Forschungsergebnisse direkt und objektiv vergleichen zu können. „Es ist schwierig, das Vertrauen eines Wolfs zu gewinnen. Zu ihren HandaufzieherInnen aber haben die Tiere eine besondere Beziehung“, sagt Friederike Range. Forschungsergebnisse des WSC liefern wichtige Erkenntnisse zur Förderung des Verständnisses der wechselseitigen Bedürfnisse und somit zur Verbesserung des Zusammenlebens von Wolf, Hund und Mensch. Von großer Relevanz sind die Resultate unter anderem für den Alltag mit Haushunden. Range: „Wenn wir ein besseres Verständnis davon haben, was und wie Hunde wahrnehmen und verstehen, kann Hundetraining daran angepasst und so die Partnerschaft zwischen Mensch und Tier gefördert werden.“
Mit ihren KollegInnen Dr. Zsófia Virányi und Ao. Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Kurt Kotrschal legte Range im Jahr 2008 den Grundstein zur Gründung des Zentrums. In den letzten zehn Jahren hat sich das WSC zu einer international bekannten Forschungsstätte entwickelt, deren wissenschaftliche Arbeit weltweit geschätzt wird. Seit dem Jahr 2017 ist das WSC Teil der Vetmeduni Wien und gehört zum Department für Integrative Biologie und Evolution/Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung: „Um die Rahmenbedingungen sowohl für die Forschung als auch für die MitarbeiterInnen zu optimieren, wurde das WSC in die Vetmeduni Vienna eingegliedert“, erklärt Vetmed-Rektorin Petra Winter, die den unermüdlichen Einsatz der Forschenden betont: „Die Grundlagenforschung am WSC gibt Aufschluss über die Anfänge und die Entwicklung der Wolf-Hund-Mensch-Beziehung. Die visionäre Arbeit der WissenschaftlerInnen hat aus dem WSC ein internationales Aushängeschild der Forschung gemacht. Es gibt weltweit keine vergleichbare wissenschaftliche Einrichtung, die so eng mit Wölfen arbeitet.“
Mit neuen Zielen in die Zukunft
Durch Wolfspatenschaften, private Spenden, ein Besuchsprogramm und Drittmittelprojekte gelang seit 2009 der Ausbau des Forschungszentrums. Die Finanzierung bleibt eine Herausforderung. Die Betreuung der Tiere durch professionelle TrainerInnen sowie die Haltung in großen Gehegen ist kostenintensiv. Um zukünftige Vorhaben bestmöglich realisieren zu können, wird man auch in Zukunft auf Spenden angewiesen sein. „Wir danken unseren großzügigen UnterstützerInnen sowie unseren UnternehmenspartnerInnen“, sagt Friederike Range, die sich darüber freut, dass mit „The Good Stuff“ ein neuer Sponsor für Futtermittel gewonnen werden konnte.
Welche Ziele man sich im WSC für die Zukunft gesteckt hat? Range: „Wir wollen unter anderem verstärkt an der Mensch-Tier-Beziehung forschen, und weiters daran, inwieweit Hormone bestimmte Verhaltensweisen unterstützen.“ Außerdem soll die Forschung an frei lebenden Hunden in Marokko ausgebaut werden. Diese Ergebnisse werden dann mit jenen von Haushunden sowie von Hunden und Wölfen des Wolfsforschungszentrums verglichen – um die Auswirkungen von Sozialisation und Domestikation auf die kognitiven Fähigkeiten von Hunden noch besser verstehen zu können.